Karlsruher Urteil
Steuersplitting gilt auch für Homo-Ehe
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass auch homosexuelle Lebenspartner die Steuerprivilegien der Ehe genießen dürfen. Die Politik muss nun die Gesetze bis 2001 rückwirkend ändern. Das System der Familienförderung steht ohnehin in der Kritik.
Protestzug: "Ehe 2.0 - Nach den Pflichten jetzt die Rechte"
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Karlsruhe - Auch die Partner in einer Homo-Ehe haben Anspruch auf die Steuervorteile des Ehegattensplittings. Ihnen eine Zusammenveranlagung wie Eheleuten zu verweigern, ist verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschied. (Az.: 2 BvR 909/06 u.a.)
Zur Begründung hieß es, die Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber muss die Steuerregeln nun rückwirkend ab August 2001 ändern.
Karlsruhe stellte damit gleichgeschlechtliche Lebenspartner im Steuerrecht mit Eheleuten völlig gleich, weil es seiner Auffassung nach keine "gewichtigen Sachgründe für eine Ungleichbehandlung" gibt. Bis auf die Union hatten alle zuletzt alle im Bundestag vertretenen Parteien für solche eine Gleichstellung plädiert.
EU sieht im Ehegattensplitting "signifikante Fehlanreize"
Das Ehegattensplitting an sich steht seit Jahrzehnten in der Kritik, weil es Familien begünstigt, in denen ein Partner deutlich mehr verdient als der andere, und so vor allem Frauen einen Anreiz liefert, zu Hause zu bleiben. Am Dienstag veröffentlichte das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) eine Studie, derzufolge Deutschland mehr als zwei Millionen Arbeitskräfte ungenutzt lässt, darunter 850.000 Mütter. Helfen könnte neben einer flächendeckenden Ganztagsbetreuung für Kinder auch ein Ende des Ehegattensplittings.
Auch die EU ermahnte Deutschland in dieser Woche erneut, das Instrument abzuschaffen. Die Kommission spricht von "signifikanten Fehlanreizen". In der deutschen Politik gelten die Steuervorteile aber als Ausdruck des grundgesetzlich gebotenen Schutzes von Ehe und Familie. Die CDU verspricht in ihrem Wahlprogramm die Ausweitung zu einem "Familiensplitting" nach französischem Vorbild, in dem auch die Zahl der Kinder berücksichtigt wird. Zumindest Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte in Erwartung des Karlsruher Urteils auch eine Ausdehnung auf Homo-Ehen befürwortet.
Die FDP sprach am Donnerstag von einem "Schuss vor den Bug der Union, die sich in dieser Frage als Blockierer erwiesen hat". Generalsekretär Patrick Döring sagte in Berlin an den Koalitionspartner gewandt: "Es ist ein Trauerspiel, dass CDU und CSU nicht von sich aus zu einer Gesetzesänderung bereit waren."