Joachim Nagel So tickt der neue Bundesbank-Chef

Joachim Nagel ist fachlich versiert, hat 17 Jahre Bundesbank-Erfahrung - und gilt als teamorientiert. Mit seiner kritischen Distanz zu einer expansiven Geldpolitik dürfte der Nachfolger von Bundesbankpräsident Jens Weidmann für so manche Diskussion im EZB-Rat sorgen.
Der Rückkehrer: Joachim Nagel (links) gilt wie sein Vorgänger Jens Weidmann (rechts) als Kritiker einer zu lockeren Geldpolitik der EZB

Der Rückkehrer: Joachim Nagel (links) gilt wie sein Vorgänger Jens Weidmann (rechts) als Kritiker einer zu lockeren Geldpolitik der EZB

Foto: Michael Probst / AP

Fast hätte es Joachim Nagel (55) schon einmal ganz weit nach oben geschafft in der Bundesbank - als Vize-Präsident war der promovierte Volkswirt schon 2014 im Gespräch. Doch damals setzte sich die CDU durch - und SPD-Mitglied Nagel hatte das Nachsehen. Nun haben sich die politischen Gewichte verschoben, und der gebürtige Karlsruher kehrt zur Deutschen Bundesbank nach Frankfurt zurück: Zum 1. Januar 2022 wird Nagel neuer Bundesbank-Präsident.

Der 55-Jährige weiß, was ihn erwartet: Der Ökonom durchlief von 1999 an insgesamt 17 Jahre lang verschiedene Karrierestufen bei der Bundesbank. Seine Wahl steht daher auch für eine gewisse Kontinuität an der Bundesbank-Spitze, wenn Amtsinhaber Jens Weidmann (53) zum Jahreswechsel die Kommandobrücke vorzeitig verlässt. In einem Interview hatte er einmal gesagt, er wolle keinen Tag bei der deutschen Notenbank missen. Finanzminister Christian Lindner (42; FDP) lobte Nagel am Montag als "erfahrene Persönlichkeit, die die Kontinuität der Bundesbank sichert". Anfang Dezember 2010 war Nagel als Nachfolger von Thilo Sarrazin in den Vorstand der Notenbank gerückt und dort zuletzt für Märkte und Informationstechnologie zuständig.

Von der Bundesbank über Kfw und BIZ zurück zur Bundesbank

Nagel hat sich bei der Bundesbank einen Ruf als fachlich versierter Währungshüter erworben, der kollegial und teamorientiert auftritt. Geldpolitisch gilt er als kompromissfähig - obgleich auch er sich in der Vergangenheit kritisch zum Beispiel zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank geäußert hatte.

Zum 30. April 2016 verließ Nagel die Bundesbank auf eigenen Wunsch vorzeitig, um nach einer beruflichen Auszeit von sechs Monaten zum 1. November 2016 bei der KfW Bankengruppe zu beginnen. Bei der staatlichen Förderbank war Nagel zunächst Generalbevollmächtigter und übernahm dann zum 1. November 2017 im KfW-Vorstand die Verantwortung für die Förderung von Entwicklungs- und Schwellenländern.

Auch die KfW verließ Nagel vor Ende seines laufenden Vertrages, um zum 1. November 2020 zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zu wechseln. Bei der Zentralbank der Zentralbanken mit Sitz in Basel war Nagel zuletzt stellvertretender Leiter der Bankabteilung.

In Karlsruhe geboren, studierte Nagel an der dortigen Universität Volkswirtschaftslehre und arbeitete ab 1991 als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Geld und Währung. 1994 wechselte er für ein halbes Jahr nach Bonn als Referent für Wirtschaft- und Finanzpolitik beim SPD-Parteivorstand.

Nach Abgabe seiner Doktorarbeit über die US-Wirtschaftspolitik und einem Forschungsstipendium in Washington D.C. begann Nagel 1999 bei der Bundesbank, zunächst als Leiter des Präsidentenbüros der damaligen Landeszentralbank in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Hannover. 2003 wechselte er in die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main und hatte dort in der Folge verschiedene leitende Positionen inne. In der Finanzkrise 2008/2009 leitete Nagel den hausinternen Krisenstab der Bundesbank.

Kein Ideologe - aber Kritiker einer zu lockeren Geldpolitik

Im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte sich Nagel ähnlich wie sein scheidender Vorgänger Jens Weidmann als Kritiker einer allzu lockeren Geldpolitik positionieren: Schon in seiner Zeit als Bundesbankvorstand rief Nagel hoch verschuldete Eurostaaten zum Sparen auf: "Die Finanzpolitik in den Mitgliedsländern ist gefordert, die nationalen Bankensysteme solide aufzustellen. Dies kann nicht die Aufgabe der Geldpolitik sein", sagte Nagel beispielsweise 2011.

Und im März 2012 warnte Nagel vor der Bildung von Spekulationsblasen infolge des EZB-Billiggeldkurses. Es bestehe "die Gefahr, dass die Banken Risiken eingehen, die wir eigentlich nicht sehen wollen". Es sei "deshalb wichtig, dass wir jetzt schon über Ausstiegsszenarien reden und den Märkten signalisieren: Es ist nicht selbstverständlich, dass es so wie in den letzten Monaten weitergeht", mahnte Nagel damals.

"Ihm ist zuzutrauen, dass er weiterhin die deutsche Bundesbanktradition in die Debatten im EZB-Rat tragen wird"

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann

Knapp zehn Jahre später ist das Ringen unter Europas Währungshütern um den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg aus milliardenschweren Anleihenkäufen und Zinstief nach wie vor nicht entschieden. Joachim Nagels Stimme hat in diesen Diskussionen künftig mehr Gewicht.

Notenbank-Experten äußerten sich positiv über ihn. "Ihm ist zuzutrauen, dass er weiterhin die deutsche Bundesbanktradition in die Debatten im EZB-Rat tragen wird, ohne dabei ideologisch fixiert zu sein", meint Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. "Mit ihm dürfte die Deutsche Bundesbank ihrer Linie treu bleiben, den in Maastricht vereinbarten Ordnungsrahmen mit seiner Betonung von Preisstabilität und soliden Finanzen beizubehalten und weiterzuentwickeln."

rei/DPA/Reuters
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