
Pyramide, Tannenbaum, Pilz: Wie sich das Demografieproblem entspannt
Keine Angst vor der alternden Gesellschaft Sechs Gründe, warum die Demografiebombe entschärft wird
Klar, Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen. Vor allem, wenn sie mehrere Jahre in die Zukunft reichen. Woher sollen wir denn jetzt wissen, wie die Welt im Jahr 2030 aussieht?
Was Bevölkerungsprognosen angeht, ist es etwas einfacher: Wer in 15 Jahren arbeiten soll, muss heute schon geboren sein. Das verleiht düsteren Warnungen vor der Überalterung der Gesellschaft das Gewicht des Unausweichlichen: Der Lebensunterhalt für immer mehr Alte muss von immer weniger Jungen erwirtschaftet werden. Deutschland schafft sich ab.
Doch halt. Es gibt Gründe für Optimismus, auch in dieser Frage.
Einige davon offenbart schon eine genauerer Blick auf die vom Statistischen Bundesamt angebotene Gif-Animation der deutschen Altersstruktur im Zeitverlauf, die Sie unten sehen (wenn Sie diesen Artikel auf einem mobilen Endgerät lesen, folgen Sie bitte diesem Link ).
Zunächst erscheint das Flackern der sich nach oben verschiebenden Balken, die für einzelne Altersjahrgänge stehen (links Männer, rechts Frauen) wie eine Bestätigung der Untergangsfantasie: Aus der "Bevölkerungspyramide" mit wenig Alten oben und vielen Jungen unten zu Beginn der Bundesrepublik - eine richtige Pyramidenform gab es in Deutschland allerdings seit der Kaiserzeit nicht mehr - wird in naher Zukunft ein "Bevölkerungspilz": viele Alte oben, wenig Junge unten.
Trotzdem steuern wir nicht auf eine unausweichliche demografische Katastrophe zu. Hier sind sechs Gründe:
Es läuft schon gut - und es gibt noch Potenzial
Erstens: Der Wandel geschieht langsam, es gibt also Zeit zur Anpassung. Echte Schocks in der Bevölkerungsentwicklung mit einem plötzlichen massiven Einbruch der Geburtenzahlen gab es nur infolge der beiden Weltkriege. Der "Pillenknick" der 60er Jahre und der Geburtenrückgang der Wendejahre im Osten waren deutlich moderater, und die Folgen werden von Jahr zu Jahr weniger spürbar. In der Grafik rundet sich die zackige Tannenbaum-Form früherer Jahrzehnte zunehmend ab.
Zweitens: Zuwanderung kann vieles ändern. Die (optimistische) Prognose der Statistiker geht von einem jährlichen Gewinn von 200.000 Menschen für das Land aus. In diesem Jahr jedoch kamen mehr als eine Million Flüchtlinge. Wenn ein gewisser Teil von ihnen bleibt, werden die noch lange aktiven Jahrgänge der 80er und 90er Jahre deutlich stärker als vorausberechnet.
Integration und Qualifikation sind keine banalen Probleme. Aber das schwedische Beispiel zeigt, dass aus einem der überaltertsten Länder der Welt in wenigen Jahrzehnten eine junge, dynamisch wachsende Nation werden kann. Davon wird nicht alles gut, aber die Angst vor dem Aussterben konnten die Schweden vergessen.
Drittens: Es gibt noch andere Variablen wie die Lebenserwartung oder vor allem die Geburtenrate, die das zukünftige Bild ändern können. Die bewegen sich zwar langsam und haben eher Einfluss auf die fernere Zukunft. Aber auch hier gibt es Anlass zur Hoffnung.
Viertens: Selbst wenn die demografische Gefahr nicht entschärft wird, nimmt sie nicht stetig zu, sondern rollt in einer Welle an, die dann auch wieder ausrollt. Bereits jetzt hat die Phase der größten Herausforderung begonnen, weil die Babyboomer-Jahrgänge der Nachkriegszeit in Rente gehen.
In den 2030er Jahren werden sie fast alle bereits im Ruhestand sein. Wenn die Sozialsysteme die kommenden 15 Jahre überstehen, sind sie für die nachfolgende Zeit ziemlich sicher fit - zumindest aus demografischer Sicht.
Fünftens: Deutschland hat bereits Phasen hinter sich, in denen sich die aktiven Jahrgänge zwischen 20 und 64 Jahren (die jüngeren arbeiten ja idealerweise noch nicht) beinahe in die Minderheit gerieten, bevor sich das Verhältnis wieder besserte. Vor allem in den 70er Jahren hatten rein rechnerisch wenige Angehörige der mittleren Generation viele Alte und zugleich besonders viele Junge mitzuversorgen. Der Sozialstaat ist nicht kollabiert.
Sechstens: Entscheidend allerdings ist, was die Grafik zur Bevölkerungsstruktur nicht zeigt: Ob es gut oder schlecht um die Finanzierung des Unterhalts für die nicht Erwerbsfähigen steht, hängt vor allem an Konjunktur, Arbeitsmarkt und Verteilungsfragen. Die demografische Entwicklung ist nur eine Rahmenbedingung.
Obwohl die mittlere Generation in den vergangenen zwanzig Jahren um zwei Millionen Menschen schrumpfte, stieg die Zahl der Erwerbstätigen in der gleichen Zeit um fünf Millionen auf den Rekordwert von 43 Millionen. Ebenso stiegen Wirtschaftsleistung und Vermögen.
Und da gibt es noch Potenzial. Trotz der außerordentlich guten Lage auf dem Arbeitsmarkt gelten immer noch mehr als drei Millionen als arbeitslos oder unterbeschäftigt, weitere Millionen halten sich ganz vom Arbeitsmarkt fern. Solange die nicht mobilisiert sind, ist Angst vor einer Zukunft, in der zu wenige Menschen arbeiten können, etwas deplatziert.
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