Hohe Inflation Reallöhne sinken zum dritten Mal in Folge

Die Einkommen der Arbeitnehmer in Deutschland können mit der Inflation immer weniger mithalten. Die Reallöhne sind 2022 das dritte Jahr in Folge gesunken. Ob im laufenden Jahr eine Kehrtwende eintritt, hängt auch von den laufenden Tarifverhandlungen ab.
Ein größerer Teil des Lohnzuwachses verflüchtigt sich wieder: Dampf einer Heizungsanlage

Ein größerer Teil des Lohnzuwachses verflüchtigt sich wieder: Dampf einer Heizungsanlage

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Die Reallöhne in Deutschland sind im vergangenen Jahr wegen der höchsten Inflation seit Bestehen der Bundesrepublik im Rekordtempo gefallen. Die Bruttomonatsverdienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einschließlich Sonderzahlungen wuchsen zwar mit 3,4 Prozent so stark wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe 2008, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.

Die Verbraucherpreise erhöhten sich aber parallel dazu mit 7,9 Prozent mehr als doppelt so stark. Dadurch sanken die Reallöhne um durchschnittlich 4,1 Prozent, nachdem es bereits in den beiden vorangegangenen Corona-Krisenjahren jeweils ein Minus von 0,1 und 1,1 Prozent gegeben hatte.

"Auch 2023 besteht das Risiko, dass gesamtwirtschaftlich die Reallöhne weiter fallen", sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Inflationsrate dürfte zumindest im ersten Halbjahr noch den Nominallohnanstieg übersteigen. Eine Trendwende bei den Reallöhnen dürfte es erst in der zweiten Jahreshälfte geben. "Dann schlagen die in den vergangenen Monaten gefallenen Energiepreise deutlich auf die Verbraucherpreise durch und führen zu einem spürbaren Rückgang der Inflation", sagte Dullien.

Viele staatliche Einmal-Entlastungen

Bei Interpretation der fallenden Reallöhne muss dem IMK zufolge beachtet werden, dass hier Bruttolöhne abgebildet werden und nicht verfügbare Einkommen. 2022 hatte der Staat die privaten Haushalte durch eine Reihe einmaliger Maßnahmen wie der Energiepreispauschale entlastet. "Der Reallohnverlust 2022 dürfte sich damit nicht vollständig in einem Verlust der verfügbaren Einkommen niedergeschlagen haben", so Dullien. "Allerdings haben die staatlichen Maßnahmen nur einen Teil der Verluste kompensiert, sodass auch bei den verfügbaren Einkommen ein spürbares Minus verblieben ist und auch für 2023 verbleibt."

Alle führenden Institute rechnen in diesem Jahr mit einem Rückgang der Inflation. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt etwa eine Teuerungsrate von 5,4 Prozent voraus, die 2024 auf 2,2 Prozent fallen soll. "2024 ist dann für das Gesamtjahr mit einem spürbaren Plus bei den Reallöhnen zu rechnen", sagte Dullien.

In vielen Branchen wurden teils deutliche Lohnerhöhungen vereinbart. Die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie etwa bekommen in zwei Schritten 8,5 Prozent mehr Geld sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro netto. Aktuell fordert die Gewerkschaft Verdi wegen der hohen Inflation eine Lohnerhöhung von 15 Prozent für zwölf Monate für die Beschäftigten der Deutschen Post.

Experten gehen dennoch davon aus, dass der private Konsum angesichts der anhaltend hohen Inflation eine Konjunkturbremse sein wird. Auch die Bundesregierung erwartet, dass die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr preisbereinigt sinken werden. Dennoch soll die Wirtschaft insgesamt wachsen, wenn auch nur um 0,2 Prozent.

hr/Reuters
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