Zweite Infektionswelle: Krankenschwester im Universitätsklinikum Essen
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Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages in Deutschland ist erneut stark gestiegen und hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 11.287 Fälle binnen 24 Stunden. Zu den Betroffenen zählte auch Gesundheitsminister Jens Spahn (40, CDU), der sich nach einem positiven Test am Mittwochnachmittag in häusliche Isolation begab.
Der bisherige Höchstwert seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland war am Samstag mit 7830 Neuinfektionen erreicht worden. Am Donnerstag vergangener Woche waren mit 6638 Fällen erstmals mehr als im Frühjahr gemeldet worden. Die jetzigen Werte sind allerdings nur bedingt mit denen aus dem Frühling vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.
Experten zufolge sind die neu gemeldeten Infektionen wegen der Zeit zwischen Ansteckung, Test, Ergebnis und Meldung ein Hinweis darauf, wie stark das Virus vor etwa einer Woche in der Gesellschaft unterwegs war. Deshalb dauere es auch, bis sich politische Maßnahmen in den Meldezahlen niederschlagen könnten.
Mit Blick auf stetig steigende Fallzahlen will das Robert Koch-Institut am Donnerstag in einem Presse-Briefing zur Entwicklung der Pandemie in Deutschland informieren. RKI-Präsident Lothar Wieler (59) hatte zuletzt den Ernst der aktuellen Lage betont.
Anteil positiver Tests steigt stark
"Aktuell ist ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten", schreibt das RKI in seinem Lagebericht vom Mittwoch. "Daher wird dringend appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert." Dazu zählt das RKI unter anderem Abstands- und Hygieneregeln auch im Freien, das Lüften von Innenräumen und - wo geboten - eine Mund-Nasen-Bedeckung.
Seit Anfang September schwankt die Zahl der Coronatests pro Woche zwischen 1,1 und 1,2 Millionen - mit ganz leicht steigender Tendenz. Die Positivenrate ist in der Zeit jedoch von 0,75 auf 3,63 Prozent gestiegen. Seit zwei Wochen steigt der Probenrückstau erneut an. Einige Labore wiesen auf Lieferschwierigkeiten für Arbeitsmaterialien hin.
Zuletzt lagen knapp ein Drittel aller vom RKI erfassten Kreise und Städte über dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche (Datenstand 21. Oktober), ab dem vielerorts verschärfte Infektionsschutzmaßnahmen greifen. Die Mehrheit der Deutschen lebt jetzt in solchen Risikogebieten. In rund 30 Kreisen und Städten lag der Wert sogar über 100, darunter Metropolen wie Berlin, Köln, Frankfurt am Main oder Bremen.
Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 392.049 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Stand: 22. Oktober, 0 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9905. Das waren 30 mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es inzwischen etwa 306.100 Genesene.
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag in Deutschland laut RKI-Lagebericht vom Mittwoch bei 1,09 (Vortag: 1,25). Das bedeutet, dass zehn Infizierte knapp elf weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Zudem gibt das RKI in seinem Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen liegt dieser Wert nun bei 1,17 (Vortag: 1,23). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.
Lockdown beginnt in Tschechien und Irland
Im europaweiten Vergleich steht Deutschland noch relativ gut da. Mehrere europäische Länder greifen jetzt zu schärferen Waffen im Kampf gegen die Pandemie. Die neuen Maßnahmen kommen teils einem landesweiten Lockdown gleich.
In Tschechien müssen von Donnerstagmorgen (06.00 Uhr) an fast alle Geschäfte schließen, wie Gesundheitsminister Roman Prymula am Mittwoch bekannt gab. Ausgenommen sind etwa Lebensmittelgeschäfte und Apotheken. Zudem werden Ausgangsbeschränkungen verhängt: Die Regierung ordnete an, dass Leute ihre Kontakte mit anderen Menschen auf die "absolut notwendige Zeit" begrenzen müssen. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hatte Tschechien am Mittwoch mit 975 Infektionen je 100.000 Einwohner europaweit die höchste Infektionsrate binnen 14 Tagen.
Ein ähnlicher Lockdown gilt auch in Irland seit Mitternacht. Die Inselrepublik liegt mit einem ECDC-Wert von 270 im europäischen Mittelfeld. In der Slowakei (ECDC-Wert 322) soll an diesem Donnerstag der nationale Krisenstab über einen Lockdown entscheiden. In Spanien (ECDC-Wert 347) stieg die Gesamtzahl der Corona-Infektionen am Mittwoch über eine Million, in Frankreich (442) blieb sie nur knapp darunter. Für Deutschland weist das ECDC einen Wert von 90 aus.