Erste Lockerungen des Shutdown in Deutschland Was ab heute geht - und was nicht

Eine Windskaterin ist am Sonntag in Berlin auf dem Tempelhofer Feld unterwegs.
Foto: Sommer/dpaBis Sonntagvormittag wurden in Deutschland seit Beginn der Krise mindestens 140.478 Infektionen registriert. Mindestens 4289 Menschen starben an dem Coronavirus, berichtete die Deutsche Presse-Agentur auf Grundlage von Angaben aus den Bundesländern. Vermutet wird, dass die tatsächlichen Zahlen - wie in anderen Ländern - um einiges höher liegen. Trotz ungewisser Aussichten werden in Deutschland ab diesem Montag erstmals eine Reihe von Corona-Einschränkungen gelockert. Das Vorgehen der Bundesländer ist unterschiedlich. Lesen Sie den Überblick:
Geschäfte bis 800 Quadratmeter dürfen öffnen
Nach dem jüngsten Beschluss von Bund und Ländern dürfen Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmetern nun wieder öffnen. Autohäuser, Fahrradhändler und Buchhandlungen dürfen alle wieder aufmachen. Allerdings müssen sich die Kunden in manchen Bundesländern länger gedulden als anderswo - abhängig davon, wie streng die jeweilige Landesregierung ist.
Gleichwohl dürfen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland auch größere Läden aufmachen, wenn sie die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen. Ebenso in Hessen - weil sich laut Landesregierung die Mehrzahl der Nachbarländer für diesen Weg entschieden habe. Solche Einzelhändler müssten die Abtrennung aber "unmissverständlich" durchsetzen. In Brandenburg und Niedersachsen dürfen auch Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern öffnen, die in Einkaufszentren liegen.
Zudem können die Bundesländer entscheiden, wann sie diesen Beschluss umsetzen. In einigen Ländern müssen sich die Verbraucher daher noch gedulden. In Berlin und Brandenburg etwa öffnen die Geschäfte erst am Mittwoch wieder, in Thüringen gehen die Gitter am 24. April wieder hoch. Besonderheiten gibt es auch in Bayern: Dort dürfen am Montag Gärtnereien, Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen, die kleineren Läden sowie alle Auto-, Fahrrad- und Buchhändler folgen eine Woche später.
Andere Länder wie Nordrhein-Westfalen sind deutlich forscher: Die Landesregierung will bereits im ersten Schritt zusätzlich Möbelhäuser und Babyfachmärkte öffnen lassen. Der Möbelriese Ikea lässt die Türen aber zunächst trotzdem zu.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mahnte nicht von ungefähr in der "Bild am Sonntag": "Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhaufen und uns gegenseitig abwechselnd mit Verschärfungen und Lockerungen überbieten."
Maskenpflicht in manchen Bundesländern und Kommunen
In Sachsen gilt ab Montag eine Mundschutz-Tragepflicht in Bussen, Bahnen und Geschäften. Mecklenburg-Vorpommern schreibt einen Mund-Nasen-Schutz ab 27. April in öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis vor. Beide Länder weisen darauf hin, dass es nicht um medizinische Masken geht, sondern um einfache Gesichtsbedeckungen, damit reicht auch ein Tuch.
Im thüringischen Jena gilt schon seit Anfang April eine Tragepflicht, der Landkreis Nordhausen folgte wenig später diesem Beispiel. Die Stadt war damit bundesweit Vorreiter. (Lesen Sie hier ein Interview mit Jenas Bürgermeister: "Niemand ist ein Sonderling, wenn er eine Maske trägt".)
Sulz am Neckar in Baden-Württemberg hat am Freitag wegen gestiegener Corona-Zahlen eine Pflicht eingeführt. Wolfsburg kündigte am Samstag an, angesichts der vorsichtigen Öffnung von Geschäften ab Montag das Tragen einer Gesichtsbedeckung vorzuschreiben.
Die Bundesregierung lehnt eine Pflicht aber weiter ab. Sie empfiehlt lediglich Schutzmasken beim Einkaufen sowie im öffentlichen Nahverkehr.
Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen
Bis zum 3. Mai werden die Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen verlängert. Demnach ist in der Öffentlichkeit ein Abstand von 1,5 Metern einzuhalten. Man darf sich dort nur im Kreis der Angehörigen oder mit einer weiteren, nicht im Haushalt lebenden Person aufhalten.
In Bayern wurden die Ausgangsbeschränkungen minimal gelockert. Während Bürgerinnen und Bürger im Freien zuvor keinen Kontakt zu einer Person außerhalb des eigenen Hausstands haben durften, gilt das nun als erlaubt.
Das Versammlungsverbot in Gotteshäusern bleibt vorerst bestehen. In Kirchen, Moscheen, Synagogen oder Örtlichkeiten anderer Glaubensgemeinschaften sollen damit vorerst keine religiösen Feierlichkeiten und Veranstaltungen stattfinden. Großveranstaltungen bleiben bis zum 31. August grundsätzlich untersagt.
Die Schulen beginnen langsam zu öffnen
Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, dass der Schulbetrieb erst ab dem 4. Mai schrittweise wieder anläuft. Dieser soll mit Abschlussklassen, obersten Klassen in Grundschulen sowie mit Klassen, die im kommenden Jahr Prüfungen ablegen, beginnen.
In Sachsen, Berlin und Brandenburg aber kehren an diesem Montag die ersten Abschlussklassen zurück - entweder gleich für Prüfungen oder auch, um Prüfungen vorzubereiten. In anderen Ländern geschieht dies einige Tage später, mancherorts aber auch erst im Mai. Für die Abschlussklassen in Sachsen werden jetzt sogenannte Hygiene-Starterpakete mit Desinfektionsmittel und Schutzmasken verteilt.
Experten sollen Leitfaden für Kitas erarbeiten
Bei der Kita-Notbetreuung gibt es auch kein einheitliches Vorgehen. Diese soll nun auf weitere Berufe ausgeweitet werden. Wie das konkret geschieht, liegt in der Hand der Länder.
Ab Montag will eine Arbeitsgruppe von Ländern, Bund und Experten Vorschläge erarbeiten, wie eine schrittweise Wiederöffnung der Kitas aussehen kann. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Eine pauschale Aussage, die Kitas bleiben bis zum Sommer zu, führt bei vielen Familien zu noch mehr Stress und kann nicht die einzige Antwort sein."
Krankschreibungen nicht mehr telefonisch möglich
Gesundheitspolitiker und Verbraucherschützer kritisieren, dass Krankschreibungen ab Montag nicht mehr telefonisch möglich sein sollen. Die entsprechende Ausnahmegenehmigung war am Freitag vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen gegen die Stimmen von Kliniken und Medizinern nicht mehr verlängert worden. Befürchtet wird nun, dass dies zu einer erhöhten Ansteckungsgefahr in den Arztpraxen führen könnte.
Wie geht's weiter - Sommerurlaub ade?
Was in diesem Sommer an Urlaub möglich sein wird, ist noch völlig unklar. Dass die Pandemie alle Pläne für Ostern über den Haufen geworfen hat, wurde von den meisten akzeptiert. Aber was ist mit den Sommerferien? Weil das Thema so brisant ist, wagte lange Zeit niemand eine Prognose. Jetzt preschen die Ersten vor. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Urlaub in anderen Ländern im Sommer so leicht möglich ist, schätze ich aus gegenwärtiger Sicht eher als unwahrscheinlich ein. Außenminister Heiko Maas (SPD) geht noch nicht so weit. Er sagt: "Solange es Ausgangssperren gibt in vielen Ländern, wird dort auch kein Urlaub zu machen sein." Aber auch: "Wir werden das von Woche zu Woche entscheiden."
Spitzenverbände der Wirtschaft fordern einen klaren Fahrplan für weitere Lockerungen. Vor allem für Branchen wie Hotels, Gaststätten und Tourismus fehle eine Perspektive. Die Industrie gibt sich zuversichtlich, dass die nötigen Schutzmaßnahmen etwa bei der Arbeitskleidung oder Gesichtsmasken umgesetzt werden können. Vermutlich wird eine Entscheidung aber noch etwas dauern: Ende April wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder neu beraten.
Corona geht so schnell nicht
Nach Überzeugung der Bundesregierung müssen sich die Bürger noch lange auf einen veränderten Alltag einstellen. Finanzminister Olaf Scholz sagte in der ARD: "Was wir jetzt brauchen, ist für lange Zeit eine neue Normalität." Nach Einschätzung von Experten dürfte es mindestens bis Frühjahr 2021 dauern, bis ein Impfstoff verfügbar ist.