Priorisierung aufgehoben Gesundheitsminister geben Impfstoff von Johnson & Johnson frei

Mehr Freiheit: Schon am vergangenen Wochenende konnten sich in Köln Menschen mit Johnson & Johnson impfen lassen
Foto: Christoph Hardt / imago images/Future ImageDie Priorisierung für den Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson ist in Deutschland aufgehoben. Der Impfstoff könne nach ärztlicher Aufklärung und individueller Risikoentscheidung auch an jüngere Menschen verimpft werden, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (40, CDU) am Montag nach einer Konferenz mit den Gesundheitsministern der Länder in Berlin.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Einsatz des Impfstoffes nur für Menschen ab 60 Jahren. Grund sind sehr seltene, aber ernsthafte Hirnvenenthrombosen. "Wir reden über sehr sehr seltene Nebenwirkungen, aber auch über ernsthafte", sagte Spahn. Mit der Aufhebung der Priorisierung gebe man wie bei dem Impfstoff von Astrazeneca allen die Möglichkeit nach einer ärztlichen Aufklärung mit dem J&J-Impfstoff geimpft zu werden. "Genauso wie wir es bei Astrazeneca machen, werden wir es auch bei Johnson & Johnson machen."
Der Run auf die Impfzentren insbesondere in einzelnen Großstädten Deutschlands hatte am Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht. Mit verantwortlich dafür wird der Wegfall der Priorisierung für Astrazeneca gemacht und die Aussicht, dass vollständig immunisierte Bürger wieder mehr Freiheitsrechte genießen als ungeimpfte oder nicht vollständig geimpfte Mitbürger. Diese Bevorzugung allerdings steht angesichts der Tatsache, dass vielerorts nicht ausreichend Vakzine zur Verfügung stehen oder keine Termine zu bekommen sind, stark in der Kritik.
Die USA hatten die Impfungen mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson vorübergehend ausgesetzt. In der EU ist der Impfstoff bereits seit März zugelassen, wurde aber bislang kaum eingesetzt. Auch in Deutschland wurden laut Spahn von den bisher 450.000 ausgelieferten Dosen Johnson & Johnson erst wenige verimpft.
Spahn zufolge wird im Juni und Juli eine große Menge dieses Impfstoffs erwartet - mehr als zehn Millionen Dosen. Dann seien die meisten über 60-Jährigen bereits geimpft oder hätten einen Termin, so dass Johnson & Johnson dann vor allem für Jüngere eine Option sei. Der Vektorvirenimpfstoff hat den Vorteil, dass er im Vergleich zu anderen Wirkstoffen leicht lagerbar ist. Außerdem ist nur eine Dosis zur Immunisierung notwendig.
Stiko kritisiert Aufhebung der Priorisierung
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) indes, Thomas Mertens (71), hat die geplante generelle Aufhebung der Impfpriorisierung im Juni kritisiert. "Ich finde es bedauerlich, wenn die Frage der Impfkampagne und der Umsetzung zum Gegenstand von Wahlkampf verkommen", sagte Mertens der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Es sei "nicht gerecht und nicht sinnvoll", wenn Menschen mit hohem Risiko für Erkrankung, die bereits länger gewartet haben, jetzt noch länger als nötig auf ihre Impfung warten müssten.
Laut den Daten der Stiko sind bis dato 80 Prozent der über 80-Jährigen einmal und 62 Prozent vollständig geimpft. Rund 3,5 Millionen der 70- bis 79-Jährigen (46 Prozent) und 7,3 Millionen der 60- bis 69-Jährigen (69 Prozent) seien bis Ende April nicht geimpft gewesen. Auch bei den jüngeren Menschen mit Vorerkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben, sind nur etwa ein Viertel einmal geimpft.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte für Juni eine Aufhebung der Priorisierung in Aussicht gestellt. Bei der Impfung sogenannter vulnerabler Gruppen gibt es allerdings erhebliche regionale Unterschiede.