Spätestens ab 2023 sollen große Unternehmen nach dem Willen der Bundesregierung gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren Zulieferern vorgehen. Bei Verfehlungen drohen Bußgelder.
Hinschauen statt wegschauen: Deutschen Unternehmen drohen bei Verfehlungen Bußgelder von bis zu 2 Prozent des jährlichen Umsatzes
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Die Bundesregierung hat nach monatelangem Ringen das umstrittene Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Das Kabinett gab am Mittwoch grünes Licht für den Gesetzentwurf, der federführend im Arbeitsministerium erstellt wurde. Große Unternehmen in Deutschland werden damit ab 2023 verpflichtet, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren weltweiten Zulieferern vorzugehen. Bei Verfehlungen drohen ihnen Bußgelder von bis zu 2 Prozent des jährlichen Umsatzes.
Viele Branchenverbände kritisierten den Entwurf. Sie fürchten Nachteile im internationalen Wettbewerb sowie Gerichtsverfahren wegen unklarer Formulierungen. Umwelt- und Verbraucherlobbyisten forderten dagegen, im Bundestag und auf europäischer Ebene müssten die Vorgaben verschärft werden.
"Heute ist ein wichtiger Tag für Menschenrechte", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (48, SPD) in Berlin. Unternehmen müssten künftig handeln, wenn sie von Menschenrechtsverstößen Kenntnis erlangen, etwa Zwangs- oder Kinderarbeit. Es werde effektive Kontrollen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) geben. Unternehmen drohten bei Verstößen nicht nur Bußgelder, sondern auch ein dreijähriger Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. "Das Gesetz hat also Zähne - es wird wirken", unterstrich Heil.
Der Gesetzentwurf soll noch vor der Bundestagswahl im September im Parlament beschlossen werden. "Ich fürchte gar nichts", sagte Heil mit Blick auf mögliche Änderungen bei den Beratungen im Bundestag. Das Gesetz soll ab 2023 für Konzerne mit jeweils mehr als 3000 Mitarbeitern in Deutschland greifen, das sind rund 600 Konzerne. Ab 2024 sollen auch Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten einbezogen werden, das sind 2900 Firmen. Die Gewerkschaft IG Metall sieht vor allem die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag in der Pflicht, den Entwurf nicht zu verwässern.
Wirtschaft fürchtet Klagewelle
Der Chemieverband VCI kritisierte, es werde nicht genau bestimmt, was ein angemessenes Unternehmenshandeln sei. "Vor dem Hintergrund des umfangreichen Bußgeldkatalogs muss die Angemessenheit zumindest mit Leitlinien umgrenzt werden." Ähnlich argumentierte der Automobilverband VDA: "Für Unternehmen ist es wichtig, dass Rechte und Pflichten eindeutig benannt werden, um Auseinandersetzungen vor Gerichten zu vermeiden." Der Arbeitgeberverband BDA bemängelte, dass der Entwurf mit "heißer Nadel gestrickt" worden sei und deutlich über den Koalitionsvertrag hinausgehe. Er stelle einen "gefährlichen nationalen Sonderweg" dar. Allerdings gibt es auch auf EU-Ebene ähnliche Pläne, deren Details im Frühjahr vorgestellt werden dürften.
"Als nächsten Schritt müssen wir nun einheitliche Standards auf europäischer Ebene schaffen", sagte Justizministerin Christine Lambrecht (55, SPD). Heil ergänzte, er hoffe, dass die EU-Initiative der Kommission noch ambitionierter ausfallen werde, etwa im Umweltbereich.
Die Einhaltung von Umweltstandards spiele im Heil-Entwurf nur eine Nebenrolle, kritisierte daher auch der WWF Deutschland. Klaus Müller (50), Chef des Verbraucherverbands VZBV, sprach von einem "Lieferkettengesetz light". Es fehle eine zivilrechtliche Haftung von Firmen. "Der Bundestag muss jetzt nachbessern." Wichtig sei eine starke Kontrollbehörde, Bußgelder müssten erhöht werden auf bis zu 10 Prozent des Umsatzes.