

Kolumne Wie Hongkongs Milliardäre die Stadt beherrschen


Skyline von Hongkong: Milliardäre ziehen die Fäden in der fernöstlichen Metropole
Foto: Alex Hofford/ dpaStrahlend blauer Himmel, über 20 Grad. Zum Jahresende präsentiert sich Hongkong von seiner schönsten Seite. Und nun muss ich gehen. Zwei Monate war ich hier in dieser aufregenden Metropole, dieser Sonderverwaltungszone im Süden Chinas. Man ist in China, aber doch nicht. Man genießt hier - gerade als Journalist - Freiheiten, die man in Mainland nicht hat. Man lebt in einem Rechtsstaat, den es drüben in der Volksrepublik nicht mal ansatzweise gibt.
Es waren politisch spannende und bewegende Zeiten hier. Ich streifte im November durch die Zeltlager der Occupy-Bewegung und wunderte mich, was hier alles möglich ist. Mitten auf einer Hauptverkehrsstrasse und direkt am Eingang des Regierungssitzes kampierten sie. An seinen Gittern klebten böse Kommentare über die Herrschenden der Stadt. Ich stellte mir kurz vor, was in Deutschland passieren würde, wenn Unter den Linden in Berlin mehrere Wochen Prostestierende campen würden und am Gitter des Bundeskanzleramtes beleidigende Sprüche über Merkels Mannschaft hängen würden. Die Protestanten wären erst gar nicht so weit gekommen, denn wir haben ja die Bannmeile, die die Regierenden vor dem Volk schützt.
Hier in Hongkong wurde dieser Protest über Wochen toleriert. Erst nach mehreren Gerichtsbeschlüssen wurden Mitte Dezember die Strassen erst in Mongkok, dann in Admiralty und Causeway geräumt. Und zwar überwiegend friedlich, weil die Polizei sich sehr zurückhaltend verhielt, und weil vor allem die große Mehrheit der Demonstranten gewaltfrei das Feld räumte und sogar beim Wegräumen der Barrikaden half.
Wer freilich meint, damit sei die Protestwelle abgeebt, der täuscht sich. Denn die Motive der Protestierenden sind ja nicht verschwunden. Dabei ist ihre Forderung nach mehr Demokratie - sie wollen ihren zu wählenden Regierungschef, den Chief Executive, nicht von Beijing vorgesetzt bekommen - nur ein Grund. Was oft übersehen wird: Die Proteste haben auch soziale und wirtschaftliche Motive.
Familienclans dominieren Millionenstadt
Die Sieben-Millionen-Stadt wird von wenigen Familienclans beherrscht. Li Ka-shing (Hutchison Whampoa), inzwischen hinter Alibaba-Gründer Jack Ma nur noch der zweitreichste Mann Asiens, ist der bekannteste Clanführer. Aber es gibt noch einige andere Tycoons. Sie heissen Lee Shau Kee (Henderson Land), Peter Woo (Wheelock), Cheng Yu Tong (New World), Vincent Lo (Shui On), Robert Kuok (Kerry Group) oder Henry Keswick (Jardine Matheson), um nur ein paar dieser Dutzend Milliardäre zu nennen.
Sie dominieren den Lebensmittel-Einzelhandel, in dem das Duopol Wellcome (Jardine Matheson) und Parkn Shop (Hutchison) herrscht; ihnen gehört die Fluglinie Cathay Pacific; und sie haben Telekom-, Strom- und Gasfirmenfirmen.
Doch ihr größtes Asset sind die Immobilien. Mit denen sind sie groß und steinreich geworden. Dabei paktieren sie seit Jahrezehnten mit den Regierenden, früher mit den britischen Koloniaherren, jetzt mit den Herrschern von Beijings Gnaden. Die Administration verkauft und versteigert für teures Geld das kostbare Land in Hongkong immer an die gleichen Tycoons. Diese bauen auf dem teuer erworbenen Land Wohnblocks und Bürotürme und kassieren dafür horrende Mieten oder reichen sie für viel Geld an Betreibergesellschaften weiter. Ein System, das beiden nutzt: Die Stadt kann so den größten Teil ihres Haushaltes finanzieren, und die Clans werden immer reicher und mächtiger.
Leidtragender ist die Bevölkerung. Die Bewohner Hongkongs müssen die absurd teuren Mieten bezahlen. (Ich bezahlte zum Beispiel für eine 60qm-Wohnung in einer Randlage auf Hongkong Island 3000 Euro Monatsmiete). Die Preise für Mieten und Immobilien sind deshalb hier das beherrschende Thema. Bei jeder Konversation landet man relativ bald bei den Wohnungspreisen. Was nützt da ein Steuersatz von 15 Prozent, wenn die Bevölkerung über absurde Mieten geschröpft wird. Viele müssen deshalb in kleinen Wohnungen hausen. Auch vielen Akademikern droht dieses Schicksal.
Der Frust darüber war auch ein Motiv der demonstrierenden Studenten und jungen Leuten, auch wenn sie dies nur zaghaft artikulierten. Doch wenn sie die Unzufriedenheit mit diesem ungerechten, fast feudalen System stärker in den Vordergrund ihrer Argumentation rücken, könnten sie mit Unterstützung der bislang schweigenden Mehrheit der Bevölkerung rechnen. Und dann könnte es für den Chief Execeutive in Hongkong, aber auch für die Herrschenden in Beijing ungemütlich werden. Hongkong wird auch im neuen Jahr in den Schlagzeilen bleiben.
