Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften Strom gemeinsam verbrauchen: "In Deutschland nahezu unmöglich"

In sogenannten "Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften" können Bürger und Bürgerinnen Energie gemeinschaftlich erzeugen, verbrauchen, speichern sowie verkaufen - ein wichtiger Beitrag zur Energiewende. Nur: In Deutschland sind solche Projekte nur schwer umzusetzen.
Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften können sich zum Beispiel auch an Windkraftanlagen beteiligen

Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften können sich zum Beispiel auch an Windkraftanlagen beteiligen

Foto: Henning Kaiser / dpa

"Es geht darum, dass in die Energiewende Schwung reinkommt. Und wir glauben, dass das nur mit den Bürgern und Bürgerinnen passieren kann", sagt Jan Wiesenthal vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Er forscht unter anderem zu Erneuerbaren Energien - und zum Thema Prosumer. Der Begriff vereint die englischen Wörter "producer" (Hersteller) und "consumer" (Verbraucher) und bedeutet, dass Verbraucher auch gleichzeitig Produzenten sein können.

Das beschreibt auch die Grundidee der sogenannten "Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften ". Hier können sich Bürger und Bürgerinnen in Gemeinschaften organisieren und erneuerbare Energie gemeinschaftlich weit hinaus – und steht so auch für eine dezentrale und unabhängige Energieversorgung von Bürgern für Bürger.

Grundlage dafür ist die EU-Richtlinie über erneuerbare Energien (RED II), Artikel 22. Mit Blick auf die Ausbauziele der Bundesregierung wird das Konzept besonders interessant: In acht Jahren soll 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, 2035 soll der Strom sogar fast ausschließlich aus regenerativen Quellen kommen.

Die Zeit jedenfalls drängt. In einem Gesetzentwurf zum Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) 2023 heißt es, um das gesteckte Ziel zu erreichen, seien "massive Anstrengungen erforderlich". Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften könnten hier ein wichtiger Helfer sein.

Schwierige Bedingungen für Energy Sharing in Deutschland

Aber: Zwar findet sich in Deutschland mit den sogenannten "Bürgerenergiegesellschaften" im EEG eine Definition, wie so eine Energie-Gemeinschaft aussehen kann. Allerdings: "Was jetzt fehlt, ist der weitere Rechtsrahmen", sagt Viola Theesfeld vom Bündnis Bürgerenergie, das sich für eine von Bürgern getragene erneuerbare Energieversorgung einsetzt. Theesfeld spielt damit vor allem auf das Recht der Gemeinschaft an, den erzeugten Strom auch gemeinschaftlich zu verbrauchen, also sogenanntes Energy Sharing zu betreiben.

Denn das gemeinschaftliche Verbrauchen von selbst erzeugtem Strom, "ist in Deutschland nahezu nicht möglich", sagt eine Studie der Deutsche-Energie-Agentur GmbH vom März 2022. Auch Jan Wiesenthal vom IÖW sagt: "Man kann so etwas momentan nicht umsetzen, weil die Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Umsetzung nicht zulassen" Das läge unter anderem auch an Umlagen und Abgaben, die fällig werden, wenn der produzierte Strom ins Netz ein- und wieder ausgespeist wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wollte sich trotz Anfrage des manager magazins nicht zu dem Thema äußern.

Das Bündnis Bürgerenergie von Viola Theesfeld hat Konzepte entwickelt, wie Energy Sharing nach europäischem Vorbild aussehen könnte: Bürger könnten Windkraft- oder Solaranlagen in ihrer Umgebung mitfinanzieren, die Gemeinschaft ist dabei Eigentümerin der Anlagen. Anteilseigner oder Mitglieder können natürliche Personen, lokale Behörden einschließlich Gemeinden, oder kleine und mittlere Unternehmen sein. Den erzeugten Strom können Bürger dann selbst vergünstigt beziehen.

Enormes Potenzial für die Energiewende

Es müssten aber auch finanzielle Anreize für Energie-Gemeinschaften geschaffen werden, die Energy-Sharing betreiben, fordert Theesfeld: "Das könnte eine Prämienzahlung wie in Italien oder eine Reduktio der Stromnebenkosten sein." Was Theesfeld wichtig ist: Die Eintrittshürde zur Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft darf nicht zu hoch sein. "Durch geringe Mindesteinlagen könnte die Mitgliedschaft in einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft auch finanzschwachen Bürgern offenstehen, damit diese von geringeren Strombezugskosten aus Anlagen in ihrer Nähe profitieren."

Die Kosten für eine Person, sich an der Energie-Gemeinschaft zu beteiligen, würden nach den Berechnungen des IÖWs bei rund 100 bis 200 Euro liegen.

"Energy Sharing" hätte laut dem IÖW enormes Potenzial: Das Institut hat im Auftrag des Bündnis Bürgernergie den Konzeptvorschlag des Vereins auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft. Nach den Ergebnissen der Studie könnten sich Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften überall in Deutschland bilden. "Ein großer Teil der Ausbauziele für 2030 könnte durch Energie-Gemeinschaften, die Energy Sharing praktizieren, übernommen werden", so Wiesenthal. Auch die Netzausbaukosten würden sich dank der privaten Investitionen der Bürger verringern.

Außerdem hofft der Wissenschaftler, dass sich durch Energy Sharing die Akzeptanz für den Ausbau von erneuerbaren Energien in der breiten Bevölkerung steigt. Die Kosten für die Steuerzahler – mit denen vom Bündnis Bürgerenergie geforderten Vergünstigungen – belaufen sich laut Wiesenthal auf 2,1 Milliarden Euro.

Theesfeld möchte nun vor allem eines: Eine weitere Ausgestaltung, wie Energie-Gemeinschaften in Zukunft Strom erzeugen und teilen können. "Es geht ja wirklich um ein sehr niedrigschwelliges Angebot, was vielen Menschen ermöglichen soll, günstiger Strom zu beziehen. Es muss sich aber am Ende tragen und rechnen. Und da müssen wir eben jetzt diskutieren: "Was ist eine angemessene Prämie? Wie wird die finanziert? Wer zahlt die überhaupt aus? Das sind ganz praktische Fragen."

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