Krach im Kartell US-Schieferölschwemme spaltet Opec-Staaten

Treibt das Fracking-Öl aus den USA den Preis unter die Marke von 100 Dollar? Diese Frage stellt das mächtigste Kartell der Welt vor eine Zerreißprobe. Dabei könnte sich das Problem von ganz allein lösen. Die Zweifel am US-Ölboom werden lauter.
Von Martin Hintze
Ölförderung in Oklahoma: Teile der Opec fürchten neue Konkurrenz aus den USA

Ölförderung in Oklahoma: Teile der Opec fürchten neue Konkurrenz aus den USA

Foto: A2800 epa Larry W. Smith/ dpa

Hamburg - Friede, Freude, Eierkuchen: "Das Umfeld am Markt könnte besser nicht sein", sagte der saudische Ölminister Ali al-Naimi. Sein Amtskollege Abdelbari al-Arusi aus Libyen diktierte den Reportern: "Alles wird so sein wie zuvor. Wir werden die Förderquoten beibehalten." Auf dem heutigen heutigen Treffen der Organisation erdölexportierender Länder, kurz Opec, strahlten die Mitglieder eine seltene Einigkeit aus.

Doch hinter den Türen der unscheinbaren quadratischen Zentrale im ersten Bezirk Wiens dürfte es zwischen den zwölf Mitgliedsstaaten des mächtigen Kartells, das rund ein Viertel der weltweiten Ölproduktion kontrolliert, heftige Diskussionen gegeben haben. Der Grund: neue Konkurrenz. Ausgerechnet die USA, der wichtigste Kunde der Opec, fördert mit der von Umweltschützern kritisierten Fracking-Technologie so viel Öl wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.

Ende vergangenen Jahres verzeichneten die Vereinigten Staaten mit 850.000 Fass pro Tag den höchsten Produktionsanstieg seit sie in den 1860er Jahren zum ersten Mal nach Öl bohrten. Zum Vergleich: Die beiden kleinsten Opec-Staaten Katar und Ecuador fördern zusammen insgesamt 850.000 Fass pro Tag. Insgesamt fördern die USA täglich mehr als sieben Millionen Fass.

Der US-Ölboom hat erheblichen Einfluss auf die weltweite Förderung des Rohstoffs, trifft jedoch die Opec-Staaten sehr unterschiedlich. "Für die westafrikanischen Länder ist das Fracking-Öl eine ernsthafte Gefahr", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank.

Nigeria fürchtet US-Öl

So verkauften Nigeria, Algerien und Angola deutlich weniger Öl an die USA. Im vergangenen Jahr knickten die Exporte um 41 Prozent ein. Top-Produzent Saudi-Arabien konnte dagegen die Öl-Ausfuhren 2012 um 14 Prozent steigern. In Riad reagiert die saudische Regierung deswegen entspannt auf die Förder-Offensive der USA.

Besonders Staaten wie Nigeria, die leichtes und schwefelarmes Rohöl produzieren und damit in direkter Konkurrenz zum US-Schieferöl stehen, befürchten dagegen, aus dem wichtigen amerikanischen Markt herausgedrängt zu werden.

Schieferöl sei eine der "schwersten Bedrohungen für afrikanische Produzenten", sagte der nigerianische Ölminister Diezani Alison-Madueke. Schwere, schwefelhaltige Ölsorten, wie sie vor allem in den Raffinerien Asiens verarbeitet werden, sind weiterhin gefragt. "Die Schere innerhalb der Opec geht weiter auseinander", sagt Commerzbank-Analyst Weinberg.

Zweifel an der Schieferöl-Bonanza

Eine gemeinschaftliche Reaktion der Opec wird somit zunehmend schwieriger. Aus diesem Grund, so Experten, hat das Kartell die Förderquoten von aktuell 30 Millionen Fass pro Tag nicht angetastet. Zwar ist der Preis für die Sorte Brent  in diesem Jahr bereits um knapp 10 Prozent eingebrochen, doch hält er sich über der psychologisch wichtigen Marke von 100 Dollar pro Fass.

Um einen weiteren Preisrutsch zu bremsen, könnte die Opec die Förderung drosseln und so das Angebot verknappen. Die internen Streitereien deuten jedoch nicht auf einen solchen Schritt in naher Zukunft hin. "Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Opec das Problem angehen muss", sagt Seth Kleinman, Leiter Energiestrategie der Citigroup der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er rechnet mit einer weiteren Angebotsausweitung. Ein weiteres Indiz für eine Übersättigung des Marktes: Am Donnerstag waren die US-Rohöl-Lagerbestände auf den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnung vor 30 Jahren gestiegen.

Hohe Kosten, geringer Ertrag

Zugleich werden die Zweifel an der Nachhaltigkeit des Fracking-Öls in den USA laut. Die Schieferöl-Revolution werde nur "für kurze Zeit" die Förderung in den USA befeuern, sagte der US-Ölinvestor Andy Hall laut "Financial Times". Der Hedgefondsmanager wird von seinen Konkurrenten schlicht "Gott" genannt, seit er Anfang des Jahrtausends als Händler bei der Citigroup ein Vermögen mit Wetten auf den Ölpreis verdiente.

Hall begründet seine Skepsis damit, dass beim Fracking mit jeder Bohrung lediglich eine kleine Fördermenge aus dem Gestein gelöst werden könne. Das treibt die Förderkosten. Bei der konventionellen Förderung werde dagegen mit einer Bohrung ein ganzes Reservoir angezapft. Auch beim US-Schiefergas wurden zuletzt Zweifel an der Dauer des Booms laut. Gegenüber dem Sender CNBC sagte der Ölexperte Dennis Gartman: "Wenn es eine Möglichkeit gäbe, auf die Opec short zu gehen, würde ich es tun."

mit Material von reuters/dpa

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