

Jede fundamentale Änderung am Antriebskonzept des Porsche 911 ruft fundamentalen Protest der "Gusseisernen" hervor. So heißen in Zuffenhausen die ultratraditionellen Elfer-Fans. Und so war das Wehklagen wieder einmal laut, als der klassische Saugmotor der jüngsten Weiterentwicklung zum Opfer fiel: Künftig werden auch die Aggregate jener 911er von Turboladern druckbeatmet, die keinen "Turbo"-Schriftzug am Heck tragen.
Das sorgt für mehr Leistung bei geringerem Verbrauch - und war die einzige Möglichkeit, die Emissionswerte ernsthaft zu senken. Aber verändert sich damit nicht auch der gesamte Charakter des Sportwagens? Leidet die Ikone jetzt womöglich gar unter dem berüchtigten "Turboloch"? Also, nichts wie rauf auf die Autobahn und dorthin, wo kein Tempolimit den Turbo mehr ausbremst. Mit jedem Durchdrücken des Gaspedals führt die Nadel des Drehzahlmessers einen wilden Tanz auf. Dabei hilft das Doppelkupplungsgetriebe, das ruckfrei und in Sekundenbruchteilen schaltet - leider aber ein teures Extra ist. Die Maschine bleibt in jedem Tourenbereich elastisch, drehfreudig und extrem beschleunigungsstark. Keine Spur von einem "Turboloch".
420 PS/309 kW (911 Carrera S mit PDK)
174 g/km, CO2-Emission
4,1 Sekunden Beschleunigung von 0 auf 100 km/h
306 km/h Spitzengeschwindigkeit
ab 114.276 Euro
Auch auf der Landstraße fährt sich der neue Elfer temperamentvoll und präzise. Und zugleich entspannt. Denn das früher so nervige Chaos aus Knöpfen und Schaltern wurde beseitigt, das erledigt man heute alles über einen großen Touchscreen. Das Lenkrad bleibt, wie es sich für einen echten Sportler gehört, frei von Tasten. Einzig der Drehknopf zur Auswahl der vier Fahrprogramme hat dort seinen Platz.
Die Lenksäule indes ist umgeben von einem Dickicht aus sechs zum Teil komplexen Bedienhebeln, für den Bordcomputer, aber auch für die Assistenzsysteme wie Tempomat und Abstandsautomatik. Es ist mein erster 911er mit solchen Helferlein - und ich bin überrascht, wie viel sie tatsächlich beitragen können zum Fahrkomfort und zur Sicherheit, sofern man sich weit genug vom physikalischen Grenzbereich fernhält. Man kann im wohl klassischsten aller Sportwagen inzwischen sogar konzentriert telefonieren - selbst im hektischen Stadtverkehr. Der Elfer ist also durchaus businesstauglich.
Nur der Sound hat mich enttäuscht. Im Cockpit klingt er synthetisch, zu viele elektroakustische Effekte. Was in der Tiefgarage dazu führt, dass seltsames Genäsel von den Wänden widerhallt. Oder gehöre ich jetzt selbst schon zu den "Gusseisernen"?
Neuer Carrera: Die genaue Bezeichnung des jüngsten Mitglieds des Neunelfer-Familie lautet 991 II.
Mal was anderes: Wer seinen Elfer nicht im üblichen Schwarz oder Silber will, kann zum Beispiel den Farbton Miami Blue wählen. Könnte sich allerdings beim Wiederverkauf rächen.
Neue Horizontale: Das eindeutige Erkennungsmerkmal am Heck des 911 ist das Lufteinlassgitter mit längsliegenden Lamellen. Beim Vorgänger lagen sie noch quer.
Geschickte Retuschen: Die wichtigste Neuerung beim neuen Elfer ist der Turbomotor. Beim Facelift wurden aber auch ein paar Designdetails geändert - zum Beispiel die Leuchten am Bug, die jetzt schmaler sind und schnittiger wirken.
Abgeschaut vom Hypercar: Die Kühlklappen am Bug öffnen und schließen automatisch - wie beim Porsche 918 Spyder. Im Stand sind sie geöffnet; besteht kein erhöhter Kühlluftbedarf, schließen sie ab 15 km/h und öffnen in mehreren Stufen erst wieder ab 160 km/h.
Man hat die Wahl: Je nach Modus verändern sich die Fahrwerkseinstellung und das Ansprechverhalten des Motors. Betätigt man den sogenannten Response Button in der Mitte, steht für 20 Sekunden mehr Ladeluftdruck zur Verfügung.
Komfortzone: Angesichts der vielen Assistenzsysteme fühlt man sich im 911 mitunter wie in einer Limousine.
Luft ablassen: Neu sind auch die Luftauslässe am Heck, an denen die Abluft des Turbos ausströmt.
Neue Aufgabe: Der 911 hatte schon zuvor einen variablen Spoiler, mit dem Turbomotor kommt dem Flügel eine weitere Bedeutung zu - je nach Anstellwinkel wird durch die Umlenkung des Luftstroms zusätzlich Luft in die Einlasskanäle für die Ladeluftkühlung geleitet.
Bei Porsche-Fans umstritten: Der neue Standardmotor für den Elfer mit doppelter Turbo-Aufladung. Bisher kamen im Carrera Saugermotoren zum Einsatz. Die neuen Aggregate sind die größte Veränderung am neuen 911.
Luftnummer: Oben strömt die kalte Luft in den Motorraum, unten die heiße durch die Endrohre wieder heraus.