"Qualityland" von Marc-Uwe Kling Unser Leben im Daten-Endstadium
Visionen für eine komplett von datengetriebenen Netzwerken durchdrungene Gesellschaft und Wirtschaft kennt man eigentlich eher aus den USA. Der dystopische Roman "The Circle" von Dave Eggers etwa, der sogar verfilmt wurde, fand viel Beachtung. Jetzt wagt sich ausgerechnet der Berliner Kabarettist Marc-Uwe Kling an das sperrige Thema. In "Qualityland" schafft er ein fiktives Land, in dem Bürger mit Namen wie "Peter Arbeitsloser" leben.
Das muss man als Leser erst mal akzeptieren, dann aber wird's interessant. Die Menschen in Qualityland haben längst keine Wahl mehr. Nach Feierabend erwartet sie zu Hause meist schon eine Drohne des Versandhändlers "The Shop". Die bringt auch Produkte, von denen die Empfänger gar nicht wussten, dass sie sich diese gewünscht haben - Amazon Prime im Endstadium. Zum Bezahlen muss das persönliche Tablet geküsst werden, da alle Fingerabdrücke längst durch Hacker kompromittiert sind. Zeitgenössische Kritiker biometrischer Zugangssysteme wie der Chaos Computer Club dürfen sich bestätigt fühlen.
Marc-Uwe Kling zeichnet in häppchenweise lesbaren Episoden eine Dystopie, die aber kein Gefühl der Beklommenheit hinterlässt, auch weil der Autor zentrale Trends unserer Datenökonomie bis ins Absurde weiterentwickelt. So wird daraus die Karikatur eines Monopolkapitalismus, der kaum noch Märkte im heutigen Sinne kennt: Verteilungsfragen werden automatisch durch Algorithmen im Hintergrund gelöst. Selbst die Partnervermittlung organisiert Dates ohne Zutun der Verabredeten.
Der Erzählung fehlt es zwar gelegentlich an Zugkraft, dafür erzeugt Kling Relevanz: Die Forderungen, die sein Held an das System stellt, werden von Netzexperten tatsächlich erhoben. Und der für Kling typische (Sprach-)Witz kommt in dem Buch natürlich auch nicht zu kurz. Der hat ihm mit den "Känguru-Chroniken" bereits viele Fans beschert.