
Durchbruch in Brüssel EU stemmt Masterplan zur Rettung des Euro
Brüssel - Europa hat ein umfassendes Paket gegen die Schulden- und Bankenkrise und zur Rettung Griechenlands auf den Weg gebracht. Bei ihrem Gipfeltreffen einigten sich die EU-Staatschefs und die Banken am frühen Donnerstagmorgen auf einen teilweisen Schuldenerlass für das hoch verschuldete Griechenland. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer sollen auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten.
Mit dem Schuldenschnitt von 50 Prozent seien Banken und Versicherungen jetzt "substanziell" beteiligt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der internationale Bankenverband IIF sicherte zu, dass die getroffene Vereinbarung jetzt schnell und zügig umgesetzt werden soll.
Die Krisentreffen zogen sich vor allem wegen der zähen Verhandlungen mit den Bankenvertretern über Stunden hin. Dann schalteten sich Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker ein und brachten offensichtlich die Wende. Die Regierungen hätten "ein einziges Angebot" gemacht und deutlich werden lassen, "dass dies unser letztes Wort ist", sagte Merkel.
Alles in allem sollen die griechischen Schulden bis 2020 deutlich gesenkt werden. Die Europäische Union (EU), Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollen Griechenland dabei künftig enger an die Kandare nehmen und die Sparprogramme strenger kontrollieren. die Kanzlerin sprach von einem "verstärkten Überwachungsregime".
Schlagkraft des Rettungsfonds wird erhöht
Um gefährdete Staaten wie Italien und Spanien aus der Schusslinie der Finanzmärkte zu nehmen, wollen die 17 Euro-Staaten zudem einen billionenschweren Schutzwall hochziehen. Anleihen von Staaten mit beschädigter Kreditwürdigkeit sollen für Investoren wieder attraktiv werden. Der Krisenfonds EFSF kann seine Mittel künftig auf bis zu eine Billion Euro vervielfachen. Derzeit kann der Fonds 440 Milliarden Euro Kredite vergeben. Die Vervielfachung funktioniert mit einem sogenannten Hebel, der allerdings auch das Verlustrisiko bei Pleiten kriselnder Staaten erhöht.
Der EFSF wird nun teilweise das Risiko eines Zahlungsausfalls für Schuldtitel gefährdeter Euro-Staaten übernehmen. Er bietet quasi eine Art Teilkaskoversicherung, wenn Schuldenstaaten neue Anleihen ausgeben. Zudem soll ein neuer Sondertopf geschaffen werden, an dem sich der IWF beteiligt. Dieser Fonds investiert in Anleihen, die der EFSF ebenfalls zum Teil absichert. Dabei könnten ausländische Investoren wie Staatsfonds aus China mitmachen. Sarkozy will noch am Donnerstag mit dem chinesischen Staatschef Hu Jintao telefonieren.
Der Garantierahmen Deutschlands von 211 Milliarden Euro soll durch die Hebelung des EFSF dennoch auf jeden Fall unverändert bleiben. Unter dieser ausdrücklichen Bedingung hatte der Bundestag am Mittwoch Merkel ein umfassendes Verhandlungsmandat gegeben - mit Stimmen der Union, der FDP, SPD und Grünen.
Neues Griechenland-Paket in Höhe von 100 Milliarden Euro
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach zehnstündigen Beratungen: "Wir haben heute Nacht gezeigt, dass wir die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen. Mir ist sehr bewusst, dass die Welt heute auf diese Beratungen geschaut hat." Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy nannte die Beschlüsse historisch. Am Devisenmarkt wurden die Nachrichten mit Erleichterung aufgenommen. Der Euro zog leicht an und kostete zuletzt etwas weniger als 1,40 Dollar.
Die Euro-Länder mussten handeln, da Griechenlands Schuldenlast nicht mehr tragfähig war. Es dürfte 2012 nach Prognosen auf eine Staatsverschuldung von rund 170 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen, das ist Rekord in Europa. Als tragfähig gilt ein Wert von 120 Prozent - bei einer funktionierenden Regierung. Dieser Wert soll mit den am Donnerstag beschlossenen Schritten erreicht werden.
Bereits im Juli hatte die Euro-Zone beschlossen, Banken und Versicherungen bei einem neuen Hilfspaket mit einem freiwilligen Abschlag von 21 Prozent ins Boot zu holen. Die verschlechterten Finanzlage des Landes machte diese Berechnungen zu Makulatur.
Die Prognosen sind dramatisch: Nach Berechnungen internationaler Experten benötigt Athen bis 2020 rund 252 Milliarden Euro. Das neue Griechenland-Paket wird nach den Worten Merkels einen Umfang öffentlicher Hilfen von rund 100 Milliarden Euro haben.
Der öffentliche Beitrag liegt damit erst einmal etwas unter dem im Juli beschlossenen 109 Milliarden Euro. Allerdings wollen die Staaten jetzt den freiwilligen Forderungsverzicht der Banken mit Garantien von 30 Milliarden Euro absichern. Damit soll sichergestellt werden, dass der Umtausch auch über die Bühne geht. Um den freiwilligen Status abzusichern, müssen die Griechen den privaten Gläubigern eine Umtauschofferte in neue Papiere vorlegen, die diese dann akzeptieren.
Kernkapitalquote der Banken soll auf 9 Prozent steigen
Zudem hatten Merkel und Sarkozy mit dem erhöhten Druck auf Italien offenbar erst einmal als Erfolg. Wegen seiner hohen absoluten Verschuldung von rund 1,8 Billionen Euro will das Land jetzt den Schuldenstand bis 2014 von derzeit rund 120 auf 113 Prozent senken. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy sagte, das Rentenalter solle bis 2026 auf 67 angehoben werden. Brüssel fürchtet, dass Italien von der Schuldenkrise "angesteckt" werden könnte.
Der EU-Gipfel hatte sich zuvor über die Bankenkapitalisierung bis zum 30. Juni 2012 verständigt. Bis dahin müssen die systemrelevanten Banken ihre harte Kernkapitalquote auf 9 Prozent anheben. Nur so kann die Branche nach Berechnungen der Europäischen Bankenaufsicht den Schuldenerlass verkraften. Systemrelevante Banken würden bei einem Zusammenbruch das gesamte Finanzsystem gefährden. Diese Banken müssen mit rund 106 Milliarden Euro rekapitalisiert werden, wie die Europäische Bankenaufsicht (EBA) in London bekanntgab.
Die größten Beträge brauchen mit 30 Milliarden Euro Banken aus Griechenland sowie mit 26 Milliarden Euro Institute aus Spanien, mit knapp 15 Milliarden Euro italienische Banken und mit rund neun Milliarden Euro der Finanzsektor in Frankreich. Deutsche Banken brauchen frisches Kernkapital in Höhe von rund fünf Milliarden Euro.