Hochschulquartett
Wie gerecht ist unsere Praxis des Hochschulzugangs?
Der Zugang zu deutschen Unis und Fachholschulen ist mehr denn je abhängig von der sozialen Herkunft: Wer aus einer Akademikerfamilie stammt, hat eine dreimal höhere Chance, einen solchen Abschluss zu erlangen als die Abkömmlinge aus bildungsfernen Schichten. Was sagen solche Zahlen über die Chancengleichheit, was über die soziale Gerechtigkeit unseres Bildungssystems?
Traurige Zahlen: Nur jeder siebte Studierende (15 Prozent) stammt aus einer sozial eher schwachen Familie, nur jeder neunte (11 Prozent) aus einem Haushalt mit Migrationshintergrund
Foto: DDP
Sendetermin: 24. September, 19:15 bis 20:00 Uhr ,
DLF
In den kommenden Wochen wird in Deutschland wieder Aufbruchstimmung herrschen: Hunderttausende junger Leute werden ihre Ikea-Regale und ihren Computer einpacken, ihren Schreibtischstuhl und eine große Tischplatte - und aus ihren Kinderzimmern bei den Eltern ausziehen nach München und Köln, nach Hamburg und Berlin. Aber auch nach Freiburg und nach Göttingen, nach Marburg, Münster und wie die anderen bedeutsamen Universitätsstädte sonst noch heißen mögen, die alljährlich zum Wintersemester tausende Studienanfänger anziehen.
Bei so viel Zuversicht und Zukunftsgewandtheit braucht es gehörige akademische Distanz, um sich dem kollektiven Gefühl des Durchstartens entgegenzustellen. Die Sozialforscher vom Deutschen Studentenwerk und dem Hochschul-Informationssystem haben diese Distanz. Denn sie haben unlängst traurige Zahlen exakt erhoben und ausgewertet: Nur jeder siebte Studierende (15 Prozent) stammt aus einer sozial eher schwachen Familie, nur jeder neunte (11 Prozent) aus einem Haushalt mit Migrationshintergrund. Akademikerkinder stellen hingegen mehr als ein Drittel der Studierenden (36 Prozent).
Diese Relation hat sich - allen Bemühungen um sozialen Ausgleich zum Trotz - in den vergangenen 30 Jahren zulasten der bildungsfernen Herkunft dramatisch verschlechtert: Im Jahr 1982 stammten nur 17 Prozent der Studierenden aus Akademikerfamilien, jeder vierte jedoch aus "bildungsfernen" Haushalten.
Betrachtet man die Bildungslaufbahn der unterschiedlichen Schichten, so zeigt sich ein noch dramatischeres Bild: 71 Prozent der Akademikerkinder haben einen Hochschulzugang, aus sozial schwachen Familien gelingt das nur 23 Prozent.
Rolf Dobischat sieht daher eine "erschreckend stabile" und "grundlegende soziale Selektion" durch die Hochschulen: "Die Akademiker reproduzieren sich selbst", sagt der Präsident des Deutschen Studentenwerks bitter, wobei die Hochschulen "den akademischen Status" auch "in nachfolgenden Generationen absichern."
Dr. Jörg Dräger, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), Gütersloh
Prof. Jürgen Hesselbach, Präsident der TU Braunschweig und
Prof. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg
sowie als Gast Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom.
Moderiert wird die Sendung von Christian Floto (DLF) und Michael Kröher (manager magazin).
Das nächste "Hochschulquartett" wird am 26. November 2010, von 19:15 bis 20:00 Uhr, ebenfalls live übertragen. Thema der Debatte wird dann sein: "Wozu studieren - wozu brauchen wir eine Akademikerquote von 40 Prozent was genau soll ein Absolvent können?".