Kommentarreihe "Wie stark ist Deutschland wirklich?" "Deutschland muss mehr für Digitalisierung und Bildung tun"

Wir müssen uns fragen, ob wir bei den Zukunftsinvestitionen die richtigen Prioritäten setzen, mahnt der Henkel-Chef. Deutschland muss sich viel stärker auf Bildung und den Megatrend Digitalisierung konzentrieren: Von den Zuschauerrängen aus werden wir die Zukunft nicht mitbestimmen.
Von Kasper Rorsted
Henkel-Chef Kasper Rorsted: "Wenn wir die digitale Zukunft mitgestalten wollen, müssen wir Teil davon sein"

Henkel-Chef Kasper Rorsted: "Wenn wir die digitale Zukunft mitgestalten wollen, müssen wir Teil davon sein"

Foto: Henkel

Deutschland geht es im internationalen Vergleich sehr gut. Der Export floriert, die Inlandsnachfrage steigt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Steuereinnahmen liegen auf Rekordniveau. Die Lage scheint so gut, dass auch sozialpolitische Wohltaten bei den Renten sowie ein flächendeckender Mindestlohn verabschiedet werden. Doch sind das wirklich die entscheidenden Weichenstellungen, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dauerhaft zu sichern?

Ich glaube nicht. Ganz im Gegenteil, die jüngsten Entscheidungen sind kurzfristig gedacht und bergen die Gefahr im globalen Wettbewerb zurückzufallen. Sie verkennen den enormen Investitionsbedarf, den Deutschland hat, wenn es seinen Wohlstand in den nächsten Jahrzehnten erhalten will.

In diesem Zusammenhang wird häufig auf die dringend erforderlichen Investitionen in Infrastruktur, wie Straßen, Schienen und Energienetze verwiesen, damit Deutschland weiterhin von seiner günstigen Lage im Herzen Europas profitieren kann. Das ist zwar richtig, aber für eine führende Industrienation eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Ich bin überzeugt, dass wir in zwei weiteren Bereichen wesentlich mehr tun sollten: Deutschland muss den Themen Digitalisierung und Bildung künftig mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Disruptive Technologien als Chance wahrnehmen

Vom Megatrend Digitalisierung werden vor allem die Länder profitieren, die gezielt in eine starke und zukunftsfähige digitale Infrastruktur investieren. Deutschland - oder gar ganz Europa - darf hier nicht den Anschluss an die USA oder Asien verlieren. Das heißt auch, dass wir "disruptive" Technologien als Chance wahrnehmen sollten und nicht vornehmlich als Bedrohung.

Wir fordern eine "Entflechtung" von Google ; sorgen uns um das Taxigewerbe, wenn der Chauffeurdienst Uber an den Start geht; wollen das Hotelgewerbe vor Konkurrenz durch das Übernachtungsportal Airbnb schützen - um nur einige aktuelle Beispiele zu zitieren. Zugleich geht in New York der chinesische Onlinehändler Alibaba an die Börse, um mit mehr als 200 Milliarden Dollar Börsenwert sogar Facebook  und Amazon  zu überholen. Wenn wir aber die digitale Zukunft mitgestalten wollen, müssen wir Teil davon sein. Wir werden das Spiel nicht von den Zuschauerrängen aus mitbestimmen können.

Eng verzahnt damit ist die Stärkung des deutschen Bildungssystems. Das gilt nicht nur für die duale Ausbildung, ein Eckpfeiler der deutschen Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind in Deutschland mehr mit der unterschiedlichen Bildungspolitik einzelner Bundesländer beschäftigt als mit der Frage, wie wir sicherstellen, dass die klügsten Köpfe hier die beste Ausbildung erfahren - und zwar von der Schule bis zum Hochschulabschluss.

Dabei gibt es positive Ansätze: Schon heute zieht es vermehrt ausländische Studenten an die deutschen Hochschulen - gerade bei den so genannten, zukunftsträchtigen MINT-Fächern. Diese Absolventen dann auch im Land zu halten, sollte vor dem Hintergrund der starken internationalen Verflechtung Deutschlands Politik wie Wirtschaft ein besonderes Anliegen sein.

Keine Frage, Investitionen in Infrastrukturen brauchen ebenso wie strukturelle Reformen Zeit ihre positive Wirkung zu entfalten. Je früher und entschiedener wir die richtigen Weichen stellen, desto besser für den Standort Deutschland, heute und in Zukunft.

Wie stark ist Deutschland wirklich?

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