KfW-Chef Stefan Wintels Dieser Banker soll die Pläne der Ampelkoalition finanzieren

Plan geht auf: KfW-Chef Stefan Wintels wurde noch vor der Bundestagswahl von Finanzminister und Bald-Kanzler Olaf Scholz geholt
Foto: -- / dpaKaum im Amt, bekommt Stefan Wintels (54) schon eine Schlüsselrolle für Deutschlands Zukunft. Zum 1. Oktober hat der bisherige Deutschlandchef der Citigroup seinen neuen Job als Chef der KfW angetreten. Jetzt erscheint die staatliche Förderbank als größte Hoffnung, wie SPD, FDP und Grüne ihr zentrales Versprechen erfüllen können: "die 2020er Jahre zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen machen", wie es im Sondierungspapier der Ampelkoalition heißt – und trotzdem die Schuldenbremse einhalten sowie Steuererhöhungen im Großen und Ganzen ausschließen.
Jetzt rätseln alle: Wo soll das Geld herkommen? Allein für den Klimaschutz werden in dieser Wahlperiode hunderte Milliarden Euro benötigt, ähnlich stolze Summen kommen für Digitalisierung, Bildung oder auch nur den Stopp des Verfalls öffentlicher Infrastruktur noch obendrauf. Auch wenn der Großteil der Mittel privat finanziert wird, braucht es einen kräftigen Anschub vom Staat – im Rahmen der Schuldenbremse sind die rot-grün-gelben Zukunftspläne schlicht nicht drin.
Da keine verfassungsändernde Mehrheit in Sicht ist, muss ein Umweg her. Über Schattenhaushalte wie formell selbstständige Investitionsgesellschaften wird spekuliert, über eine Umwidmung des Corona-Hilfsfonds WSF, über eine stärkere Schuldenaufnahme von Unternehmen wie der Deutschen Bahn, die zwar dem Bund gehören, aber unabhängig vom Haushalt wirtschaften. Die wichtigste Zauberformel aber hat drei Buchstaben: KfW.
Was die Ampelpartner damit vorhätten, werde "öffentlich noch nicht hinreichend wahrgenommen", beantwortete FDP-Chef Christian Lindner (42) am Sonntag im "Heute Journal" des ZDF die Frage nach dem fehlenden Geld. "Wir wollen privates Kapital auch dadurch aktivieren, dass wir unsere öffentliche Förderbank nutzen, um private Investitionen auch öffentlich abzusichern." Das Charmanteste an dem Trick für den Finanzminister in spe: "Dafür braucht man nicht einen Euro höhere Schulden, nicht einen Euro höhere Steuern, sondern es ist nur ein unternehmerisches Agieren des Staates, um Dinge möglich zu machen."
Die Connection zu Olaf Scholz
Höhere Schulden wären es natürlich schon – sofern Bürgschaften nicht reichen –, die würde aber die KfW anstelle des Bundes aufnehmen. Die Bank mit einer Bilanzsumme von zuletzt 546 Milliarden Euro (Nummer drei im deutschen Geldwesen hinter Deutscher Bank und der genossenschaftlichen DZ Bank) zählt für Schuldenbremse und EU-Stabilitätspakt nicht zur Staatsverschuldung, ist aus Sicht des Kapitalmarkts aber praktisch genauso gut: Dank Garantie der Bundesrepublik wird die KfW ihre Anleihen zu Null- oder Negativzinsen los.
Offensichtlich genießt Stefan Wintels auch das Vertrauen des aktuellen Finanzministers und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (63). Der SPD-Mann hat ihn schließlich ins Amt gehievt. Den aus Niedersachsen stammenden Dealmaker kennt Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister. Citigroup-Banker Wintels half ihm, die für ihre Multimilliardenverluste bekannte HSH Nordbank loszuwerden.
Noch wichtiger aber: Scholz hat im Finanzministerium schon lange an Lösungen arbeiten lassen, wie sich das politisch Gewünschte und wirtschaftlich Sinnvolle mit dem rechtlich Erlaubten verbinden lässt. Der Weg über die KfW folgt dem Plan der hausinternen Experten. Deshalb konnte Scholz schon früh im Wahlkampf ein klares Bekenntnis zur Schuldenbremse abgeben, in der Aussicht auf eine pragmatische Lösung. Für den "sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft" sah schon das Wahlprogramm der SPD eine neue Rolle der KfW als "Innovations- und Investitionsagentur" vor; eine Formulierung, die sich jetzt im Ampel-Sondierungspapier wiederfindet.
Die Grünen, deren Co-Parteichef Robert Habeck (52) auch noch Ambitionen auf das Finanzministerium zeigt, sind ebenfalls mit im Boot. Sie wollten zwar eine Reform der Schuldenbremse als saubere Lösung. Doch die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung holte sich für einen Bericht über nachhaltige Finanzpolitik auch den Rat von Jens Südekum. Der Düsseldorfer Ökonom, SPD-Mitglied und neben Michael Hüther vom arbeitgebernahen Insitut der deutschen Wirtschaft sowie DIW-Präsident Marcel Fratzscher einer der Wortführer einer großen Investitionsoffensive, setzt sich für KfW oder ähnliche Vehikel als zweitbeste Lösung ein. Und sogar der ordoliberale Lars Feld, einst auf Vorschlag der FDP in den Sachverständigenrat der Bundesregierung geholt und bis heute ein strenger Wächter gegen wachsende Staatsschulden, räumt hier Spielraum ein: "KfW erscheint mir machbar."
KfW erscheint mir machbar. DB-Ähnliche Lösung erfordert Privatisierung von Assets, wie schon bei Bundesfernstraßengesellschaft vorgeschlagen und im Bundestag abgelehnt von @spdbt
— Lars P Feld (@Lars_Feld) October 17, 2021
Fünf Billionen Euro? "Gewaltig, aber machbar"
Die Förderbank stärker für die Klimawende zu nutzen, ließe sich zeitgleich als mutiger Aufbruch und behutsames Anpassen verkaufen. Denn die Aufgabe ist nicht neu. Seit 2014 ist die KfW als einer der Pioniere am Markt für Green Bonds aktiv. Zwölf verschiedene Förderprogramme zu den Themen Energie und Umwelt laufen bereits unter ihrem Dach. So gibt die KfW Zuschüsse, um Gewerbebauten energieeffizient zu dämmen, beteiligt sich an Krediten für Offshore-Windparks oder senkt die Zinsen für Mittelständler, die Umweltinnovationen erstmals in Pilotprojekten anwenden.
Für all diese Programme gibt es jeweils einen gesetzlichen Auftrag, oft mit restriktiven Auflagen wie Kreditlimits von 25 Millionen Euro verbunden. Die Ampelkoalition müsste also vor allem das Mandat erweitern, damit die KfW die gewünschte Schlüsselrolle einnehmen kann. Sie müsste ins Risiko gehen, wo Unternehmen und auch deren private Geschäftsbanken mit der Transformation überfordert sind. Wenn etwa Speditionen im großen Stil ihren Fuhrpark aus Diesel-Lastwagen gegen Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Batterieantrieb ersetzen sollen, ganz zu schweigen von den Megaprojekten für grüne Stahl- oder Zementwerke, wären ganz andere Hebel gefragt als heute erlaubt.
Zumindest kennt sich Wintels' Haus bestens mit dem Bedarf aus.
Digitaler Wandel? Allein um zu Ländern wie Frankreich oder Schweden aufzuschließen, müsse Deutschland seine IT-Investitionen verdreifachen, erklärte jüngst die KfW .
Schulen und Straßen? Bei den oft überschuldeten Kommunen als Träger der Infrastruktur hat sich ein Investitionsstau von 149 Milliarden Euro gebildet, Quelle: Kommunalpanel der KfW .
Klimaneutralität? Um das noch von der alten Bundesregierung ausgerufene Ziel bis 2045 zu erreichen, müsse Deutschland fünf Billionen Euro investieren. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib bewertete die Anfang Oktober herausgegebene Studie ihres Instituts: "Das ist eine gewaltige Summe. Aber es ist machbar."