
5 Minuten mit: Richter Noll über Dax-Vorstände im Gericht Der über Fitschen, Ackermann und Co. entscheidet
Peter Noll (55), der sich sonst gern mit hausgemachten Stullen verköstigt, wählt als Treffpunkt die "Gerichtskantine", eine Taverne mit "Buon giorno"-Begrüßung und grün-weiß karierten Tischdecken. Wache Augen, Intellektuellenbrille. Sehr klar geschnittene Gesichtszüge. Ein ruhiger Typ. Aber immer bereit für einen flotten Spruch.
manager magazin: Herr Noll, Ex-Infineon-Chef Ulrich Schumacher, Siemens, jetzt die Deutsche Bank - wie fühlt es sich an, wenn die Dax-Elite vor einem zittert?
Peter Noll: Ich hatte jetzt ein paar große Fälle. Dies ist vorerst der letzte, und das war's dann. Wenn die Kameras weitergezogen sind, bin ich das öffentliche Interesse schnell wieder los.
mm: Kein bisschen eitel?
Peter Noll: Wenn man in einem großen Prozess oben in der Mitte sitzt, braucht man eine gewisse narzisstische Ader, das will ich nicht leugnen. Aber die sollte einen nicht beherrschen. Ruhm ist sehr vergänglich und kann einen auch auf Abwege führen.
mm: Da gibt es in Ihrer Klientel ja Beispiele zuhauf. Als Dax-Vorstand hat man eine andere Lebenswirklichkeit, da räumt man zu Hause nicht mehr die Spülmaschine aus. Sie hingegen schon?
Peter Noll: Zeit ist ein knappes Gut. Ich bin in der glücklichen Lage, trotz reichlich Arbeit immer noch Zeit für Alltagsdinge zu haben. Aber ich kann nicht sagen, dass jemand, der einen 16-Stunden-Tag hat und an sehr verantwortlicher Stelle tätig ist, abgehoben oder selbstverliebt ist.
mm: Haben prominente Wirtschaftsführer auf der Anklagebank mehr Diskretion als andere verdient?
Peter Noll: Nein. Aber man muss auch darauf achten, dass Prominente keine Extralast tragen. Jemanden vor laufenden Kameras durchsuchen zu lassen finde ich unwürdig.
mm: Ein Vorgehen wie bei Klaus Zumwinkel hätten Sie verhindert?
Peter Noll: Ich hätte es auf jeden Fall versucht.
mm: Alle loben Sie. Staatsanwälte, Verteidiger, Angeklagte wollen am liebsten Sie als Richter.
Peter Noll: Es ist immer angenehm, gelobt zu werden. Doch es ist auch ein Risiko. Sie kennen das Tontaubenprinzip: hochjubeln und abschießen. Das soll mir nicht passieren.
mm: In einer der letzten Sitzungen haben Sie den Herren gesagt, sie sollten mal auf den Weihnachtsmarkt gehen, chillen. Verstehen Sie sich auch ein bisschen als Therapeut?
Peter Noll: Ich wollte Druck rausnehmen, weil ich weiß, wie schwierig es für die Beteiligten ist, Termine umzulegen. Aber Humor im Gerichtssaal ist ein zweischneidiges Schwert, das kann schnell herabwürdigend wirken.
"Verfolgt einen nicht bis in den Schlaf"
mm: Sind Sie ein gelassener Mensch?
Peter Noll: Ich glaube, dass ich Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden kann. Es lohnt sich nicht, für irgendwelche Nickeligkeiten oder Eitelkeiten auf die Palme zu gehen. Immer nur gelassen zu sein ist im Gerichtssaal indes auch fade.
mm: Sie haben es derzeit mit fünf ehemaligen und amtierenden Dax-Vorständen gleichzeitig zu tun. Wie bekommen Sie diese Riesenegos in den Griff?
Peter Noll: Indem ich mich auf den Fall konzentriere. Ich versuche, die Betroffenen zu sehen wie jeden anderen Angeklagten auch.
mm: Was fasziniert Sie an dieser Klientel?
Peter Noll: Wie es zugeht im Vorstand, wie da gearbeitet wird - das sind Einblicke, die man sonst nicht kriegt.
mm: Hatten Sie Aha-Momente?
Peter Noll: Bei einem Prozess kam heraus, dass sich der Chef mit dem Finanzvorstand verkracht hatte, weil der ihn beim Oldtimerrennen überholt hatte. Was dann Auswirkungen auf die Firmenpolitik hatte. Das war wie im Sandkasten und menschelte wie überall. Meist geht es in Wirtschaftsprozessen allerdings nur um das eine. Ums Geld.
mm: Nervt Sie das?
Peter Noll: Ich habe früher Tötungsdelikte verhandelt, Sexualstraftaten, Kinderschutzverfahren. Das fand ich belastend. Wenn es um Geld geht, verfolgt einen das nicht bis in den Schlaf.
mm: An welchen Mechanismen scheitern die Mächtigen denn zumeist?
Peter Noll: Mangelhafte Entscheidungsprozesse, unklare Strukturen. Und häufig wollen die Leute nicht einsehen, dass etwas nicht geklappt hat, und machen dann zu lange weiter, bis sie im Betrug landen.
mm: Überkommt Sie manchmal Neid, wenn Sie hören, wie prall es bei Ihren Angeklagten so zugeht?
Peter Noll: Kein bisschen, ich führe ein schönes Leben. In unserem Häuschen mit meiner Frau, unseren Kindern und ganz normalen, freundlichen Nachbarn.
mm: In Ihrer Nachbarschaft am Ammersee leben auch einige Wirtschaftsbosse. Machen die einen großen Bogen um Sie?
Peter Noll: Davon habe ich nichts bemerkt - privat kenne ich aber auch keinen.
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