
Wie das Ganze funktionieren kann, hat der Handel bei den Plastiktüten vorgemacht. Seit Verbraucher in vielen Läden für die Tragehilfen aus Kunsstoff zahlen müssen oder es schlichtweg nur noch Papiertüten im Angebot gibt, hat sich deren Verbrauch deutlich reduziert - innerhalb von drei Jahren um rund die Hälfte auf aktuell 24 pro Jahr und Kopf.
Ein Erfolg, den Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nun gerne bei einem anderen Problemfall wiederholen würde: den Kaffeebechern. Rund 250 Milliarden davon gehen jährlich weltweit über die Ladentheken. 2,8 Milliarden davon - 34 pro Person - laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes alleine in Deutschland.
Hinzu kommen hierzulande rund 1,3 Milliarden Plastikdeckel. Alles zusammen schwer zu verwertendes Material - selbst wenn die Becher und Deckel nicht in Parks, Gärten, Bahnböschungen oder an Stränden landen.

Denn auch wenn die Becher meist nicht mehr aus umweltschädlichem geschäumten Kunststoff sind - reine Pappbecher sind es oft ebenfalls nicht, in denen Kaffeeketten, Bäckereien oder Imbissketten ihre Getränke ausschenken. Damit die Becher nicht aufweichen, sind sie in der Regel innen mit Kunststoff überzogen - und damit sich die Kunden nicht die Finger verbrennen, teilweise noch isoliert.
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Das ist zwar angenehm für die Kunden, fürs Recycling allerdings problematisch, lassen sich Kunststoffbeschichtung und die umgebende Pappe doch schwer trennen. Entsprechend landet das Gros der Becher in der Regel in der Müllverbrennung. In Großbritannien etwa lag die Recyclingquote zuletzt bei gerade einmal 1 Prozent.
Und auch Bio-Kunststoffe haben ihre Tücken: Rohstoffabbau und fehlende Recylingsysteme verhageln auch hier oft die Umweltbilanz.
Gelungenes Recycling sieht anders aus.
Warum Kaffeebecher ein so großes Problem darstellen
Ein Problem, das auch für die Kommunen immer mehr zum Ärgernis wird. Alleine in Berlin werden nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt pro Stunde 20.000 Becher weggeschmissen - 170 Millionen Einwegbecher pro Jahr.
Die US-amerikanische Stadt Berkeley, unter anderem Vorreiter bei der Zuckersteuer, hat deshalb vor kurzem ein 25-Cent-Pfand für Kaffeebecher und Einweggeschirr beschlossen. Die Stadtverwaltung erhofft sich davon einen massiven Rückgang des Verbrauchs von Einweggeschirr, ähnlich wie es bei strengen Vorgaben in Sachen Plastiktüten geschehen ist: Um satte 80 Prozent war der Verbrauch wiederverwendbarer Tüten damals gestiegen.

Ganz so weit will SPD-Politikerin Schulze noch nicht gehen. Zwar will sie künftig Polystyrol-Becher verbieten - ein Material, das Berkeley bereits Ende der 80er verbannt hatte. Und sie will Kaffebecher in Wegwerfbechern teurer machen als in der Mehrwegvariante.
Außerdem sollen Hersteller von Einwegbecher über die Verpackungsverordnung stärker zur Kasse gebeten werden und künftig in einen Littering-Fonds einzahlen, von dem Aufklärungskampagnen und Müllbeseitigung finanziert werden sollen.
Von einem Kaffebecher-Pfand von 20 Cent pro Becher und 10 Cent pro Deckel, wie es das Umweltbundesamt propagiert, sind wir hierzulande aber noch weit entfernt.
Wie der Druck steigt
Doch der politische Druck steigt: Erst im Juni forderte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, noch in diesem Jahr mit der Einführung eines bundesweiten Pfandsystems für Kaffeebecher zu beginnen - eine Idee, auf die längerfristig auch Umweltministerin Schulze setzt.
Bislang ist das aber noch Zukunftsmusik. Zwar bieten einige Läden, die ihren ökologischen Fußabdruck in Sachen Kaffebecher verkleinern wollen, Kunden an, ihre eigenen Becher mitzubringen. Und diese bekommen dafür Vergünstigungen. In vielen Städten gibt es zudem lokale und teils auch überregionale Mehrwegprojekte, bei denen Kunden Becher, die sie in einem Laden gekauft haben, anderswo wiederbefüllen und auch abgeben können.

Eines dieser Projekte ist Recup aus München, ein 2016 gegründeter Mehrweganbieter, der nach dem Zusammengehen mit diversen Konkurrenten mittlerweile ein Pfandnetz mit mehr als 2600 Ausgabestellen betreibt, darunter dem Autobauer Volkswagen in Wolfsburg, der Bäckereikette Dat Backhus oder dem Bio-Supermarkt Alnatura.
Eine wirklich umfassende Lösung, bei der auch große Ketten wie Starbucks, Dunkin Donuts oder McDonalds gesammelt mitmachen, lässt allerdings weiter auf sich warten.
Denn bislang haben die Systeme einen oder gleich mehrere Haken, die sie für die Kaffeeketten nicht so attraktiv machen.
Warum die Kaffeeketten so an den To-go-Bechern hängen
Zwar geben einzelne Ketten wie Starbucks oder Costa Coffe Kunden Rabatt, wenn diese ihren eigenen Mehrwegbecher mitbringen. Allerdings, so der COO von Dunkin Brands (Dunkin Donuts/Baskin Robbins) sei der Umgang mit den Privat-Behältnissen ein "operationaler Alptraum". So wüssten die Bedienungen wegen der unterschiedlichen Füllmengen oft nicht, wie viel sie für den Kaffee berechnen sollten oder ob sie die Behältnisse vor der Befüllung noch einmal spülen müssen.
Unternehmen klagen über "operationalen Alptraum"
Vor allem aber fällt für die großen Ketten, die oft Milliarden von Bechern jährlich brauchen, ein zentraler Werbeplatz weg. "Dieser Becher ist auf eine Weise die intimste Interaktion mit unseren Kunden", erklärte Dunkin Brands-COO Scott Murphy kürzlich die Bedeutung der buntbedruckten Pappbecher. "Er ist ein großer Teil unserer Marke und unseres Erbes."

Und tatsächlich ist die schiere Masse der Becher, die alljährlich durch die Hände der Kunden gehen, beachtlich. Alleine Dunkin Brands verbraucht laut einem aktuellen Bloomberg-Artikel eine Milliarde der bunten Gefäße. Bei Starbucks sind es sogar sechs Milliarden.
Eine Außenwirkung, die duchaus wahrgenommen wird. So ist die Gestaltung der Weichnachtsbecher von Starbucks alljährlich ein großes Thema in den sozialen Medien.
Mit überquellenden Mülleimern, dreckigen Grünanlagen und Umweltverschmutzung wollen die großen Ketten allerdings auch ungern in Verbindung gebracht werden. Und suchen deshalb ihrerseits nach einer - für sie möglichst verträglichen und günstigen - Lösung.
Welche Auswege der Handel aus dem Dilemma sucht
So erhebt Starbucks in Großbritannien, wo ebenfalls eine Kaffebecher-Steuer in Höhe von 25 Pence im Gespräch ist, seit vergangenem Jahr eine "Latte Levy" von 5 Pence pro ausgegebenem Einmalbecher.
Und die größte britische Kaffeekette Costa Coffee zahlt Recylingunternehmen 70 Pfund pro gesammelter Tonne Kaffeebecher, um die Unternehmen zu motivieren, die Becher zu recyceln. Allerdings sind landesweit nicht viele Anlagen dazu überhaupt fähig - was wiederum zu Umweltbelastungen über den Transport führt.
Um - auch angesichts des öffentlichen Drucks - nach außen Engagement zu zeigen und womöglich langfristig zu einer auch aus Unternehmenssicht viablen Lösung zu kommen, haben die Ketten McDonald's und Starbucks zusammen mit Industriegrößen wie Wendy's, Coca-Cola oder Yum Brands einen Wettbewerb ausgeschrieben: Der "Next-Gen-Cup-Challenge" richtet sich an Dienstleister, die funktionierende Konzepte zur Lösung der Müllkrise entwickeln sollen.
Unter den zwölf ausgewählten Projekten, die den Angaben zufolge auf jeweils bis zu einer Million Dollar finanzieller Unterstützung bei der Weiterentwicklung ihrer Lösungen hoffen können, ist auch der deutsche Mehrwegbecher-Anbieter Recup.
Ob daraus tatsächlich eine gangbare Lösung entsteht, die sich überregional realisieren lässt und den Müllberg effektiv abschmilzt, wird sich zeigen. Die Geduld der Bürger und bestimmter Teile der Politik scheint jedenfalls endlich.