Europäische Firmensteuern Trippelschritte zur Fiskalunion

Große Ambitionen, kleine Ergebnisse: Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy in Paris
Foto: AFPHamburg - Das Grünbuch lässt auf sich warten. Am Montagnachmittag, die Pressekonferenz zum deutsch-französischen Ministerrat in Paris war bereits vorüber, konnte das Bundesfinanzministerium das angekündigte Dokument zur geplanten Harmonisierung der Unternehmenssteuern noch nicht liefern. Man habe Unstimmigkeiten zwischen den Versionen entdeckt, erklärte eine Sprecherin. Das Pariser Präsidialamt hatte das Grünbuch da längst prominent auf seiner Website platziert. Erst später zog Berlin mit einem Dokument nach, das anscheinend mit der französischen Version übereinstimmt.
So drehten sich die Berichte über den Pariser Gipfel vor allem um das Verhältnis von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, um das Eingreifen der Kanzlerin in den französischen Wahlkampf und die kleinen Verstimmungen in der demonstrativ zur Schau gestellten Einigkeit. Die Substanz des Treffens geriet, abgesehen von mahnenden Worten in Richtung Athen, in den Hintergrund.
Zwar reagierten etwa der Bankenverband oder der Industrieverband BDI auf das Grünbuch, doch die bezogen sich gar nicht auf die konkreten Inhalte, sondern begrüßten das Vorhaben grundsätzlich, warnten zugleich aber vor höheren Steuern.
Das Grünbuch gibt dieser Furcht allerdings kaum Nahrung. So großspurig die Einleitung Deutschland und Frankreich als "Herz und Motor der Euro-Zone", als "Schwungrad" einer stärkeren Integration der Steuersysteme für ein besseres Funktionieren von Binnenmarkt und gemeinsamer Währung preist, so wenig bleibt in den Details davon übrig. Anpassen soll sich vor allem das französische Steuerrecht, mit einer breiteren Bemessungsgrundlage zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen, dafür aber niedrigeren Steuersätzen, sodass am Ende die effektive Steuerlast der Firmen ungefähr auf das deutsche Niveau sinkt.
Bis Anfang 2013, zum 50-jährigen Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags, soll das Ziel trotz zwischenzeitlich in Frankreich anstehender Wahlen erreicht sein - "ambitioniert", wie die Ministerialbeamten in dem Grünbuch selbst bemerken.
Steuerexperte Spengel: "Der kleinste gemeinsame Nenner"
Doch nicht alle sehen das so. "Das ist der kleinste gemeinsame Nenner", sagt Steuerexperte Christoph Spengel vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. Laut dem Mannheimer Professor haben die Ministerialen die größten strukturellen Unterschiede von vornherein ausgeklammert, zum Beispiel die deutsche Gewerbesteuer, deren Einnahmen den Kommunen zustehen, oder die Forschungsförderung, die in Frankreich über Steuerrabatte, hierzulande über direkte Subventionen läuft.
Das sei auch nicht zu bemängeln, meint Spengel: Trotz großer Unterschiede in Rechtssystematik, Struktur und Historie, die schwer zu beheben sind, ähnelten sich die Ergebnisse oft. Mehr lasse sich mit einer Angleichung der Methoden zur Ermittlung der zu besteuernden Unternehmensgewinne erreichen.
Doch auch da falle auf, dass die Formulierungen des Grünbuchs oft vage blieben. "Eine Angleichung kann erst ins Auge gefasst werden, wenn detaillierte Simulationsrechnungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen, sowohl auf gesamtwirtschaftlicher Ebene als auch branchenbezogen, vorliegen", heißt es etwa zum in Frankreich bislang großzügigeren Steuerabzug von Darlehenszinsen. Das Grünbuch lässt sich auf den Nenner bringen: Es ist alles furchtbar kompliziert.
Die Europäische Kommission ist längst weiter
Konkret müssten sich deutsche Unternehmen, sollten die Vorschläge Gesetz werden, nur auf wenige Änderungen einstellen. Die Bedingungen für die gemeinsame Besteuerung aneinander beteiligter Unternehmen als Organschaft sollen verschärft werden - in welcher Weise, ist aber noch offen. Auch für die Steuerfreiheit von Dividenden werde eine Mindestbeteiligungsquote erwogen.
Einen der größten im Grünbuch angesprochenen Schritte zu einer Harmonisierung hat Frankreich bereits getan: Seit 2011 gelten ähnliche Regeln zum steuerlichen Verlustabzug wie zuvor bereits in Deutschland, allerdings mit höheren Freigrenzen, die nun auch diesseits des Rheins übernommen werden könnten. Dass dieser Schritt auch ohne Grünbuch möglich war, schmälert die Bedeutung der neuen Vorschläge als Beitrag zu einer "Zone der Stabilität", die laut Sarkozy "auf die ganze Euro-Zone ausstrahlen" werde.
Ohnehin hat Steuerexperte Spengel eine "schleichende Angleichung" des Steuerrechts europaweit festgestellt, weil Subventionen abgebaut würden.
Die Europäische Kommission ist schon deutlich weiter gegangen. Bereits im vergangenen Mai verabschiedete sie eine Richtlinie für eine "gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage" (GKKB). Die Idee aus der Behörde von Steuerkommissar Algirdas Šemetas: Unternehmen sollen wählen können, ob sie nach dem jeweiligen nationalen Recht oder einer einheitlichen europäischen Methode besteuert werden, die Höhe der Steuersätze bleibt aber in nationaler Verantwortung.
Einheitliche Gewinnermittlung wäre "einfach"
"Ich hätte erwartet, dass das deutsch-französische Grünbuch diesen Richtlinienentwurf aufnimmt", sagt Spengel. Stattdessen erwähnt das Papier nur beiläufig, man wolle "die Initiative der Europäischen Kommission unterstützen". Dabei laufe die Diskussion darüber schon lange, Spengel selbst habe mit seinem Team im Auftrag des Bundesfinanzministeriums die Folgen abgeschätzt.
Ergebnis: Europaweit würde sich die durchschnittliche Steuerlast der Unternehmen kaum ändern, allerdings etwas stärker in anlageintensiven Branchen, weil die Regeln für Abschreibungen sich deutlich unterscheiden. Ansonsten gebe es kaum materielle Unterschiede im Steuerrecht.
Kritisch sieht Spengel die Einführung eines 28. Steuersystems zusätzlich zu den 27 bestehenden der Einzelstaaten, denn "man würde immer parallel rechnen", welches System sich gerade für das Unternehmen lohnt, das wäre "irre kompliziert". Doch grundsätzlich würde eine einheitliche Gewinnermittlung "die Transparenz erhöhen und Kosten sparen". Das wäre auch in der gesamten Union "relativ einfach zu bewerkstelligen, weil die Unterschiede nicht besonders gravierend sind".
Doch selbst daran scheitert das einige Europa, trotz des Power-Paars an den Schalthebeln in Berlin und Paris.