Ausgleich für Börsensteuer FDP fordert höheren Sparerfreibetrag

Finanzminister Wolfgang Schäuble soll nach dem Willen der FDP Kleinsparer entlasten.
Foto: Jean-Christophe Bott/ APBerlin - Als Ausgleich für eine Steuer auf Finanztransaktionen hat die FDP eine Erhöhung des Sparerfreibetrags ins Gespräch gebracht. "Spekulation bekämpft man nicht, indem man Kleinsparer belastet", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Wissing dem Magazin "Focus". Daher müsse die Einführung einer Börsensteuer einhergehen mit einer Entlastung der Sparer und der mittelständischen Wirtschaft. Dies könne etwa durch einen höheren Sparerfreibetrag geschehen.
Wie stark der Pauschbetrag von derzeit 801 Euro für Alleinstehende und 1602 Euro für zusammen veranlagte Ehegatten angehoben werden müsste, ließ Wissing offen. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, nach dem alle Finanzgeschäfte besteuert werden sollen, bei denen mindestens einer der Beteiligten seinen Sitz in der EU hat. Die Steuer zahlen müssten Käufer wie Verkäufer. Erfasst werden soll nahezu der gesamte professionelle Handel mit Wertpapieren, also Aktien, Anleihen und Derivate.
Vorgeschlagen sind Steuersätze von 0,1 Prozent auf Aktien- und 0,01 Prozent auf Derivategeschäfte. Die Kommission erhofft sich von der Börsensteuer EU-weit Einnahmen von 57 Milliarden Euro im Jahr. Die Bundesregierung hat bislang offengelassen, ob sie - wenn eine solche Steuer nicht EU-weit durchsetzbar ist - diese Abgabe nur in der Euro-Zone einführen will oder ob sie einem an der britischen Stempelsteuer orientierten Modell folgt. Eine Börsensteuer nur in der Euro-Zone lehnt die FDP ab. Deren Parteichef Philipp Rösler hat eine Art Stempelsteuer ins Spiel gebracht.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy ist bei diesem Thema vorgeprescht: Er will eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent August einführen. Aus Regierungskreisen verlautete, dass die Steuer bis zu eine Milliarde Euro jährlich einbringen könnte.
Risse in der Finanzsteuer-Allianz
Doch was Sarkozy einführen will, sieht um einiges anders aus, als sich das Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble bisher vorgestellt hatten. Darüber könnten Deutsche und Franzosen bei den nächsten deutsch-französischen Regierungskonsultationen am Montag in Paris diskutieren.
Im grundsätzlichen Ziel zwar einig, im Detail und im Weg aber unterschiedlich: so sieht es zwischen den beiden Ländern bei diesem Thema mittlerweile aus. Mit einer Bewertung des französischen Modells hält sich die Bundesregierung bislang auffällig zurück. "Im Fokus ist der Vorschlag der Kommission, der auf dem Tisch liegt und der in Brüssel diskutiert wird", weicht Schäubles Sprecher Martin Kotthaus aus. Den würde Deutschland am liebsten auf Ebene der gesamten EU einführen. Vom französischen Vorschlag, der um einiges anders aussieht, spricht er nicht. "Wir wollen aber auch nicht ad infinitum schauen, wie wir uns in Kreisen drehen", macht Kotthaus deutlich, dass auch die Geduld der Deutschen endlich ist.
Eines ist klar: den Franzosen folgen wollen sie zunächst nicht. Und die Antwort auf die Frage, was man tun wird, wenn der Kommissionsvorschlag in der EU keine einhellige Unterstützung erhält - was nach der Bewertung dieser Steuerpläne als "Wahnsinn" durch den britischen Premierminister David Cameron absehbar ist - lässt Deutschland bewusst offen.
Frankreichs Modell lässt Anleihen außen vor
Der Kommissionsvorschlag beinhaltet, grob gesagt, folgende Kernelemente: besteuert werden alle Finanzgeschäfte, bei denen mindestens einer der Beteiligten seinen Sitz in der EU hat. Die Steuer zahlen müssten Käufer wie Verkäufer. Erfasst werden soll nahezu der gesamte professionelle Handel mit Wertpapieren, also Aktien wie Anleihen wie Derivate. Das Gros privater Geschäfte soll hingegen nicht belastet werden. Das gilt etwa für private Kredit-, Hypotheken und auch Versicherungsgeschäfte.
Am Ende sollen nach diesem Modell 85 Prozent der zwischen Finanzprofis laufenden Transaktionen besteuert werden, auch der sogenannte Hochfrequenzhandel, der computergestützte, meist automatisierte Handel mit Finanzprodukten. Gerade letzteres ist Schäuble aus grundsätzlichen Erwägungen wichtig. Er erhofft sich nämlich durch die neue Finanzsteuer auch ein Stück Entschleunigung an den Finanzmärkten, eine Beruhigung der hektischen Ausschläge, die viele als einen großen potenziellen Krisenverstärker sehen.
Frankreichs Modell sieht schlichter aus. Danach sollen nur Geschäfte mit Aktien und anderen Firmenanteilen französischer Unternehmen besteuert werden - wo immer die Geschäftspartner auch sitzen. Anleihen, gleich ob von Staaten oder Unternehmen, sollen der Steuer nicht unterliegen. Und es gibt noch viele weitere Ausnahmen, wie etwa Erstemissionen von Aktien, Marktpflege-Aktionen, Rückkauf-Geschäfte, fusionsbezogene Transaktionen. Zur Kasse gebeten werden soll vom Fiskus nur der Käufer der Papiere.
Ausnahmen bei heimischen Aktien
Noch prüfen wollen die Franzosen, ob auch der Hochfrequenzhandel belastet wird und ob zudem eine Abgabe für bestimmte Leerverkäufe von Staatspapieren erhoben wird. Nicht nur für Merkels Koalitionspartner FDP sieht das französischen Modell eher nach einer Art modifizierte Stempelsteuer nach britischem Vorbild aus. Auch ein hochrangiger Experte aus dem Unions-Lager meint: "Mich erinnert das eher an die Briten." Das gilt insbesondere, weil die Franzosen das riesige Multimilliardengeschäft mit Anleihen nicht ins Visier nehmen wollen.
Auch die vielen Ausnahmen und der Bezug auf Geschäfte mit Aktien heimischer Unternehmen klingen eher nach der Praxis im Vereinigten Königreich. Die Liberalen in Deutschland jedenfalls freuen sich schon. Sie haben aus ihrer Abneigung gegen eine Finanztransaktionssteuer nie einen Hehl gemacht. Zuletzt zogen sie sich auf die Position zurück: lasst uns ein Modell orientiert an der britischen Stempelsteuer wählen. Dann, so ihr Argument, können wir auch den wichtigen Finanzplatz London einbeziehen und schaden nicht der Bankenmetropole Frankfurt.
Nein gesagt hat Kanzlerin Merkel dazu für den Fall, dass die Finanztransaktionssteuer nach Kommissionsmodell nicht in der gesamten EU durchsetzbar wäre, nicht. So könnten am Ende Franzosen und Deutsche vielleicht doch wieder in einem Boot sitzen - allerdings mit einer Steuer, die deutlich weniger ergiebig und wirksam wäre, als ursprünglich angestrebt.