Der Kontrast muss hart sein. Braungebrannt ist der Herr der deutschen Touristik am Abend zuvor per Charterflieger aus dem Feriendomizil auf Mallorca zurückgekehrt. Jetzt wartet der Alltag - und der wird in einer Reihe niedriger Zweckbauten an einer Ausfallstrasse in Hannover gestaltet.
Michael Frenzel hat den vielleicht erstaunlichsten Unternehmensumbau der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte initiiert - und damit auch seine eigene Jobbeschreibung verändert.
Aus dem Chef der vormals ehrwürdigen Preussag AG ist der Vorstandvorsitzende der Tui AG geworden. Im Interview mit Wolfgang Kaden zieht der 57-Jährige eine Zwischenbilanz.
Als er antrat - 1994 -, da habe er mit der Preussag einen "Dinosaurier der Industriegeschichte" vorgefunden. "Wir hatten kein gemischtes Portfolio", erinnert sich Frenzel, "wir hatten eine Zersplitterung".
Was also tun?
Das "Motiv Zukunftssicherung" führte zur Fokussierung auf den Tourismus; ein Weg, auf dem Frenzel - gefördert vom langjährigen WestLB-Chef Friedel Neuber - sich von niemandem beirren ließ. "Die strategische Kernentscheidung kann kein Analyst und auch kein Markt fällen, das muss der Unternehmensführer tun, das habe ich getan."
Das Konglomerat Preussag wurde nach und nach zerschlagen, die Einzelteile verkauft. Dafür verleibte sich Frenzel Brocken wie die britische Thomson Travel ein - für 2,9 Milliarden Euro. Der studierte Jurist - "es gibt eigentlich keine gelernten Touristiker" - versteht die Akquise bis heute als "strategischen Schlüsselkauf".
"Das wird nach Preis entschieden"
"Das wird nach Preis entschieden"
Die bis in die Gegenwart anhaltende Kritik am angeblich überzogenen Preis betrachtet der Herr über 70.000 Mitarbeiter nicht ohne Verständnis; allein, die Maßstäbe des Krisenjahres 2004 könnten nicht für eine längst getroffene Entscheidung gelten.
Aus der Krise, die den Anschlägen des 11. September folgte, sei Tui sogar "gestärkt, was die inneren Strukturen angeht" hervorgegangen. Der Markt biete auch einer Großorganisation vielfältigste Chancen.
Im demographischen Wandel sehen Frenzel und seine Trendstrategen neue Zielgruppen entstehen: "Zum Beispiel die Jungen über 50", die kaufkräftig und mobil per Tui in Bildungsurlaub oder Kulturrundfahrt entschwinden.
Trotz Internetbuchung und Individualisierung sieht Frenzel allerdings das traditionelle Reisebüro als Gattung nicht bedroht. "Das wird nicht verschwinden." Sowenig wie die Gerüchte, dass Tui, die erst vor kurzem mit der Gründung des Billigfliegers Hapag Lloyd Express in den Markt der Billigflieger eingestiegen ist, in diesem Feld ihr Portfolio erweitern möchte.
Heißester Kandidat ist ein Himmelstürmer aus der Hauptstadt. "Air Berlin", sagt Frenzel, "also aktuell ist da nichts. Es gibt viele andere, die auch interessant sind. Es wird einfach wild spekuliert im ganzen Markt."
Mehr aber ist mit dem IPO der Tochter Hapag-Lloyd. Frenzel kann die daraus erwarteten Erlöse gut gebrauchen, um den Schuldenstand zu senken. Doch er will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. "Abwarten", sagt er. "Das wird nach Preis entschieden."
Immerhin - für die nähere Zukunft setzt der Vertraute von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) auf gedämpften Optimismus: "Wir sind aus dem Tal heraus", sagt Frenzel, "auch wenn es einen ungebremsten Aufschwung nicht gibt."