Prognose der EU-Kommission Euro-Zone droht Rezession

EU-Währungskommissar Rehn: "Es besteht das Risiko einer erneuten Rezession"
Foto: THIERRY ROGE/ REUTERSBrüssel - "Das Wachstum in Europa ist zum Stillstand gekommen, und es besteht das Risiko einer erneuten Rezession", erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn bei der Vorlage des Herbstgutachtens der EU-Kommission. Wirtschaftsflaute, Schuldenprobleme und der anfällige Finanzsektor "scheinen sich in einem Teufelskreis gegenseitig zu beeinträchtigen".
Erst gegen Mitte 2012 werde die Unsicherheit abebben, sodass ein schmales Jahreswachstum von 0,6 Prozent in der EU und 0,5 Prozent im Euro-Raum erwartet wird. Damit korrigierte Brüssel die Prognose scharf nach unten. Im Frühjahr hatten die Experten noch mit einem Wachstum von 1,9 Prozent (EU) beziehungsweise 1,8 Prozent (Euro-Zone) gerechnet. In diesem Jahr soll die Wirtschaft in der Euro-Zone noch um 1,5 Prozent wachsen.
Im vierten Quartal 2011 werde die Wirtschaft der Euro-Zone gegenüber den drei Vormonaten leicht um 0,1 Prozent schrumpfen. Im ersten Quartal des kommenden Jahres wird dann eine Stagnation erwartet. Viele Ökonomen sprechen bei zwei negativen Quartalen hintereinander von einer Rezession.
Auch für die Wachstumslokomotive Deutschland haben sich die Aussichten stark eingetrübt. Statt mit 1,9 Prozent wird nur noch mit einem Plus von 0,8 Prozent für 2012 gerechnet. Im Folgejahr sollen es dann 1,5 Prozent sein.
Griechenlands Verschuldung steigt auf 200 Prozent
Die Schulden Griechenlands dürften in den nächsten Jahren ohne neue Rettungsmaßnahmen völlig aus dem Ruder laufen. Die gesamtstaatliche Verschuldung werde 2012 und 2013 jeweils knapp 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Für das laufende Jahr wird die griechische Verschuldung auf knapp 163 Prozent geschätzt. Erlaubt sind in der EU höchstens 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU prognostiziert für Griechenlands Wirtschaft 2012 zudem einen Rückgang in Höhe von 2,8 Prozent.
In Italien, das derzeit ebenfalls im Fokus der Krise steht, ist die Lage weitaus weniger dramatisch. Die Neuverschuldung sinkt nach der Prognose von 4 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 2,3 Prozent 2012 sowie auf 1,2 Prozent 2013. Die Regierung in Rom hat allerdings Maßnahmen angekündigt, mit denen der Haushalt im Jahr 2013 ausgeglichen werden soll. Der Schuldenstand soll laut Prognose im kommenden Jahr bei 120 Prozent verharren und ab 2013 leicht sinken. Das BIP wird 2012 voraussichtlich um 0,1 Prozent wachsen, im Herbst lag die Prognose noch bei 1,3 Prozent.
"Hohe Zinsen auf Italien-Bonds kurzfristig kein Problem"
Der starke Anstieg der Zinsen auf italienische Staatsanleihen ist Rehn zufolge kurzfristig kein großes Problem für die öffentlichen Finanzen des Landes. Ohne entschlossene Spar- und Reformanstrengungen drohten in den kommenden Jahren aber Wachstumseinbußen bei der ohnehin schon stagnierenden Wirtschaft Italiens. "Kurzfristig sind die Folgen für die Schulden nicht so dramatisch, aber mittelfristig hätte es deutliche Folgen für die Finanzierungsbedingungen und die Realwirtschaft", sagte Rehn.
Italien komme zugute, dass die durchschnittliche Laufzeit seiner ausstehenden Staatsanleihen bei sieben Jahren liege, und der Zinsanstieg sich damit nicht so schnell niederschlagen könne. Nach Berechnungen der Kommission würde ein Zinsanstieg um einen Prozentpunktpunkt die Staatsausgaben in Italien um 0,2 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Das BIP wäre über einen Zeitraum von drei Jahren einen Prozentpunkt niedriger.
EU-Kommissar Rehn schickte eine deutliche Botschaft nach Rom, wo derzeit um eine Übergangsregierung gerungen wird: "Die wichtigste Aufgabe Italiens ist es, politische Stabilität wieder herzustellen." Es müsse bald entschieden gehandelt werden, um die Budgetziele zu erreichen und das Wachstum anzukurbeln.
Belgien, Malta, Polen, Ungarn und Zypern im Visier der EU
Für den europäischen Arbeitsmarkt rechnet Brüssel ebenfalls insgesamt "mit keiner realen Verbesserung", wie Rehn erklärte. Demnach wird die Arbeitslosenquote EU-weit von 9,7 Prozent 2011 auf 9,8 Prozent im kommenden Jahr steigen, in Deutschland allerdings von 6,1 Prozent auf 5,9 Prozent sinken.
Die Kommission sprach von einem drastischen Vertrauenseinbruch, der Investitionen und Konsum behindere. Rehn sagte, der Schlüssel zu mehr Wachstum liege darin, das Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Budgets und in das Finanzsystem wiederherzustellen.
Auch deshalb droht die Kommission Belgien, Malta, Polen, Ungarn und Zypern mit einem Sanktionsverfahren, weil sie ihre zu hohe Staatsverschuldung nicht zügig genug abbauen. Rehn gab den Ländern bis Mitte Dezember Zeit, Pläne zum Schuldenabbau vorzulegen. Ansonsten werde er die schärferen Regeln des Stabilitätspaktes nutzen. Dazu gehören halbautomatische Sanktionsverfahren.