Bangladesch 200 Tote aus Textilfabrik geborgen

Wettlauf gegen die Zeit: Hunderte könnten noch in den Trümmern von Rana Plaza gefangen sein
Foto: ANDREW BIRAJ/ REUTERSDhaka - Hunderte Menschen könnten noch in den Trümmern eingeschlossen sein. Bislang seien mehr als 200 Leichen geborgen worden, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmittag. Nach Berichten lokaler Medien wurden mehr als 1000 Menschen verletzt. Während am Donnerstag ein offizieller Trauertag begangen wurde, gingen tausende Textilarbeiterinnen auf die Straße, um gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.
Wie viele Menschen sich mehr als 24 Stunden nach dem Einsturz noch unter den tonnenschweren Betonteilen befanden, blieb unklar. Textilarbeiterinnen berichteten, in dem Rana Plaza genannten Gebäude in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka hätten mehr als 5000 Menschen Kleidung genäht. Weil das Haus aber bereits am Vortag Risse aufgewiesen hatte und die Polizei dazu aufrief, nicht mehr darin zu arbeiten, waren offenbar nicht alle Menschen an ihrem Arbeitsplatz.
Tausende wütende Näherinnen versammelten sich im Gebiet Savar, wo das Gebäude stand, und im Hauptstadtvorort Ashulia, wo im November ein Fabrikbrand 112 Menschen das Leben kostete. Die Frauen verlangten, die Verantwortlichen für die Tragödie festzunehmen. Sie blockierten große Straßen und zerstörten nach Polizeiangaben mehrere Fahrzeuge.
Die Rettungsarbeiten mit schwerem Gerät sind schwierig. Jederzeit könnten weitere Teile der kreuz und quer liegenden Betonplatten kollabieren, sagte Brigadegeneral Mohammad Siddiqul Alam Sikder, der die Operation leitet. "Wir bohren Löcher durch die Decken und gehen hinein." Es werde gegraben, bis der letzte gefunden sei.
Helfer von Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, Militär und Hunderte Freiwillige reichten den Menschen, die noch in den Trümmern festsaßen, durch Risse und Spalten Wasser. Auch versuchten sie, Sauerstoff in die Hohlräume unter dem Trümmerberg zu blasen. "Ich will leben, bitte helft mir, hier herauszukommen", schrie ein Überlebender, der zwischen einer Säule und einer umgestürzten Wand gefangen war.
Primark bekennt sich zu Lieferbeziehungen
Die Zeitung "Daily Star" berichtete online, dass am Donnerstag in einem weiteren Gebäude in der Hauptstadt Risse entdeckt worden seien. Daraufhin sei das sechsstöckige Gebäude mit 5000 Textilarbeitern evakuiert worden.
Auf allen Regierungsgebäuden wehten am Donnerstag die Fahnen auf Halbmast. In Moscheen und Tempeln beteten die Menschen für die Opfer. Die Regierung versprach, sofort jeder Familie eines Toten umgerechnet etwa 200 Euro zukommen zu lassen, die Familien von Verletzten sollen etwa 30 Euro erhalten.
Die Polizei und die Entwicklungsbehörde von Dhaka haben zwei Klagen gegen den Besitzer des Gebäudes und die Betreiber der Textilfabriken eingereicht. Der Hausbesitzer wird beschuldigt, beim Bau des achtstöckigen Gebäudes strukturelle Fehler gemacht und minderwertiges Material verwendet zu haben. Die Textilfabrikanten sollen sich laut Polizei wegen Fahrlässigkeit verantworten.
Dhakas Polizeipräsident Habibur Rahman nannte als Besitzer des Gebäudes Mohammed Sohel Rana, einen örtlichen Führer der Jugendorganisation der Regierungspartei Awami League. Nach den Betreibern der Fabrik werde gesucht. Mehrere Unternehmen waren dort untergebracht, darunter Phantom Apparels, Phantom Tac, Ether Tex, New Wave Style und New Wave Bottoms.
Zu den Kunden der New-Wave-Firmen zählen laut deren Website die Handelsketten Primark, Mango und Benetton. Ether Tex beliefert nach eigenen Angaben auch den weltgrößten Handelskonzern Wal-Mart. Von all diesen Firmen räumte nur Primark ein, eine Fabrik in Rana Plaza zu nutzen. Benetton erklärte, in das Unglück seinen keine seiner Lieferanten verwickelt. Wal-Mart gab an, dies noch zu untersuchen. Mango teilte mit, nur eine Warenprobe eines der Herstellers angenommen zu haben.