Venezuela Präsident Hugo Chávez ist tot

Sah sich als Kämpfer der Unterdrückten: Venezuelas Präsident Chávez
Foto: JORGE SILVA/ REUTERSCaracas - Venezuelas langjähriger Präsident Hugo Chávez hat den Kampf gegen sein Krebsleiden verloren: Der Linkspolitiker starb in der Nacht zu Mittwoch in der Hauptstadt Caracas im Alter von 58 Jahren. "Es ist ein Moment des tiefen Schmerzes", sagte sein Stellvertreter und erklärter Wunschnachfolger Nicolas Maduro mit schluchzender Stimme in einer Fernsehansprache. Die Todesnachricht versetzte Millionen Venezolaner in große Trauer. Chavez hatte das ölreiche Land mit seiner Politik der Umverteilung und Verstaatlichung 14 Jahre regiert. Mit seinem Tod verliert die Linke in Südamerika einen ihrer bekanntesten, aber auch umstrittensten Wortführer.
"Sein Projekt, seine Fahnen werden wir hochhalten mit Ehre und Würde", erklärte Maduro, der die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl kommissarisch leiten wird. "Kommandeur, wir danken dir, wir danken dir so sehr im Namen dieses Volkes, das du beschützt hast." Die Regierung ordnete eine einwöchige Staatstrauer an.
Die Beerdigung soll am Freitag stattfinden. Geplant sei eine öffentliche Trauerfeier, an der zahlreiche Staats- und Regierungschef aus Lateinamerika teilnehmen würden, sagte Außenminister Elias Jaua. Der Leichnam soll am Mittwoch vom Krankenhaus in Caracas zu einer Militärakademie gebracht werden, wo er für eine zweitägige Totenwache aufgebahrt wird.
Chávez spaltete mit seiner Verstaatlichungspolitik die Bevölkerung
Chavez litt seit Sommer 2011 an einer Krebserkrankung, die zuerst im Beckenbereich diagnostiziert wurde. Im Dezember unterzog er sich in Kuba seiner vierten Krebsbehandlung. Seitdem wurden lediglich ein paar Fotos von ihm in einem Krankenhausbett veröffentlicht. Mitte Februar kehrte Chavez überraschend nach Caracas zurück, was die Spekulationen über die Schwere seiner Krankheit befeuerte. Offiziellen Angaben zufolge lag Chavez zuletzt in einem Militärkrankenhaus in der Hauptstadt. Erst am Montag hatte die Regierung erklärt, das Immunsystem von Chavez sei so geschwächt, dass eine neue schwere Infektion der Atemwege aufgetreten sei.
Der Sozialist Chávez hat mit seiner Verstaatlichungspolitik die venezolanische Bevölkerung tief gespalten. Anhänger verweisen auf einen Rückgang der Armut und einen besseren Zugang einkommensschwacher Familien zu Bildung und Gesundheit. Kritiker prangern dagegen die Schattenseiten des von Chavez propagierten Sozialismus' im 21. Jahrhundert an, allen voran die hohe Arbeitslosigkeit und die zunehmende Kriminalität. Auch Inflation und Vetternwirtschaft sind zu einem großen Problem geworden.
Auf der internationalen Bühne galt der ehemalige Offizier Chavez als einer der umstrittensten Politiker. Bei jeder Gelegenheit stilisierte sich der selbst ernannte Erbe des Revolutionshelden Simon Bolivar als Kämpfer für die Unterdrückten, sein Image als Erzfeind der USA pflegte er mit Leidenschaft. So beschimpfte Chavez George W. Bush 2006 in der UN-Vollversammlung als Teufel. Ungeachtet dessen sind die Vereinigten Staaten immer noch der wichtigste Käufer von venezolanischem Öl. Mit den Petro-Dollars finanzierte Chavez wiederum einen Großteil seiner Sozialprogramme.
Neuwahlen binnen 30 Tagen - Umfragen sehen Maduro in Führung
Venezuela steuert nun auf vorgezogene Wahlen binnen 30 Tagen zu, auch wenn Chavez erst im Oktober eine weitere Amtszeit von sechs Jahren gewonnen hatte. Im Dezember hatte Chávez bereits Maduro zu seinem Wunschnachfolger erklärt. Umfragen zufolge dürfte der frühere Busfahrer und Gewerkschafter eine Wahl gegen den Oppositionskandidaten Henrique Capriles deutlich gewinnen.
Der bereits bei der Präsidentenwahl im Oktober unterlegene Capriles sprach der Familie von Chavez und dessen Anhänger sein Mitgefühl aus und rief die Bevölkerung zu Geschlossenheit auf.
Im Wahlkampf dürfte der Tod von Chavez eine zentrale Rolle spielen. So machte die Regierung die Feinde des Präsidenten für dessen lebensbedrohliche Krebserkrankung verantwortlich. Die Erkrankung sei einer der "Angriffe" von einer ganzen Reihe von Verschwörungen gegen Chavez, erklärte Maduro nur wenige Stunden vor dem Tod von Chavez. Das Land bereite "besondere Maßnahmen" vor, um gegen den Anstieg der Komplotte gegen die Regierung vorzugehen. Ein US-Diplomat sei des Landes verwiesen worden, weil er eine militärische Verschwörung gegen Chavez habe anstiften wollen.
Obama spricht von einem neuen Kapitel
US-Präsident Barack Obama bekundete kurz nach Bekanntwerden von Chávez' Tod sein Interesse an besseren Beziehungen zu dem ölreichen Land. Venezuela schlage nun ein neues Kapitel in seiner Geschichte auf, erklärte Obama in Washington. Die USA seien daran interessiert, mit der Regierung in Caracas "konstruktive Beziehungen" zu führen. Dabei würden die USA ihrem Grundsatz treu bleiben, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu fördern.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drückte der venezolanischen Bevölkerung sein Beileid aus. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, die selbst eine Krebsbehandlung hinter sich hat, erklärte: "Heute ist ein großer Lateinamerikaner gestorben." Der chilenische Staatschef Sebastian Pinera teilte mit, er sei ohne Zweifel nicht immer einer Meinung mit Chavez gewesen. "Aber ich konnte stets seine Kraft und sein Engagement schätzen, mit dem er für seine Ideale gekämpft hat." Der russische UN-Botschafter Witali Schurkin sagte zum Tod von Chávez: "Es ist eine Tragödie. Er war ein großartiger Politiker."