Das Einreichen des Antrags von Germania habe keine aufschiebende Wirkung für die Kreditauszahlung an Air Berlin, bekräftigte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Mittwoch. Die Bundesregierung gehe weiter davon aus, dass die EU-Kommission den Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro genehmigen werde.
"Der Übergangskredit entspricht den Vorgaben der Rettungs- und Umstrukturierungs-Leitlinien der Europäischen Kommission", sagte die Sprecherin. Ausgezahlt sei das Geld noch nicht. Die nötigen technischen Schritte würden aber planmäßig umgesetzt.
Air Berlin hatte vor etwa zwei Wochen Insolvenzantrag gestellt. Der 150-Millionen-Euro-Kredit durch die staatliche KfW-Bank soll sicherstellen, dass Air Berlin während der Verkaufsverhandlungen trotz Insolvenz weiterfliegen kann. Germania will dies mit dem am Dienstag beim Berliner Landgericht eingereichten Eilantrag verhindern, solange die EU-Kommission die Hilfe nicht billigt. Die Gesellschaft wirft dem Bund vor, die Lufthansa zu bevorzugen.
Ryanair und Wöhrl wollen für Air-Berlin-Kauf kämpfen
Zuvor hatte bereits der irische Ryanair Beschwerde bei den Kartellbehörden eingereicht. Der Insolvenzantrag sei mit dem Ziel arrangiert worden, dass die Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen könne, so Ryanair. Dies verstoße gegen deutsche und EU-Wettbewerbsregeln.
Ryanair-Chef Michael O'Leary will sich am Mittwochnachmittag in Berlin bei einer Pressekonferenz in die Debatte um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft einschalten. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums will auch Ryanair Air Berlin kaufen. Berlins Regierender Bürgermeister hatte noch am Vortag gegen Ryanair agitiert und die Fluglinie als "arbeitnehmerfeindliches Unternehmen" mit einem "frühkapitalistischen Geschäftsmodell" diskriminiert.
Auch der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl hatte erklärt, Air Berlin komplett übernehmen zu wollen. Wöhrl hat allerdings noch kein konkretes Kaufangebot vorlegt, die Bieterfrist endet am 15. September. Wöhrl soll heute zum Gespräch bei Air Berlin sein.
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Für diese Farbkombination am Himmel wird es nun ganz dunkel: Am Freitagabend, den 27.10.2017, beendet die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb. Die letzten Flugzeuge mit dem markanten weiß-roten Logo sollen am späten Freitagabend in Berlin und Düsseldorf eintreffen.
Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der Air Berlin-Flugzeuge, Verhandlungen mit Easyjet und Condor laufen noch. Der Bevollmächtigte der insolventen Airline hofft, 70 bis 80 Prozent der Jobs zu erhalten. Zahlreiche Mitarbeiter müssen sich aber auf schlechtere Konditionen einstellen. Dabei begann ....
... 1978 alles hoffnungsvoll: US-Pilot Kim Lundgren (l., mit Sohn Shane) gründet Air Berlin 1978 in den USA als Charterfluggesellschaft. Hintergrund: Damals dürfen nur Flugzeuge der Siegermächte Berlin anfliegen.
Der erste Heimatflughafen von Air Berlin heißt folglich nicht Berlin, sondern Miami. Von dort gibt es mitunter auch Direktflüge in die geteilte Stadt.
Berlin steht faktisch aber im Mittelpunkt des wachsenden Netzes von Air Berlin. Der erste Flug geht nach Mallorca. Bald entwickeln sich Ziele im Mittelmeerraum zum Markenzeichen von Air Berlin.
Nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei für den Wechsel des Firmensitzes in die künftige Hauptstadt. Der spätere Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold übernimmt die US-Gesellschaft.
Air Berlin bekommt immer größeren Hunger auf Wachstum. Im Jahr 2004 erwirbt die Airline 24 Prozent an der österreichischen Linie Niki des früheren Rennsportlern Niki Lauda. Später erhöht Air Berlin den Anteil.
Die Expansion kostet Geld. Geld, dass sich die Eigentümer an der Börse holen wollen. Im zweiten Anlauf gelingt der Sprung aufs Parkett - seit dem 11. Mai 2006 sind Anteile von Air Berlin frei handelbar.
Treibende Kraft hinter dem Wachstumswillen bleibt Vorstandschef Hunold, der noch heute im Verwaltungsrat von Air Berlin sitzt.
Hunold unternimmt zahlreiche weitere Übernahmeversuche. So schluckt Air Berlin noch 2006 Wettbewerber dba. Ein Jahr später ist die deutsche Traditionsgesellschaft LTU dran. An der Schweizer Fluggesellschaft Belair erwirbt Air Berlin im selben Jahr 49 Prozent der Anteile.
Hunold hat einen Lauf - seine Fluggesellschaft verbucht in dieser Zeit sogar Gewinne, was in der Geschichte von Air Berlin Seltenheitswert haben sollte. 2006 bleiben 40 Millionen, 2007 27 Millionen Euro übrig. Danach geht es abwärts.
Immer wieder scheitern auch geplante Akquisitionen. Die geplante Übernahme von Condor kommt nicht zustande, weil die aufziehende Finanzkrise 2008 den Markt schwächt.
Hunold holt manchen alten Weggefährten mit an Bord, um der Krise Herr zu werden - so Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der 2009 in den Aufsichtsrat einzieht und zwei Jahre später Übergangschef und Hunold-Nachfolger wird.
Den Kursverfall der Air-Berlin-Aktie nutzt die türkische Holding ESAS der Sabanci Holding (im Bild: Vorstand Guler Sabanci) und erwirbt 15,3 Prozent der Anteile.
Ende 2011 steigt schließlich die arabische Gesellschaft Etihad im Großen Stil bei Air Berlin ein, kauft einen 29,21-Prozent-Anteil und wird größter Eigner. Etihads Ziel: Über das Air-Berlin-Streckennetz auf dem europäischen Flugmarkt Fuß zu fassen.
Unter den neuen Machtverhältnissen steigt Wolfgang Prock-Schauer zum Chef auf und löst Mehdorn ab. Doch steckt die Gesellschaft schon mitten in einer großen Krise. Hunderte Arbeitsplätze werden abgebaut, die Mitarbeiter sollen auf 5 Prozent ihres Gehaltes verzichten.
Hinzu kommt, dass ihr geplantes Drehkreuz, der Flughafen Berlin-Brandenburg wegen Bauplanungsmängeln nicht eröffnet werden kann.
Etihad lässt sich derweil nicht von der Schwäche von Air Berlin beeindrucken. Die Tochter soll näher an andere Beteiligungen wie Alitalia heranrücken, wird zum Puzzleteil in der Strategie der Araber.
Der nächste Chef: Ab Februar 2015 soll Stefan Pichler Air Berlin für seinen arabischen Großaktionär endgültig wieder auf Linie bringen. Doch es geht immer weiter abwärts: 2014 verbucht seine Airline einen Verlust von 377 Millionen Euro - bis dato Rekord. Sein Sparprogramm begründet er seinen Leuten knapp: "Wir haben nur noch einen Schuss frei."
Den "letzten Schuss" setzte Pichler in Form einer Rettungsstrategie. Ein Bestandteil: Mehr Langstreckenflüge in die USA. Das Streckennetz in Europa sollte dagegen etwas schrumpfen. Immerhin gab es im Sommergeschäft 2015 schwarze Zahlen.
Zentraler Bestandteil für die Zukunftspläne bleibt danach allerdings der starke Partner Etihad. Doch ob er an Bord bleibt, erscheint zunehmend in der Folge zunehmend fraglich. Immerhin dürfen die Araber weiter gemeinsame Flüge mit Air Berlin unter einer Codenummer anbieten. Dennoch bleibt bis Anfang 2017 unterm Strich eine Milliarde Euro, die die Araber erfolglos in Air Berlin gesteckt haben.
Im Herbst 2016 stehen die Zeichen bereits auf Zerschlagung. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Die Kranich-Airline will 38 Flugzeuge von Air Berlin zumindest zeitweise übernehmen.
Die Zerschlagung könnte auch Folgen haben für den Ferienflieger TuiFly. Dieser kooperiert bisher mit der Air-Berlin-Tochter Niki. Diese könnten zu einer eigenständigen Ferien-Airline zusammengelegt werden.
Der Einfluss der Lufthansa auf Air Berlin wächst bereits im Dezember 2016 massiv, der von Etihad sinkt. An der Unternehmensspitze ersetzt Thomas Winkelmann den glücklosen Stefan Pichler. Zuvor hatte Winkelmann bei der Lufthansa die Tochter Eurowings neu aufgestellt.
Doch Winkelmann kann die Airline auch nicht mehr aus den Turbulenzen holen: Am 15. August 2017 meldet Air Berlin Insolvenz an. Nachdem Großaktionär Etihad eine Kredirate nicht auszahlte, sah das Management keine Perspektive für eine normale Fortführung der Geschäfte.
Frank Kebekus führt als Generalbevollmächtigter nun gemeinsam mit Winkelmann Verkaufsverhandlungen für Air Berlin. Bald ist klar: Die Lufthansa bekommt den Großteil der Flugzeuge samt Landerechte, über den Rest wird mit Bietern wie Easyjet, Condor und Niki Lauda verhandelt.
Dass sich Winkelmann auch im Insolvenzfall einen 4-Millionen-Euro-Bonus gesichert hat, sorgt im Oktober 2017 für einen öffentlichen Aufschrei. Denn eine Auffanggesellschaft für Air Berlin-Mitarbeiter -denen zu Tausenden gekündigt wird - scheint nur in einem Mini-Umfang möglich.