Der Bundesrat macht den Weg für eine neue Mobilität in Deutschland frei
Foto: [M] dpaDer Bundesrat hat den Weg für die Zulassung von Elektro-Tretrollern in Deutschland geebnet. Die Länderkammer stimmte am Freitag einer Verordnung des Bundesverkehrsministeriums zu - allerdings mit Änderungen, die die Bundesregierung nun noch umsetzen muss. Demnach sollen die Gefährte generell erst für Jugendliche ab 14 Jahren erlaubt werden und nicht bei langsameren Modellen schon ab 12 Jahren wie zunächst vorgesehen. Entgegen der ursprünglichen Pläne sollen auch keine E-Tretroller auf Gehwegen fahren, sondern grundsätzlich auf Radwegen.
Die Bundesregierung will in diesen beiden wichtigen Punkten auf Sicherheitsbedenken der Ländern eingehen. Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) sprach sich im Bundesrat ebenfalls für ein Mindestalter von 14 Jahren aus.
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Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) strebt eine Zulassung der E-Tretroller noch im Sommer an. Sie sollen neue Mobilitätsangebote vor allem in Städten schaffen - zum Beispiel von einer Bushaltestelle weiter nach Hause oder ins Büro. In mehreren deutschen Städten machen sich Leihanbieter für einen Start bereit.
Alle E-Roller müssen auf Radwegen oder der Straße fahren
Den größten Streitpunkt hatte Scheuer schon vorab abgeräumt und ein Herausnehmen der Nutzung von Gehwegen zugesagt. Die ursprünglichen Pläne für eine Verordnung sahen vor, dass E-Roller, die langsamer als 12 Kilometer pro Stunde (km/h) sind, im Schritttempo auf Bürgersteigen fahren sollten.
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Nun sollen alle E-Roller in der Regel auf Radwegen fahren, wie es zunächst nur für schnellere Gefährte ab 12 km/h vorgesehen war. Der Bundesrat stimmte auch dafür, die Unterteilung in zwei Kategorien ganz aus den Regeln herauszunehmen.
Altersgrenze liegt jetzt fest bei 14 Jahren
Ein zweiter Aspekt, über den zuletzt noch diskutiert wurde, ist die Altersfreigabe. Scheuer wollte langsamere E-Tretroller bis 12 km/h schon ab 12 Jahren zulassen, schnellere ab 14 Jahren. Dies soll nun die generelle Altersgrenze sein. Forderungen, Tretroller erst ab 15 Jahren zu erlauben, fanden in der Länderkammer keine Mehrheit.
Zugelassen werden sollen E-Tretroller, die höchstens 20 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Eine Helmpflicht soll es nicht geben, auch einen Moped-Führerschein brauchen Fahrer nicht. Anders als Fahrräder sollen die neuen E-Scooter außerdem versicherungspflichtig sein.
In vielen Städten stehen Verleiher solcher Roller schon in den Startlöchern. Fahrräder zum einfachen Mieten per App tauchten in manchen Städten in den vergangenen Jahren in Massen auf - und sorgten für Ärger, weil sie überall herumstanden oder kaputt herumlagen.
In München rechnet man mit etwa 10.000 E-Scootern, auch in Frankfurt am Main könnten es zwischen 5000 und 10.000 werden. Was die Zahl angeht, seien den Kommunen die Hände gebunden, erklärte ein Sprecher der Stadtverwaltung in München: "Sollte die Verordnung zur Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen wie geplant kommen, könnten Sharing-Anbieter so viele Roller aufstellen, wie sie wollen. Die Kommunen können das nicht verhindern."
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Der Fahrrad-Club ADFC in Bayern mahnte, in Städten wie San Francisco, Paris oder Madrid habe man schlechte Erfahrungen gemacht, es gebe mehr Unfälle und Beschwerden über herumliegende Leih-Roller.
Es droht also doppelt Ärger: auf Radwegen und Straßen beim Fahren einerseits, überall im öffentlichen Raum mit abgestellten Fahrzeugen andererseits. In Berlin und Frankfurt gibt es schon Vorgaben: Am Main soll es eine Begrenzung von maximal fünf Rollern pro Station geben, defekte oder falsch geparkte Roller müssen binnen sechs Stunden entfernt werden. An der Spree haben die Anbieter hierfür 24 Stunden Zeit. In beiden Großstädten rechnet man damit, dass es zu Konflikten mit Radfahrern kommen wird.
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In Stuttgart haben nach Angaben der Stadt zehn Anbieter Interesse, E-Scooter zum Ausleihen anzubieten. Der Referatsleiter für strategische Planung und nachhaltige Mobilität, Ralf Maier-Geißer, glaubt, die Anbieter hätten aus den Fehlern der Fahrradverleiher gelernt und ein Interesse, dass ihr Angebot bei Bürgern gut ankomme.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, begrüßte die geplante Zulassung von E-Rollern in Deutschen Städten. Die neue Verkehrsvielfalt verlange aber "sowohl zwischen den Zweiradnutzern als auch besonders von Auto- und Lkw-Fahrern größere Achtsamkeit auf den Straßen und Wegen", mahnte er. Viele Städte bauten derzeit Radwege aus. Damit werde auch Platz geschaffen für die E-Tretroller.
Der Anlauf war etwas länger als in anderen Ländern, aber jetzt ist die E-Scooter-Manie auch in Deutschland angekommen. Seit Mitte Juni gilt die Straßenzulassung der elektrisch angetriebenen Mini-Stehroller. Das Berliner Startup Flash von Seriengründer Lukasz Gadowski, noch kein Jahr alt und kurz vor dem Marktstart umbenannt in Circ, expandiert besonders aggressiv. Nach einem Modellversuch mit Sondergenehmigung in Herne kamen die Circ-Roller binnen Kürze nach Berlin, Hamburg und Köln. Ganze 80 deutsche Städte will die Firma versorgen.
Wie in anderen Ländern erprobt, ist das Verleihmodell der Sharing-Dienste einheitlich: meist ein Euro Grundgebühr plus 15 Cent pro Minute (in Deutschland haben manche Anbieter jedoch 20 Cent als Minutentarif gewählt). Tier, ebenfalls ein Berliner Startup, hofft ebenfalls auf Startvorteil auf dem Heimatmarkt. Die Roller mit der türkisen Stange sind bereits auf den Straßen von Frankfurt am Main, München, Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Bonn und Münster unterwegs. Sowohl Flash/Circ als auch Tier hatten zuvor Erfahrungen im europäischen Ausland gesammelt.
Vorn auf der Welle sind zwei US-Firmen, beide erst 2017 gegründet, aber beide von Wagniskapitalgebern schon mit mehr als zwei Milliarden Dollar bewertet. Lime hat seine grünen Roller schon über mehr als 30 europäische Städte verteilt. In Berlin und Frankfurt testete die Firma den Markt mit Leihfahrrädern, bevor die E-Scooter legalisiert wurden. Auch Köln und Hamburg fanden die Amerikaner lukrativ genug für den schnellen Start.
Für den deutschen Markt mussten die Roller angepasst werden. Unter anderem ein Versicherungskennzeichen, Reflektoren, Licht und zwei unabhängige Bremsen sind vorgeschrieben. Helme nicht, obwohl die Anbieter zumeist zum Tragen raten. Mit den Kommunen haben sie in der Regel Vereinbarungen unterschrieben, um Chaos auf den Gehwegen und Unfallrisiken zu vermindern.
Bird hat auch schon mehr als 100 Städte abgedeckt, darunter 11 in Europa. Zum Deutschland-Start wurde im Frühjahr mit einem Feldversuch in Bamberg vorgefühlt - für den Markteintritt im großen Stil aber erst einmal der Konkurrenz den Vortritt gelassen. Die US-Pioniere haben in San Francisco, Paris und Co. heftige Konflikte und zeitweise Verbote hinter sich.
Als größter europäischer Anbieter sieht sich Voi aus Schweden, 2018 gegründet. Gründer Fredrik Hjelm betont den "besonderen skandinavischen Wachstums-Ansatz", erst in Dialog mit Kommunen zu treten, "damit wir nur in Märkte kommen, wo wir auch erwünscht sind". Voi fängt mit einer Kooperation in Lübeck an und lässt die Roller im Movie-Park Bottrop (abseits des öffentlichen Straßenverkehrs) fahren. Auch die Landesverkehrsminister durften Voi schon ausprobieren. Rund 30 deutsche Städte zielen die Schweden an, mussten aber erst einmal ein eigenes Modell für den hiesigen Markt entwerfen.
Aus Berlin stammt Wind, bislang mit selbst entwickelten Rollern in Städten wie Paris oder Wien unterwegs. In Berlin, Frankfurt und drei Ruhrgebiet-Städten bietet das Unternehmen Leihfahrräder unter der Marke Byke an. Ende Juni, Anfang Juli sollen auch die E-Scooter von Wind in deutsche Städte kommen - nach eigenen Angaben die ersten mit austauschbarem Akku.
Der Fahrdienstvermittler Uber, gerade mit 80 Milliarden Dollar Bewertung an die Börse gegangen, lässt sich auch das Geschäft mit der Mikromobilität nicht entgehen. Die Uber-Marke Jump, die wie hier in Brüssel oder auch in Berlin Leihfahrräder anbietet, expandiert nun in mehreren Städten auch mit E-Scootern. Vorrang hat hier aber zunächst der US-Markt.
Hive hat Erfahrung beispielsweise aus Paris, Athen, Lissabon, Warschau oder Wien (Bild). In Hamburg gibt es einen Feldversuch auf einem Forschungscampus mit 100 Scootern. In die deutschen Innenstädte werde man deutlich mehr Fahrzeuge bringen, lässt die Mutterfirma Mytaxi (künftig Freenow) wissen, die wiederum zum Daimler-Konzern gehört. Damit aber werde man sich Zeit lassen - in diesem Sommer wird es wohl noch nichts.
Ebenfalls mit Daimler-Kapital ausgestattet - und insgesamt mehr als eine Milliarde Euro wert, laut Gründer Markus Villig "ein guter Start" - ist das jüngst in Bolt umbenannte estnische Unternehmen Taxify. Die Firma deckt als Uber-Konkurrent auch etliche osteuropäische oder afrikanische Großstädte ab, setzt nun aber voll auf den Scooter-Boom in Europa unter der Marke Bolt - nicht zu verwechseln mit ...
... dem ebenfalls Bolt genannten Startup, an dem ein gewisser Usain Bolt beteiligt ist. Zum Start in Paris stellte sich der Sprintstar selbst auf das Gefährt. Ein Gericht entschied jedoch, dass er seinen Nachnamen nicht für die Marke nutzen dürfe. 20 europäische Städte will Bolt in Kürze erobern, die Vielzahl der bereits präsenten Wettbewerber schreckt ihn nicht. Allein in Paris musste die Stadtverwaltung jüngst zehn verschiedene Anbieter mit 15.000 Rollern für ihren Verhaltenskodex versammeln. In Madrid oder Lissabon herrscht ähnlich bunte Vielfalt - oder auch Chaos auf Geh- und Radwegen.
In gemächlicherem Tempo hat der Leiziger Gründer Ralf Kalupner den größten Fahrrad-Sharing-Dienst Deutschlands aufgebaut. Die E-Scooter-Welle sieht er skeptisch - will sie aber auch nicht an sich vorbeiziehen lassen. Nextbike werde "eigentlich aufs Fahrrad setzen, für die Leute, die lieber Scooter fahren, aber auch Scooter anbieten", kündigt Kalupner im manager-magazin-Podcast an.
Bird hat auch schon mehr als 100 Städte abgedeckt, darunter 11 in Europa. Zum Deutschland-Start wurde im Frühjahr mit einem Feldversuch in Bamberg vorgefühlt - für den Markteintritt im großen Stil aber erst einmal der Konkurrenz den Vortritt gelassen. Die US-Pioniere haben in San Francisco, Paris und Co. heftige Konflikte und zeitweise Verbote hinter sich.
Foto: Nicolas Armer/ DPAHive hat Erfahrung beispielsweise aus Paris, Athen, Lissabon, Warschau oder Wien (Bild). In Hamburg gibt es einen Feldversuch auf einem Forschungscampus mit 100 Scootern. In die deutschen Innenstädte werde man deutlich mehr Fahrzeuge bringen, lässt die Mutterfirma Mytaxi (künftig Freenow) wissen, die wiederum zum Daimler-Konzern gehört. Damit aber werde man sich Zeit lassen - in diesem Sommer wird es wohl noch nichts.
Foto: DPA / Hans Klaus TechtBird hat auch schon mehr als 100 Städte abgedeckt, darunter 11 in Europa. Zum Deutschland-Start wurde im Frühjahr mit einem Feldversuch in Bamberg vorgefühlt - für den Markteintritt im großen Stil aber erst einmal der Konkurrenz den Vortritt gelassen. Die US-Pioniere haben in San Francisco, Paris und Co. heftige Konflikte und zeitweise Verbote hinter sich.
Foto: Nicolas Armer/ DPAHive hat Erfahrung beispielsweise aus Paris, Athen, Lissabon, Warschau oder Wien (Bild). In Hamburg gibt es einen Feldversuch auf einem Forschungscampus mit 100 Scootern. In die deutschen Innenstädte werde man deutlich mehr Fahrzeuge bringen, lässt die Mutterfirma Mytaxi (künftig Freenow) wissen, die wiederum zum Daimler-Konzern gehört. Damit aber werde man sich Zeit lassen - in diesem Sommer wird es wohl noch nichts.
Foto: DPA / Hans Klaus Techt