Preisauftrieb schwächt sich ab Inflationsrate sinkt im Juni leicht auf 7,6 Prozent

Energiepreissprünge und deutlich gestiegene Lebensmittelpreise treiben die Inflation in Deutschland nach oben. Im Juni lässt die Dynamik etwas nach, weil Steuerrabatte und andere Staatshilfen wirken. Experten befürchten allerdings weitere Preissteigerungen.
Lebensmittel verteuerten sich im Juni im Schnitt um 12,7 Prozent, hier nahm die Preisdynamik sogar zu. Energie war gegenüber dem Vorjahresmonat um 38 Prozent teurer.

Lebensmittel verteuerten sich im Juni im Schnitt um 12,7 Prozent, hier nahm die Preisdynamik sogar zu. Energie war gegenüber dem Vorjahresmonat um 38 Prozent teurer.

Foto: /Martin Wagner / IMAGO

Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket und geringere Ölpreise haben die Inflation in Deutschland im Juni gedämpft. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 7,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Ökonomen hatten dagegen mit einem Anstieg auf 8,0 Prozent gerechnet. Im Mai war die Teuerungsrate mit 7,9 Prozent so hoch ausgefallen wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr, im April betrug sie 7,4 Prozent.

Energie verteuerte sich im zu Ende gehenden Monat mit 38,0 Prozent nicht mehr ganz so stark wie im Mai mit 38,3 Prozent. Nahrungsmittel kosteten dagegen 12,7 Prozent mehr als im Juni 2021. Hier hat sich der Preisauftrieb noch beschleunigt (Mai: plus 11,1 Prozent). Für Dienstleistungen mussten 2,1 (Mai: plus 2,9) Prozent mehr bezahlt werden. Wie sich das Neun-Euro-Ticket und der Tankrabatt genau ausgewirkt haben, lässt sich nach Angaben des Bundesamtes mit den vorläufigen Ergebnissen noch nicht darstellen.

"Allerdings handelt es sich wohl eher um eine Atempause und nicht um einen Wendepunkt in der Inflation", sagte der Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust, Michael Heise. Die staatlichen Entlastungsmaßnahmen wie Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket hätten den Preisanstieg um etwa 0,9 Prozentpunkte gedrückt, laufen aber im August wieder aus. "Der Höhepunkt der Inflation dürfte eher im September erreicht werden", sagte Heise.

Leichter Inflationsrückgang vor allem durch Steuererleichterungen

Eine nachhaltige Entspannung bei den Preisen sehen auch andere Experten vorerst nicht. "Man darf sich nicht Sand in die Augen streuen lassen", sagte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. "Es sind ja insbesondere fiskalische Entlastungsmaßnahmen, die die Inflation etwas heruntergebracht haben." Das führe aber nicht an der Tatsache vorbei, dass wir bis zum Jahresende Inflationsraten von über 7 Prozent in Deutschland messen werden. Erst ab Januar 2023 dürfte es dann nach unten gehen, wenn nicht neue Krisen ausbrechen sollten.

Die Bundesregierung versucht, die Menschen unter anderem durch einen befristeten Tankrabatt und ein Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu entlasten. Am 4. Juli will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD; 64) in einer sogenannten konzertierten Aktion zusammen mit Spitzenvertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber beraten, wie die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen ist.

Bei der von Anfang Juni bis Ende August geltenden Steuerentlastung auf Kraftstoffe geht es inklusive Mehrwertsteuer um 35,2 Cent bei Superbenzin und 16,7 Cent bei Diesel. Nicht alles davon kam bislang aber bei den Verbrauchern an. Nach Ansicht des ADAC sind beide Kraftstoffe trotz jüngster Rückgänge vergleichsweise teuer.

Gefühlte Inflation liegt bei 18 Prozent

In der Wahrnehmung der Verbraucher steigen die Preise viel schneller als offiziell gemessen: Die gefühlte Inflationsrate liege derzeit bei fast 18 Prozent, sagte Dekabank-Chefvolkswirt Kater. "Das ist ebenfalls historisch hoch." Viele Haushalte müssten auf Erspartes zurückgreifen, um über die Runden zu kommen.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern gab es ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974. Damals waren die Mineralölpreise infolge der ersten Ölkrise stark gestiegen. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil diese sich für einen Euro dann weniger leisten können.

Verbraucher wollen Ausgaben für Lebensmittel und Bekleidung senken

Viele Menschen in Deutschland – ob berufstätig oder arbeitssuchend – wollen angesichts der hohen Inflation ihre Lebensmitteleinkäufe und die Ausgaben für Bekleidung und Schuhe einschränken. Das geht aus einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung hervor, für die Ende April und Anfang Mai gut 6200 Personen befragt wurden. Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen demnach 39 Prozent der Befragten künftig weniger Nahrungs- und Genussmittel kaufen. Bei Bekleidung und Schuhen will sich mehr als jeder Zweite (53 Prozent) einschränken.

rei/dpa-afx, Reuters
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