Vorstoß aus Niedersachsen
Stephan Weil will Ökostromumlage abschaffen
Mit einem radikalen Vorstoß bringt sich das Windkraftland Niedersachsen in die Debatte um die Kosten der Energiewende ein. Ministerpräsident Stephan Weil die EEG-Umlage streichen, um den Strompreis zu senken.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l) und Wirtschaftsminister Olaf Lies (dahinter) überfliegen Offshore-Windpark (Archivbild von 2013)
Foto: DPA
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (61, SPD) hat sich für die Abschaffung der Umlage für Erneuerbare Energien ausgesprochen. Im Zuge der Energiewende müssten vor allem die Strompreise fallen, sagte der SPD-Politiker der "Rheinischen Post" am Montag. Alle Kosten für die Energiewende würden derzeit auf den Stromsektor abgewälzt. "Das muss breiter gefächert werden. Die EEG-Umlage gehört am besten ganz abgeschafft."
In der Vorwoche hatte bereits der niedersächsische Energieminister Olaf Lies (53, SPD) gefordert, die Umlage von derzeit 6,756 Cent pro Kilowattstunde auf 2 Cent zu senken und dauerhaft zu deckeln. Die übrigen Kosten des Ökostromausbaus sollten über die CO2-Steuer finanziert werden, die ab Januar auf Brennstoffe wie Heizöl oder Benzin erhoben wird.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war im Jahr 2000 beschlossen worden, um den Ausbau von Wind- und Sonnenstrom zu fördern. Damals wurde die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms eingeführt, die Stromverbraucher bezahlen. Die Bundesregierung plant nun abermals eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), um den zuletzt stockenden Ausbau beim Ökostrom wieder zu beschleunigen. In der vorigen großen Gesetzesnovelle von 2016 war die Förderung gedeckelt worden.
Altmaier will "Südquote" für Windräder
In der vergangenen Woche legte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (62, CDU) einen Entwurf vor, der nun in der Bundesregierung abgestimmt wird. Dem Entwurf zufolge soll der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie mit höheren Mengenzielen wieder beschleunigt werden. So soll bis 2030 in Deutschland bei der Windkraft an Land eine Leistung von 71 Gigawatt installiert sein. Ende 2019 lag die installierte Leistung bei rund 54 Gigawatt. Nach Branchenangaben kamen im ersten Halbjahr 2020 nur 591 Megawatt Leistung neu hinzu.
Damit mehr Windräder auch an weniger ertragreichen Standorten vor allem im Süden gebaut werden, soll es eine "Südquote" geben. Auch bei der Solarenergie soll die neu installierte Leistung steigen. Altmaier will außerdem Bürger sowie Standortkommunen künftig finanziell an neuen Windenergieanlagen beteiligen. Die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien müssten aber weiterhin begrenzt bleiben, heißt es im Entwurf. Die Förderung kostet jedes Jahr Milliarden.
Die EEG-Reform soll noch im September vom Kabinett verabschiedet werden und zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Bis 2030 sollen laut dem Klimaschutzplan der Regierung 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Haupthindernisse für den Ausbau sind lange Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen sowie Proteste und Klagen von Anwohnern und Naturschützern. Energieverbände und Klimaschützer hatten immer wieder kritisiert, dass Pläne für einen schnelleren Ausbau schleppend umgesetzt werden.
Windbranche warnt weiterhin vor "Ökostromlücke"
Die Energiebranche sieht bei Altmaiers Plänen Licht und Schatten. Die Hauptgeschäftsführerin des Energieverbandes BDEW, Kerstin Andreae (51), sagte, es sei richtig, Gemeinden an den Einnahmen von Windparks zu beteiligen. Positiv seien geplante Regelungen zu EEG-Altanlagen. Für die ersten Anlagen läuft Ende des Jahres die EEG-Förderung nach 20 Jahren aus. Dann würde ein massenhaftes Abschalten drohen, wenn sich der Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Bei der Solarenergie allerdings sei es versäumt worden, für den "notwendigen Push" zu sorgen, sagte Andreae. "Das gilt gerade auch für das große Potenzial, das für die Sonnenenergie auf bislang ungenutzten Dachflächen liegt."
Der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers (60), sagte, die Branche warte nun auf Erleichterungen in den Genehmigungsverfahren und einen zügigen Neuanlauf der Flächenbereitstellung in den Ländern. Das geplante Mengenziel der Windkraft an Land im Jahr 2030 werde aber nicht ausreichen, um den wachsenden Bedarf zu decken. Es drohe weiter eine "Ökostromlücke".
In Deutschland wird bis Ende 2022 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet, bis spätestens 2038 soll die klimaschädliche Kohleverstromung beendet werden. Ohne einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien drohen aus Sicht von Klimaschützern Klimaziele verfehlt zu werden.