Guttenbergs Auftritt in Kulmbach Wie Karl-Theodor zu Guttenberg sein Comeback vorbereitet

Karl-Theodor zu Guttenberg in Kulmbach: KT ist wieder da
Foto: DPAMan kann sich schon mal selten dämlich verhalten, wenn man es anschließend überwiegend schlau anstellt. Das muss sich auch Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt haben, als er - flankiert von ersten Medienberichten über sein Leben im US-Exil - sein politisches Comeback vorbereitete. Genau wie die von ihm geschätzten Rockbands, macht er es auch: Bevor es auf große Tournee geht, spielt man ein Test-Konzert in der Provinz vor kleinem, aber dankbaren Publikum.

Tom Buschardt ist seit Ende der 1990er Jahre Medientrainer. Er coacht Vorstände und Politiker für den optimalen Auftritt vor Mikrofon, Kamera und Publikum. Seit 2004 ist er auch Dozent an der Akademie des Auswärtigen Amtes (Interviewtraining). Er arbeitete für zahlreiche Sender der ARD sowie RTL Aktuell und ist Experte für Krisenkommunikation. www.buschardt.de
Karl-Theodor zu Guttenberg hatte schon immer einen richtigen Riecher für gute und zitierfähige Sätze in seiner Rede: "Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein". Das klingt gut und griffig - oh, pardon. Ein bedauerlicher Zuordnungsfehler. Muss mir durchgerutscht sein. Richtig lautet der Satz : "Ich habe alle Konsequenzen ertragen. Aber ich darf auch nach so langer Zeit für mich sagen, jetzt ist auch mal irgendwann gut." So war das. Ein unangreifbares Zitat.
Legen wir es einmal unter das Sprachmikroskop: "Ich habe alle Konsequenzen ertragen". Die Frage ist nur: Was gab es zu ertragen? Er hat seinen Doktortitel eingebüßt, aber nicht die Beliebtheit in seiner Stammklientel. Er verlor seinen Job als Verteidigungsminister. Unvergessen bleibt, wie die Blaskapelle der Bundeswehr sich beim Zapfenstreich mit "Smoke On The Water" abmühen musste.
Guttenberg verkörpert alles, was die CSU an Politiker-Persönlichkeit benötigt - aber nur deshalb hält CSU-Parteichef Horst Seehofer nicht an ihm fest. Seehofer würde sogar auf ein dressiertes Äffchen zurückgreifen, wenn er damit Markus Söder als seinen Nachfolger im Amt des bayrische Ministerpräsidenten verhindern könnte.
Guttenberg kommt für die CSU zum jetzigen Zeitpunkt wie gerufen.
Ein sicheres Regenerationsrefugium für Guttenberg
Im Stammland ist Guttenberg hoch angesehen - und im Rest der Republik kann man die CSU sowieso nicht wählen. Das macht Bayern zu einem sicheren Regenerationsrefugium für Guttenberg. Nationale Kritik müsste Angela Merkel einstecken. Eine schöne Win-Loose-Situation zugunsten der CSU.
Guttenberg ist auf den Festplatten von uns Medientrainern und Krisenkommunikationsberatern unsterblich: Der Fauxpas, seinen Pressesprecher vor die Bundespressekonferenz zu schicken und selbst zeitgleich live im Verteidigungsministerium ausgewählte Journalisten zu empfangen (in der Kommunikation mit Medien herrschen vor der Bundespressekonferenz deutlich strengere Regeln als auf "heimischem" Boden) war so selten dämlich, dass er auf ewig in PR-Schulungen als Negativbeispiel wird herhalten müssen. Aber das ist ein Thema für Kommunikationsexperten - in der breiten Öffentlichkeit dürfte das heute niemanden mehr interessieren.
"Jetzt ist auch irgendwann gut"
"Jetzt ist auch irgendwann gut" - ein klassischer "Schwamm-drüber"-Satz. Da könnte sich jetzt Widerstand regen - tut es aber nicht. Warum? Ganz einfach: Guttenberg schickt die unauffällige Einschränkung voran: "Ich darf nach so langer Zeit für mich sagen". Motivationstrainer empfehlen das auch: Stellen Sie sich morgens vor den Spiegel und sagen sich zehn Mal: "Heute wird ein schöner und erfolgreicher Tag in meiner Arbeit."
Natürlich: Guttenberg darf zu sich und für sich sagen, was er will. Er ist ein freier Geist in einem freien Land. So erzwingt man sich auch die unbewusste Zustimmung derer, die eine andere Auffassung vertreten. So werden Positionen mehrheitsfähig, die vermutlich nur eine Minderheit in Deutschland vertreten dürfte.
Natürlich hat Guttenberg nach seinem freiwillig gewählten US-Exil das Recht auf eine zweite Chance. Cem Özdemir (Bündnis90/Grüne) kam nach seiner Karrierepause wegen der sogenannten Bonusmeilen-Affäre auch wieder zurück. Warum auch nicht? Guttenberg erklärt die Plagiats-Affäre für abgeschlossen und blickt nach vorn. Das schützt ihn bei künftigen Interviews davor, immer wieder in die Rechtfertigung zu geraten. Das vermittelte Bild: Er hat seine Strafe abgesessen und gilt als resozialisiert.
Nähe und Distanz: Guttenberg und seine "ehemalige Chefin"
Gut gewählt: Guttenberg stand im oberfränkischen Kulmbach (27.000 Einwohner) vor einem kalkulierbaren Risiko in der Provinz. Die nächsten Millionenstädte im Umkreis von 300 Kilometern: Prag und München. Das gibt Sicherheit. Wenn es dort beim Testlauf schief geht, kann man das schnell unter den medialen Teppich kehren. Kein Wunder, dass die Stadthalle in Kulmbach, wo sonst Holger Mück und seine Egerländer (April 2018) auftreten, mit 1000 Besuchern proppenvoll war.
Ebenfalls gut beraten war Guttenberg, sich VOR das Rednerpult zu stellen bei seiner Ansprache.
Ich mag solche Effekte, weil sie die Erwartungshaltung des Publikums übertreffen und zusätzliche Nähe zum Publikum aufbauen. Was ich mir verkniffen hätte: Seine Kommentierung dazu, er wolle nicht eine "abgeschriebene Rede" vortragen. Zu viel Eloquenz für einen Stadthallen-Auftritt und zu viel Transferleistung, die das Publikum erbringen muss, um die Anspielung auf seine Plagiatsaffäre für ein paar Schmunzler zu verstehen.
Gut war der Einsatz eines Headsets, denn das ermöglicht nicht nur große Beweglichkeit auf der Bühne, sondern auch große Gesten mit beiden Händen und einer stimmigeren (oder inszenierteren) Körpersprache.
Das Kunststück, Nähe mit Distanz aufzubauen beziehungsweise aus der Distanz Nähe zu zeigen, gelingt ihm mit einer Aussage über Kanzlerin Angela Merkel. Sie bezeichnete er als seine "ehemalige Chefin", bei der das Land in guten Händen sei. Ein nettes Sprachragout mit einem Hauch von Fliegenpilz.
Das Signal: Guttenberg ist ganz dicht dran
Mit der Bezeichnung "Chefin" wahrt er formal die Position Angela Merkels, wogegen "Bundeskanzlerin" natürlich förmlicher und staatstragender gewesen wäre. Abgesehen davon, dass es fachlich korrekt wäre, die offizielle Amtsbezeichnung zu verwenden, wenn man schon den Namen weglässt. Aber er wurde gefeuert - da bedeutet "Bundeskanzlerin" enorme Entfernung des Politikers Guttenberg zur zentralen Regierungsstelle. Will man diese Distanz konstruktiv nutzen, muss man sie "ehemalige Chefin" nennen.
Er entpersonalisiert Angela Merkel mit diesem Begriff. Zum Vergleich: Wollte er in Kulmbach seine Nähe zur Regierung in Berlin bekunden, würde er von einer "Begegnung mit der Bundeskanzlerin" oder einer "Begegnung mit Angela Merkel" sprechen. Signal an die Zuschauer: Guttenberg ist ganz dicht dran.
Guttenberg aber braucht die Distanz zu seiner vorherigen Position und unbedingt Nähe zu den Menschen in der Stadthalle. Das geht nur mit dem Begriff "Chefin". In der Kombination mit "ehemaliger Chefin" spannt er einen guten Bogen. Hat nicht jeder von uns einen Ex-Chef mit dem man schon mal anderer Meinung war, Konflikte hatte, mit dem man aber nach geraumer Zeit doch wieder gut umgehen kann? Genau darauf zielt Guttenberg ab. Und: Wer seinen Chef im Gespräch "Chef" nennt, der profitiert von einem lockeren Umgangston im Betrieb. ("Guten Morgen Chefin" ist lockerer als "Guten Morgen Frau Aufsichtsratsvorsitzende". Oder "Guten Morgen Frau Dr. Merkel").
Fazit: Es war ein gelungener Testauftritt. Jetzt muss man sehen, ob und wie Guttenberg auf größerem Parkett liefert. Es wird ein großer Walzer. Oder eine Schlitterpartie.
Ich tippe auf Walzer.
Tom Buschardt ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wider.