Nato-Kompromiss Frankreich stellt Ausbilder für Afghanistan

Französischer Soldat in Afghanistan: Im kommenden Jahr werden wohl nur noch französische Ausbilder im Land sein
Foto: Ahmad Jamshid/ APChicago - Auf dem Nato-Gipfel in Chicago bestätigten die 50 beteiligten Staaten des Nato-geführten ISAF-Einsatzes ihren Zeitplan, den Kampfeinsatz bis Ende 2014 zu beenden. Frankreich schert jedoch aus und will den Großteil seiner Truppe bereits in diesem Jahr nach Hause holen.
Da die Franzosen sich aber weiterhin als Ausbilder am ISAF-Einsatz beteiligen wollen, befürchtet Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Sogwirkung auf andere kriegsmüde Länder. "Hier ist ein großes Signal der Gemeinsamkeit gekommen, ich sehe diese Gefahren nicht", sagte sie.
US-Präsident Barack Obama räumte allerdings ein, dass der Sieg über die radikalislamischen Taliban in Afghanistan keinesfalls gewiss sei. "Die Taliban sind noch immer ein robuster Feind", warnte der Gipfel-Gastgeber.
Die 28 Nato-Staaten und ihre 22 ISAF-Partnerländer vereinbarten Einzelheiten zum schrittweisen Ende des vor elf Jahren begonnenen Kampfeinsatzes, den sie in einer Erklärung als "unumkehrbar" bezeichneten. Derzeit sind noch knapp 130.000 ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert, darunter 4900 Deutsche. Nach dem Gipfel-Beschluss sollen ab Mitte 2013 die afghanische Armee und Polizei die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen.
Ab 2015 nur noch Unterstützung bei Ausbilung
Obama sagte, die ganze Welt habe Interesse an einem stabilen und sicheren Afghanistan, das nie wieder Ausgangspunkt für Angriffe auf andere Staaten wird. "Ich bin zuversichtlich, ... dass wir dieses Ziel heute voranbringen und diesen Krieg verantwortungsvoll zu einem Ende bringen können", sagte er. Amerika könne seine Truppen nach Hause holen, die Soldaten umschulen und die Wirtschaft stärken. Doch sei der Übergang mit Risiken behaftet.
US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte voraus, dass die Taliban weiterkämpfen würden, obwohl sie geschwächt seien: "Sie werden weiter Anschläge verüben." Doch er sei zuversichtlich, dass die ISAF-Truppen und auch die Afghanen selbst dem begegnen könnten.
Ab 2015 wollen die Nato-Länder unter einem neuen Mandat Afghanistan bei Ausbildung und Unterstützung der heimischen Armee und Polizei zur Seite stehen. "Das wird kein Kampfeinsatz sein", hieß es in der Abschlusserklärung.
Die Nato-Staaten berieten zudem über die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte ab 2015. Die USA hatten eine Summe von 4,1 Milliarden Dollar pro Jahr bei einer Personalstärke von 228.000 Soldaten und Polizisten vorgeschlagen. Offiziell gab Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen keine Zahl bekannt. Doch Merkel sagte, die geplante Summe sei durch Zusagen der Nato-Staaten beim Gipfel schon fast zusammengekommen. Deutschland will sich mit rund 190 Millionen Dollar jährlich beteiligen.
Obama will womöglich selbst Abzug beschleunigen
Der neu gewählte französische Präsident Francois Hollande blieb trotz mahnender Worte der Bundesregierung bei dem Plan, die rund 3300 Soldaten seines Landes schon in diesem Jahr weitgehend abzuziehen. Hollande sagte aber zu, dass die Franzosen beim Nato-geführten Isaf-Einsatz noch länger mitmachen und Trainer stellen werden - zumindest 2013. "Danach brauchen wir noch Leute, die unsere Ausrüstung zurückbringen", ergänzte er.
Frankreichs Drängen könnte auch andere kriegsmüde Truppensteller zum schnelleren Ende des Afghanistan-Einsatzes bewegen. In Kreisen der französischen Delegation hieß es, Obama sei Hollande bei seinem Wunsch nur entgegengekommen, weil die USA womöglich selbst ihren Abzug beschleunigen wollten.
Die Bundesregierung hält am Zeitplan der Nato mit dem Zieldatum Ende 2014 fest. Außenminister Guido Westerwelle hatte Frankreich vor dem Gipfel wegen des vorzeitigen Abzugs deutlich kritisiert und vor einem Abzugswettlauf aus innenpolitischen Gründen gewarnt. Nach dem von massiven Protesten begleiteten Treffen äußerte sich Westerwelle zufrieden über Hollande. "Wir hatten Sorgen, aber diese sind ausgeräumt", sagte er. "Wir bleiben zusammen, das Bündnis franst nicht aus."
Merkel betonte, Frankreichs Bekenntnis zur ISAF-Mission zeige, dass es eine große Gemeinsamkeit gebe. Rasmussen sagte, entscheidend sei, dass alle ISAF-Staaten sich verpflichtet hätten, bis Ende 2014 zu bleiben, und das habe auch Hollande bestätigt.