Zehn Jahre Hartz-IV
1,64 Millionen Kinder von Hartz-IV abhängig
Manchen Eltern stellt sich die Frage, was sie ihren Kindern zu Weihnachten schenken. Vielen Eltern stellt sich die Frage nicht: Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Hartz-IV abhängig. BA-Chef Weise verteidigt die Reform zum zehnjährigen Bestehen gleichwohl als richtig.
Wunschzettel: In vielen deutschen Hartz-IV-Haushalten dürfte wohl auch in diesem Jahr so mancher Kinderwunsch offen bleiben
Foto: Daniel Karmann/ picture alliance / dpa
Berlin - Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Hartz-IV-Leistungen abhängig. Darauf machte die Arbeitsmarkt-Expertin der Linke-Fraktion, Sabine Zimmermann, unter Bezug auf eine offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Berlin aufmerksam.
"Besonders zu Weihnachten spüren viele Kinder, dass sie in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen müssen", sagte Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. "Für Hartz-IV-Beziehende ist es ungleich schwerer, ihren Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bescheren."
Nach den jüngsten offiziellen Zahlen waren im Juli mehr als 1,64 Millionen Unter-15-Jährige auf Hartz IV angewiesen oder lebten in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft. Das waren 15,5 Prozent. Binnen eines Jahres war die Zahl um gut 7000 gestiegen.
Bis zum Jahr 2012 ging die Zahl der von Hartz IV betroffenen Menschen unter 15 von zuvor teils deutlich höheren Werten bis auf 1,62 Millionen zurück. Seitdem gab es wieder einen leichten Anstieg.
In Berlin jedes dritte Kinde von Hilfe abhängig
War in Berlin zuletzt jedes dritte Kind betroffen, waren es in Bayern nur 7,2 Prozent. In Ostdeutschland lag die Quote mit 23,5 Prozent wesentlich höher als im Westen (13,7 Prozent).
Zimmermann forderte soziale Leistungen, die Armut verhindern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen: "Die Regelsätze für Kinder müssen erhöht werden." Perspektivisch brauche es eine Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung.
In der enormen Anzahl der Hartz-IV-Bezieher mit Kindern spiegelten sich zudem die in vielen Regionen immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit viel zu wenigen Arbeitsplätzen sowie ausufernden Niedriglöhne wider, so Zimmermann.
Weise sieht Hartz-IV-Schwächen nach zehn Jahren überwunden
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hält zehn Jahre nach dem Start von Hartz IV die größten Schwächen für überwunden. Die Anfangsprobleme der umfassendsten Sozialreform der Nachkriegszeit seien gelöst und die Jobcenter heute deutlich besser aufgestellt. Bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen hätten Bundesagentur und Kommunen seit 2005 viel dazugelernt und etliche Verbesserungen umgesetzt, sagte Weise der Deutschen Presse-Agentur. Die Reform trat am 1. Januar 2005 in Kraft.
"Wir sind jetzt wesentlich besser als vor zehn Jahren. Und die Idee für die nächsten zehn Jahre ist, aus erkannten Mängeln zu lernen und uns weiter zu verbessern", unterstrich der BA-Chef. Ziel müsse sein, die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den kommenden Jahren deutlich unter die Marke von einer Million zu drücken.
Weise räumt ein: Betreuung von Langzeitarbeitslosen nicht optimal
Trotz aller Probleme sei die Hartz-IV-Reform in der Summe richtig gewesen. Diese Reform habe dazu geführt, "dass Hunderttausende Menschen, die früher in der Sozialhilfe der Kommunen waren, in Arbeit gekommen sind. Das halte ich für den größten Erfolg", sagte Weise. In anderen europäischen Ländern bekämen die Betroffenen zwar Geld, würden aber nicht an den Arbeitsmarkt herangeführt.
Ernst nehme er die von Arbeitsmarktforschern geäußerte Kritik, wonach in den Jobcentern oft die Betreuung der Langzeitarbeitslosen unzureichend sei. Dass die Betreuung eine Zeit lang nicht optimal funktioniert habe, liege auch an der zeitweise großen Zahl befristet beschäftigter Jobcenter-Mitarbeiter. "Wir waren am Anfang durch den Bundeshaushalt dazu gezwungen, 20 Prozent der Beschäftigten nur befristet einzustellen", sagte Weise. Dadurch habe es häufige Personalwechsel gegeben.