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Olympische Spiele: Unentschlossene mobilisieren

Foto: Kcap | Arup | Vogt | Kunst+herbe/ dpa

Volksentscheid über Olympia-Bewerbung Wie Hamburg um die Olympischen Spiele kämpft

Eine aktuelle Studie über die Olympischen Spiele zeigt in den westlichen Ländern eine leichte Zustimmung für das Großereignis. Das Zünglein an der Waage bei Bürgerentscheiden sind allerdings die Unentschlossenen. Was kann Hamburg für das bevorstehende Referendum noch lernen?
Von Philipp Klotz und Silke Hemminger

Am 1. Advent stimmen die Hamburger Bürger über die Bewerbung der Hansestadt für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 ab. Nur im Fall eines positiven Votums der Hamburger Bürger wird die Kampagne aufrechterhalten. Dabei muss beim Referendum eine einfache Mehrheit für die Austragung der Spiele erreicht werden. Zudem müssen 20 Prozent aller Wahlberechtigten mit Ja stimmen - in Hamburg sind das etwa 260.000 von 1,3 Millionen Wahlberechtigten. Werden die Zahlen nicht erreicht, muss der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wie vor zwei Jahren in München die Bewerbung zurückziehen.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage, die im Auftrag des DOSB Anfang September vorgenommen wurde, begrüßten 63 Prozent der Hamburger eine Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024. Die Zustimmung ist dabei stabil: Bei der vorangegangenen Forsa-Umfrage im Februar dieses Jahres hatten 64 Prozent der Hamburger Bürger für eine Olympia-Bewerbung der Hansestadt votiert.

Entscheidend wird am Ende aber nicht nur die grundsätzliche Zustimmung bei der Umfrage sein, sondern die Befürworter Ende November zur Stimmabgabe ins Wahlbüro oder per Briefwahl zu mobilisieren. Wie schwierig das ist, hat die schmerzhafte Niederlage der Münchner Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 gezeigt. Im November 2013 lag die Wahlbeteiligung in der bayerischen Landeshauptstadt deutlich unter 30 Prozent. Man darf unterstellen, dass die Gegner der sportlichen Großveranstaltung eine deutlich größere Motivation verspürten, ihr Kreuz an der Wahlurne zu machen. Der Ausgang ist bekannt.

Das Schicksal von München ereilte in kurzer Abfolge auch Krakau, Oslo, Stockholm und den Schweizer Kanton Graubünden, die unter anderem aufgrund fehlender Unterstützung in der Bevölkerung ihre Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 zurückzogen. Am Ende konnte sich Peking im Zweikampf knapp gegen Almaty (Kasachstan) durchsetzen. Nach 2018 in Pyeongchang (Winterspiele) und 2020 in Tokio (Sommerspiele) wird damit zum dritten Mal in Folge das größte Sportereignis der Welt in Asien stattfinden.

Nicht zuletzt aufgrund des fehlenden Rückhalts der Olympischen Bewegung in Europa hat IOC-Präsident Thomas Bach die "Agenda 2020" ins Leben gerufen. Durch diese sollen die Olympischen Spiele transparenter und nachhaltiger werden. Geringere Kosten und eine Abkehr vom Gigantismus sollen die Spiele wieder für mehr Kandidaten attraktiv machen.

Repräsentative Umfrage

Repräsentative Umfrage

Foto: SPONSORs

Vor diesem Hintergrund liefert eine repräsentative Studie der WHU - Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf, die als erster Research Report im Rahmen des "Camp Beckenbauer" entstanden ist, interessante Informationen zum aktuellen Stimmungsbild. Zwischen März und April 2015 hat das Team von Professor Sascha L. Schmidt 12.000 Personen in zwölf westlichen, demokratischen Ländern nach ihrer Einstellung zu Olympischen Spielen befragt.

Die Ergebnisse sind repräsentativ für 700 Millionen Menschen aus den USA, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz und Spanien.

Mehrheit für Olympia

Die erste wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass eine knappe Mehrheit (52 Prozent) der Menschen in diesen Ländern die Ausrichtung Olympischer Spiele unterstützt. Allerdings mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. So ist die Zustimmung unter allen Befragten in den USA mit 76 Prozent am höchsten und mit 35 Prozent in Norwegen am niedrigsten.

Mit 43 Prozent Jastimmen rangiert Deutschland auf dem drittletzten Platz bei der Frage "Sollte sich Ihr Land als Gastgeber für die Olympischen Spiele bewerben?" Mit Nein beantworteten diese Frage in Deutschland 28 Prozent.

Auch wenn hierzulande die Mehrheit für die Ausrichtung Olympischer Spiele ist, wird entscheidend für den Ausgang der Bürgerbefragung in Hamburg sein, ob die aktuell noch unentschlossenen Bürger aktiviert und positiv beeinflusst werden können.

Die Erhebung zeigt, dass es in Deutschland mit 29 Prozent die meisten Unentschlossenen in allen untersuchten Ländern gibt. Über alle Länder hinweg liegt die Zahl der Unentschlossenen bei 23 Prozent.

Studiendesign

"To Host or not to host the Olympics - a transnational perspective" ist der Titel des ersten "Research Report" des Camp Beckenbauer. Für die repräsentative Studie hat das Team von Professor Dr. Sascha L. Schmidt von der WHU - Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf zwischen März und April dieses Jahres 12.000 Personen in zwölf westlichen Demokratien zu ihren Einstellungen zu den Olympischen Spielen befragt. Damit ist die Studie repräsentativ für 700 Millionen Bürger in diesen Ländern. Die Befragten wurden in drei Gruppen geclustert: Befürworter, Gegner und Unentschlossene. Zudem zeigt die Studie soziodemografische Charakteristika der unterschiedlichen Gruppen auf.

Die Autoren der Studie beschreiben die Unentschlossenen wie folgt: 56 Prozent in dieser Gruppe sind Frauen. Im Vergleich zu den Befürwortern und Gegnern haben sie in Europa einen durchschnittlichen oder leicht unterdurchschnittlichen Bildungshintergrund und sind seltener in einem Verein oder der Kirche aktiv. Zudem geben sie an, zu wenig Zeit zu haben, um sich mit den Vor- und Nachteilen von Olympischen Spielen auseinanderzusetzen. Wenn sie es allerdings doch tun, denken sie vorrangig über die möglichen Nachteile und Risiken nach, als über die potenziellen Vorteile.

Zu den am meisten gefürchteten Faktoren einer Olympia-Austragung zählen hohe Kosten für den Fiskus. Zudem werden Nachteile für die Bevölkerung und Schäden für die Umwelt befürchtet. An einem Referendum zur Austragung Olympischer Spiele würden übrigens gerade einmal 28 Prozent der Unentschlossenen teilnehmen. Die Befürworter würden zu 55 Prozent und die Gegner zu 49 Prozent teilnehmen.

Glaubwürdiges Testimonial

In Bezug auf das bevorstehende Referendum muss sich die Hamburger Bewerbungsgesellschaft die Frage stellen, wie sie die wahlmüden und unentschlossenen Bürger überzeugen kann. Die Autoren der WHUStudie raten dabei vor allem zu einer glaubwürdigen Kommunikation, die die zuvor genannten Sorgen und Ängste der unentschlossenen Bürger ernst nimmt und thematisiert.

Dabei sollten auch die Risiken der Austragung Olympischer Spiele offen angesprochen werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Mobilisierung von Wählern durch sogenanntes Micro-targeting dar. Bei der vor allem aus der politischen Kommunikation bekannten Strategie können auf der Basis von systematisch erfassten soziodemografischen Daten maßgeschneiderte Nachrichten bei den unterschiedlich positionierten Zielgruppen platziert werden.

Was sich zudem bei vergangenen Bewerbungen als vorteilhaft erwiesen hat, ist eine starke Persönlichkeit aus dem Sport, die den Kopf der Bewerbung darstellt. Dazu eignen sich besonders ehemalige erfolgreiche Sportler, die in der Bevölkerung eine große Popularität genießen. Unentschlossene können dadurch zur Abstimmung motiviert werden. Ein derartiges Testimonial wurde bisher noch nicht ins Zentrum der Hamburger Bewerbung gerückt.

Bis zum Referendum dürfte noch eine Reihe an Maßnahmen geplant sein, um vor allem die Unentschlossenen und den ein oder anderen Gegner zu überzeugen. Spätestens am 29. November wird Deutschland dann wissen, ob nicht nur Hamburg, sondern das ganze Land "Feuer und Flamme" sein darf. Zumindest für die nächsten knapp zwei Jahre, ehe im Sommer 2017 in Lima (Peru) entschieden wird, welche Stadt die Olympischen Spiele 2024 ausrichtet.

Diesen Text veröffentlichten wir mit freundlicher Genehmigung von SPONSORs  , dem Fachmagazin für Sport-Business. Erschienen in der November-Ausgabe von SPONSORs.

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