Freizügigkeit in Europa
Nur 79.000 wollten nach Deutschland
Vor einem Jahr war die Angst groß, jetzt ist es die Ernüchterung: Gerade einmal 79.000 Menschen haben im vergangenen Jahr eine Arbeit in Deutschland aufgenommen, denen der Weg in die Bundesrepublik bis zum 1. Mai 2011 versperrt war. Vor allem Bayern und NRW profitierten.
Deutsch-tschechischer Grenzübergang in Schmilka/Hrensko: Kaum nennenswerte Zuwanderung im vergangenen Jahr
Foto: DPA
Nürnberg - Nur um 79.000 stieg im Vorjahr die Zahl der Personen aus den acht mittel- und osteuropäischen Ländern, für die seit dem 1. Mai 2011 die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Freitag berichtet. Dass sich so wenige Bürger aus den betroffenen Staaten für Deutschland interessierten, liegt nach Einschätzung des IAB vor allem an der vergleichsweise schwer zu erlernenden deutschen Sprache. Zudem werden hierzulande noch immer Ausbildungs- und Bildungsabschlüsse aus diesen Staaten in Deutschland mühsam anerkannt.
Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit stieg die sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigung aus den acht Ländern im Jahr 2011 um 82.000 Personen und damit etwas stärker als die Nettozuwanderung nach Deutschland. Laut IAB haben auch Personen, die bereits zuvor nach Deutschland gekommen und beispielsweise als Selbständige tätig waren, die durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit entstandenen Möglichkeiten genutzt und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.
Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen aus den acht neuen Ländern nahezu konstant geblieben. Das zusätzliche Arbeitsangebot konnte also in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Die zusätzliche Beschäftigung aus den neuen Mitgliedsstaaten konzentrierte sich auf die Arbeitnehmerüberlassung (+14.200), das Baugewerbe (+11.000), das Verarbeitende Gewerbe (+10.500), die sonstigen Dienstleistungen ohne Arbeitnehmerüberlassung (+8.600) und das Gastgewerbe (+7.900). Auf den Gesundheitssektor entfielen nur 4.600 Personen.
Keine Spuren auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Überdurchschnittliche Anteile verzeichnen Bayern (+20.600), Baden-Württemberg (+11.700) und Nordrhein-Westfalen (+14.800). In den grenznahen Regionen Ostdeutschlands war die Zuwanderung dagegen vergleichsweise gering.
Insgesamt bewertet das IAB die Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit positiv. "Die vorliegenden Daten sprechen dafür, dass die Arbeitsmarktintegration der Neuzuwanderer gut gelungen ist. Durch die zusätzliche Beschäftigung ergeben sich gesamtwirtschaftliche Gewinne für die deutsche Volkswirtschaft.Auch die Sozialversicherungssysteme und die öffentlichen Finanzen profitieren von dem Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung", so IAB-Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker. Allerdings seien die positiven Wirkungen angesichts des eher moderaten Anstiegs der Zuwanderung aus den acht mittel- und osteuropäischen Ländern begrenzt.
Die acht Länder, für die seit dem 1. Mai 2011 die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt, sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn.