Kreditaffäre SPD-Chef will Wulff im Amt halten

SPD-Chef Sigmar Gabriel fürchtet eine Staatskrise, sollte Bundespräsident Wulff zurücktreten. Als Konsequenz aus der Kreditaffäre fordert Gabriel, dass alle Politiker ihre Einkünfte vollständig offenlegen sollten. Derweil stützt die Evangelische Kirche den Rücken des Bundespräsidenten.
"Nahe einer echten Staatskrise": SPD-Parteichef Gabriel

"Nahe einer echten Staatskrise": SPD-Parteichef Gabriel

Foto: Michael Sohn/ AP

Berlin - "Es wäre verheerend und nahe an einer echten Staatskrise, wenn innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Mal ein Bundespräsident zurückträte", sagte Gabriel der Zeitung "Die Welt". Dennoch sollte rückhaltlose Aufklärung "nicht zum Rücktritt, sondern zu einer Rückkehr in eine angemessene und glaubwürdige Amtsführung führen", so Gabriel.

Die Kreditaffäre um Bundespräsident Wulf spaltet die Deutschen. Einer Umfrage zufolge haben 51 Prozent der Bundesbürger großes oder sehr großes Vertrauen in das Staatsoberhaupt, 48 Prozent dagegen nur noch geringes oder gar kein Vertrauen. 50 Prozent sind davon überzeugt, dass Wulff seine Ämter dazu nutzte, um Freunden behilflich zu sein, 45 Prozent glauben das nicht.

Nach einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" nehmen 63 Prozent der Deutschen Wulffs Entschuldigung für seinen Umgang mit der Affäre um den Privatkredit in Höhe von 500.000 Euro an - 30 Prozent tun dies nicht. Einen Rücktritt halten 73 Prozent nicht für notwendig.

Maschmeyer sponsorte Wulff-Buch "Besser die Wahrheit"

Wulff steht seit Wochen wegen eines umstrittenen Privatkredits unter Druck. Zudem hat der Unternehmer Carsten Maschmeyer mitten im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007/2008 eine rund 42.700 Euro teure Anzeigenkampagne für das Wulff-Buch "Besser die Wahrheit" bezahlt, wovon der Politiker aber nichts gewusst haben soll.

Gabriel kritisierte das Verhalten Wulffs. Träger öffentlicher Ämter dürften auch Fehler machen, müssten aber "besonders klar, eindeutig und glaubwürdig" damit umgehen, sagte er. Es gehe um die Frage, ob Wulff sich als Ministerpräsident an Recht und Gesetz gehalten habe, machte Gabriel deutlich. Dies müsse vor allem im Niedersächsischen Landtag geklärt werden.

Außerdem gehe es darum, ob Wulff der Öffentlichkeit die Wahrheit gesagt habe. Würden offene Fragen nicht beantwortet, wäre "der Schaden für das Amt des Bundespräsidenten und für das Vertrauen in die Politik enorm". Der SPD-Chef erinnerte daran, dass Wulff "seinen moralischen Anspruch sehr klar formuliert" habe; das Buch sei ein schönes Beispiel dafür. "Daran muss er sich jetzt messen lassen."

Als Konsequenz aus der Kreditaffäre forderte Gabriel neue Anstrengungen, um das Vertrauen der Bürger in die Politik zu stärken. "Die Affäre Wulff ... trägt dazu bei, dass das Grundvertrauen in die Politik weiter abnimmt." Um der Politikverdrossenheit zu begegnen sei eine neue Ehrlichkeit nötig. Ein konkreter Vorschlag Gabriels: Sämtliche Einkünfte von Politikern sollten offengelegt werden.

Evangelische Kirche stärkt Wulff den Rücken

Rückendeckung erhielt der Bundespräsident vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider. In der "Passauer Neuen Presse" betonte Schneider, er würde es "als einen Verlust empfinden", wenn Wulff von seinem Amt zurückträte: "Ich finde, dass er zunehmend gut ins Amt gefunden hat. In persönlichen Begegnungen habe ich ihn als sehr überzeugend empfunden." Es dürfe zwar nicht der Eindruck entstehen, "dass private Freundschaften mit Wirtschaftsleuten zu Klüngel und Vorteilsnahme" führten. Doch müssten Menschen in politischen Ämtern "frei bleiben, ihren Freundeskreis selbst zu wählen und zu pflegen".

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht in der Finanzierung von Anzeigen für ein Buch des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff durch den Unternehmer Carsten Maschmeyer keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz. "Derzeit kann die Bundestagsverwaltung in diesem Sachverhalt keine Anhaltspunkte für einen Verstoß erkennen", sagte eine Sprecherin Lammerts der "Rheinischen Post".

rei/dpa/dapd
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