Gründung eines "Mittelstandsforums" AfD verspricht Mittelständlern Privilegien

Die Alternative für Deutschland will deutsche Mittelständler von CDU und FDP loseisen - und wirbt mit Privilegien. Derzeit bereiten die Euro-Verächter ein "Mittelstandsforum" vor, dass ab 2015 eingesetzt werden soll. Auch die Finanzierung soll professioneller werden.
Von Philipp Alvares de Souza Soares
AfD plant ein "Mittelstandsforum": "Unternehmer, Gewerbetreibende und Angehörige freier Berufe, die sowohl von der CDU als auch von der FDP enttäuscht sind, sollen hier eine Plattform bekommen"

AfD plant ein "Mittelstandsforum": "Unternehmer, Gewerbetreibende und Angehörige freier Berufe, die sowohl von der CDU als auch von der FDP enttäuscht sind, sollen hier eine Plattform bekommen"

Foto: Martin Schutt/ picture alliance / dpa

Hamburg - Bereits am Dienstag berichtete manager magazin über zwei prominente Unterstützer, die ihre Sympathie bislang eher bedeckt hielten: Heinrich Weiss, Ex-BDI-Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender der Düsseldorfer SMS Group, will die Partei künftig etwa als Redner auf Veranstaltungen unterstützen. Hans Wall, ehemaliger Geschäftsführer des Berliner Außenwerbers Wall AG, ist sogar Mitglied geworden. Beide Unternehmer haben die AfD zudem mit einer Spende unterstützt.

Jemanden wie Heinrich Weiss als Unterstützer zu gewinnen, ist ein bemerkenswerter Coups für die junge Partei. Die AfD leidet unter ihrem Chaoten-Image, kaum jemand von Rang und Namen möchte derzeit öffentlich mit ihr in Verbindung gebracht werden. Parteichef Bernd Lucke und sein Vize Hans-Olaf Henkel wollen deshalb den wirtschaftsliberalen Flügel der Partei stärken und rechte "Querulanten" loswerden. Ein seriöser Unternehmer, dessen Firma ihr Geld zudem größtenteils im Ausland verdient, ist da ein mehr als willkommener Zugewinn.

Weiss und Wall sollen zudem keine Einzelfälle bleiben. "Wir wollen unsere Beziehungen zur Wirtschaft deutlich ausbauen", sagt Bernd Kölmel, EU-Abgeordneter und AfD-Landessprecher in Baden-Württemberg. Gerade kleine und mittlere Unternehmer seien seiner Partei gegenüber aufgeschlossen, sie stellten bereits einen großen Teil der Mitglieder.

Die AfD-Spitze gab im Sommer die Richtung vor: In einigen Landes- sowie im Bundesverband der AfD konstituieren sich seitdem die Mittelstandsforen, die ab Januar offiziell die Interessen des wirtschaftsliberalen Flügels der Partei bündeln sollen.

"Plattform für Unternehmer, die von CDU und FDP enttäuscht sind"

"Unternehmer, Gewerbetreibende und Angehörige freier Berufe, die sowohl von der CDU als auch von der FDP enttäuscht sind und deren Wirtschaftskompetenz vermissen, sollen hier eine Plattform bekommen", sagt Ulrich Wlecke, langjähriger Senior-Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Wlecke trat bei der Bundestagswahl für die AfD in Nordrhein-Westfalen an. Der Burschenschaftler, der sich früher bei den Republikanern engagierte, gehört zum Organisationsteam des Mittelstandforums und spricht von "hunderten Interessenten", die sich beteiligen wollen.

"Der Zuspruch aus der Wirtschaft ist in den letzten Monaten stark gestiegen", sagt auch Hans-Olaf Henkel, der für die AfD im Europaparlament sitzt. Bekannte Wirtschaftsführer hätten ihm gegenüber bereits ihre Sympathie bekundet. Auch Spenden seien geflossen - allerdings unter der Meldegrenze, sodass sie nicht im Rechenschaftsbericht erscheinen würden. Namen nennt der Ex-BDI-Präsident indes keine, den Unterstützern sei Anonymität zugesichert worden.

Auch wenn Henkel für gelegentliche Übertreibungen bekannt ist: Die Angst vor schlechter Presse lässt die Zahl der Sympathisanten bislang wohl in der Tat kleiner erscheinen, als sie es in Wahrheit ist. Ökonomie-Professor Max Otte, der in seinem E-Mail-Newsletter schon zur Wahl der AfD aufrief, sagt zum Beispiel, dass er Einladungen zu öffentlichen Terminen der Partei bislang ablehne. Er fürchte, "sonst in die rechte Ecke" gestellt zu werden.

Auch bisherige Geldgeber wollten bislang meist im Dunkeln bleiben: Als bekannt wurde, dass der Hamburger Reeder Folkhard Edler der AfD 500.000 geliehen hatte, zog er sich erbost zurück. August von Finck, der ebenfalls als Finanzier im Gespräch war, lässt entsprechende Anfragen bis heute unbeantwortet. In Parteikreisen kursieren zudem Namen von zwei süddeutschen Topmanagern, die angeblich der AfD zuneigten - bestätigen möchte dies keiner von ihnen.

AfD setzt auf professionelles Fundraising

Das Fundraising im Bund soll künftig Ralf Schön professionalisieren. Der ehemalige Berater der Boston Consulting Group wirbt seit anderthalb Jahren für den nordrhein-westfälischen Landesverband Spenden ein. Dort telefonierte der Düsseldorfer etwa die 500 größten Unternehmen ab und organisierte "soirées politiques", wie er sagt, um Unternehmer mit dem Landesvorstand zusammenzubringen. Nach dem Erfolg bei der Europawahl habe es bei den Spenden einen "deutlichen Schub" gegeben, sagt Schön. Gerade kleine und mittlere Familienunternehmer gehörten zum Unterstützerkreis, konkrete Zahlen nennt er jedoch nicht.

"Die AfD ist für mich das Licht am Horizont", sagt Klaus Nordmann, Geschäftsführer der Nordmann GmbH, die in Hürth bei Köln Systeme zur Werkzeugüberwachung herstellt. Der ehemalige FDP-Wähler ließ sich von Schön zu einer Spende überzeugen. Vor seiner AfD-Mitgliedschaft hatte sich der Unternehmer noch nie politisch engagiert.

Im vergangenen Jahr war die AfD als besonders konservative, aber seriöse Ökonomen-Partei gestartet. Mit ihrer Kritik an der Milliarden verschlingenden Euro-Rettung griff sie ein weit verbreitetes Unbehagen auf, das für ihre Unterstützer aus der Wirtschaft auch heute noch am wichtigsten ist. Nachdem Union und FDP Rettungsschirm-Gegner nach und nach aus den eigenen Reihen verbannten, gibt es niemanden mehr, der die teils berechtigte Kritik in den Parlamenten artikulieren könnte.

Um nach der Europawahl konkurrenzfähig zu bleiben, versuchte die AfD über diesen engen Zuschnitt hinauszuwachsen. Fortan konzentrierte sie sich auf gesellschaftspolitische Themen wie Ehe, Familie und Zuwanderung. Auch hier suchte sie zunächst Lücken, die ihr CDU und CSU hinterließen, driftete aber vor allem im Vorfeld der letzte Landtagswahlen in Ostdeutschland immer wieder weit nach rechts.

"Die Rechten muss die AfD wieder ausschwitzen"

So offenbarten sich die dunklen Flecken der Partei: Immer wieder machte die AfD vor allem mit Meldungen über Mitglieder aus der Neonazis-Szene oder schrulligen Forderungen erzkonservativer Christen auf sich aufmerksam. Dieser Makel ist bislang ihr größtes Handicap auf dem Weg zur Gesellschaftsfähigkeit, rechts der CSU kann in Deutschland kein Politiker auf Dauer bestehen.

"Die Rechten muss die AfD wieder ausschwitzen, um mittelfristig erfolgreich zu bleiben", sagt Heinrich Weiss. Auch der Verband der Familienunternehmer sieht aus diesem Grund die Vorfälle in den ostdeutschen Landesverbänden kritisch. Die AfD galt im Verband lange Zeit als Hoffnungsträger, Bernd Lucke durfte etwa beim letzten Familienunternehmertag auftreten

"Wir sind skeptisch", sagt Hauptgeschäftsführer Albrecht von derHagen, "zuletzt entwickelte sich die AfD nur noch in Richtung Protestpartei". Die Führung müsse sich wieder liberalen Grundsätzen zuwenden und das Wirtschaftsprogramm stärker herausstellen, fordert der Ex-BDI-Mann.

Dann hätte die Partei durchaus eine Zukunft: "Lucke und Henkel haben ausgewiesenen Wirtschaftssachverstand, aber sie müssen jetzt auch wieder die Partei führen."

Sollte die AfD mit ihrer Neuausrichtung Erfolg haben und weitere Mittelständler auf ihre Seite ziehen, wäre dies für die Union ein herber Schlag. Schon jetzt brodelt es in der Partei, erst diese Woche kritisierte eine Gruppe junger Abgeordneter die Wirtschaftspolitik der Regierung. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gibt sich dennoch selbstbewusst: "Wer glaubt, berechtigte Anliegen des Mittelstandes mit der AfD durchsetzen zu können, ist falsch gewickelt."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren