Golf -Produktion in Wolfsburg: VW bekommt Rückendeckung vom Gericht und kann die benötigten Ersatzteile notfalls beschlagnahmen lassen
Foto: DPAIm Streit mit zwei streikenden Zulieferern aus Sachsen hat Volkswagen einen wichtigen Etappensieg errungen: Die beiden Zulieferer Car Trim aus Plauen und ES Automobilguss aus Schönheide sind laut einer Einstweiligen Verfügung des Landgerichts Braunschweig dazu verpflichtet, VW mit dringend benötigten Ersatzteilen zu beliefern. Gegen diese Verfügung hatte ES Automobilguss Einspruch erhoben. Dieser Einspruch hat jedoch keine aufschiebende Wirkung: Die Verfügung des Landgerichts ist trotz des Einspruchs vollstreckbar, teilte das Landgericht am Freitag mit. VW habe bereits entsprechende Anträge auf "Ermächtigung zur Ersatzvornahme" gestellt.
Das bedeutet: VW kann in Kürze Lastwagen auf den Weg schicken, um die Getriebeteile von ES Guss, die derzeit die Produktion des Golf und des Passat lähmen, notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers aus der Halle des Zulieferers zu beschlagnahmen und in die VW-Werke zu transportieren. Dies wäre ein einmaliger Vorgang in der deutschen Automobilindustrie.
Wünschenswert ist dieses Szenario aber für die Wolfsburger nicht. "Am allermeisten sind wir an einer gütlichen Einigung interessiert", betonte ein VW-Sprecher erneut gegenüber manager-magazin.de. Es gebe weiterhin Gespräche mit den beiden Zulieferern, hieß es bei VW. Über deren Verlauf oder deren aktuellen Stand wollte sich der Autokonzern aber auf Nachfrage nicht äußern.
"Zulieferer ist verpflichtet zu liefern. Doch das tut er nicht"
Allerdings stehe VW auch seinen Mitarbeitern und Aktionären in der Pflicht, sämtliche vorgesehenen gesetzlichen Mittel zu nutzen. Das Landgericht Braunschweig habe mit den einstweiligen Verfügungen festgestellt, dass die beiden Zulieferer unabhängig von dem laufenden Rechtsstreit ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen müssten. "Es liegt eine juristische Verpflichtung vor, vertragskonform zu liefern. Und das tun die Unternehmen nicht", so der Sprecher.
"Wir müssen die Lieferung in irgendeiner Art und Weise vorbereiten und zwar mit den zur Verfügung stehenden, gesetzlich vorgesehenen Mitteln", so der Sprecher. Dazu gehöre eben "eine Kaskade rechtlicher Mittel", die mit dem Gericht abgestimmt werden müsse. Doch Volkswagen versuche weiterhin, eine Einigung herbeizuführen.
Laut Verfügung des Gerichts ist ES Automobilguss dazu verpflichtet, die benötigten Teile ab 8. August und bis in den Februar 2018 hinein "auf Abruf" zu liefern. Über den Einspruch des Zulieferers wird am 31. August mündlich verhandelt. Doch bereits jetzt sei die Entscheidung, dass der Zulieferer die Teile zu liefern habe, vollstreckbar und mit entsprechenden Rechtsmitteln durchzusetzen.
Der Sitzbezughersteller Car Trim ist dazu verpflichtet, bis zum Mai 2017 die benötigten Bezüge auf Abruf zu liefern. Bei Zuwiderhandlung hat das Landgericht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft gegen den Geschäftsführer von Car Trim festgesetzt. Car Trim hatte gegen die Verfügung keinen Einspruch erhoben.
Schaden für Volkswagen noch nicht zu beziffern
Welchen Schaden Volkswagen durch den Zuliefererstreit, die Kurzarbeit und den angekündigten Produktions-Stopp in Wolfsburg und Emden und womöglich weiteren Werken davontragen wird, ist noch nicht abzusehen. In Emden laufen normalerweise täglich bis zu 1200 Passat-Modelle vom Band, in Wolfsburg bis zu 2000 VW-Golf. Händler werden auf diese Autos in den nächsten Tagen vergeblich warten.
Konzerne wie Volkswagen sind gegen Produktions- und Betriebsunterbrechungen versichert. Die Deckung dafür kaufen so genannte Inhouse Broker beziehungsweise das firmeneigene Versicherungsunternehmen (Captive) des Konzerns bei großen Industrieversicherern ein.
Ein Industrieversicherungsexperte rechnet allerdings nicht damit, dass VW hier Ansprüche gegenüber dem Versicherer geltend machen kann. "Die Produktionsunterbrechung in einzelnen VW-Werken geht ganz offensichtlich auf eine bewusste Entscheidung eines Zulieferers zurück - also nicht auf ein Feuer, einen Stromausfall oder ein anderes plötzlich eintretendes Ereignis, was die Lieferung verhindert. Damit dürfte es auch keinen Anspruch gegenüber der Versicherung geben", sagt ein Industrieversicherungsexperte in Gespräch mit manager-magazin.de, der nicht genannt werden möchte.
Mit anderen Worten: Im schlimmsten Fall bleibt Volkswagen auf dem Schaden durch den Produktionsausfall sitzen und müsste dann versuchen, sich auf dem Klageweg den Schaden vom Zulieferer ersetzen zu lassen.
Die deutsche Autozuliefer-Industrie ist eine Milliardenbranche. Der aktuelle Zoff zwischen BMW und Zulieferer Bosch zeigt zugleich, wie fragil die Lieferketten sind. Für die Zulieferer indessen laufen die Geschäfte derzeit prächtig: Die 100 größten Unternehmen der Branche haben ihren Umsatz im Jahr 2015 im Schnitt um 14 Prozent gesteigert. Das zeigt eine Untersuchung von Berylls Strategy Advisors, die manager magazin online vorliegt. Es war der höchste Umsatzzuwachs seit 2010. Mehr Geld floss deshalb in Forschung und Entwicklung - aber auch in strategische Übernahmen, wie unsere folgende Übersicht der 10 größten Zulieferer 2015 (nach Umsatz geordnet) zeigt ...
Platz 10: Michelin
Michelin ist der weltweit zweitgrößte Reifenhersteller, neben Pneus vertreiben die Franzosen auch Straßenkarten, Hotel- und Reiseführer sowie Navigationsgeräte. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um etwas mehr als 8 Prozent. Die 10 großen Reifenhersteller waren die profitabelste Zulieferergruppe.
Umsatz 2015: 21,2 Mrd. Euro (+8,4 Prozent)
Marge 2015: 12,2 Prozent (bezogen auf OI, also auf das Betriebsergebnis)
Platz 9: Johnson Controls
Der US-Zulieferer kommt aus der Haustechnik, im Automobilbereich fokussierte sich das Unternehmen auf Auto-Interieurs und Sitze. Das Interieurgeschäft lagert JC nun aus, das Sitzgeschäft wird abgespalten. Doch das Geschäft mit Starterbatterien und Akkus für Hybrid und Elektroautos bleibt. Die Zahlen von Berryls beziehen sich nur auf den Automotive-Bereich.
Umsatz 2015: 23,9 Mrd. Euro (+6,2 Prozent)
Marge 2015: 8,8 Prozent (bezogen auf EBIT)
Platz 8: Bridgestone / Firestone
Das japanische Unternehmen ist der weltgrößte Reifenhersteller, Herstellung und Zulieferung von Pkw-Reifen sind das Hauptgeschäft des Zulieferers. Daneben produziert Bridgestone auch Kunststoffschäume für Autositze und diverse Gummidämpfer.
Umsatz 2015: 24,1 Mrd. Euro (+13,5 Prozent)
Marge 2015: 14,9 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 7: Aisin
Der japanische Zulieferer gehört zur Toyota-Gruppe. Bekannt sind einige Aisin-Marken für Automatikgetriebe, manuelle Schaltungen und Bremsen. Aisin-Töchter sind aber auch im Bereich Gebäudetechnik tätig, stellt Laser her und produziert sogar Betten. Die Zahlen beziehen sich auf das Gesamtunternehmen.
Umsatz 2015: 24,1 Mrd. Euro (+20,7 Prozent)
Marge 2015: 5,5 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 6: ZF Friedrichshafen
Im Vorjahr war der deutsche Getriebespezialist noch auf Platz 11, durch die 12,4 Mrd. Dollar teure Übernahme des US-Unternehmens TRW landet ZF nun weiter vorne. Die Friedrichshafener haben mit TRW viel Kompetenz im Bereich Sicherheitssysteme und Sensortechnik für autonomes Fahren hinzubekommen.
Umsatz 2015: 27,4 Mrd. Euro (+69,4 Prozent; TRW-Übernahme noch nicht komplett konsolidiert)
Marge 2015: k.A.
Platz 5: Hyundai Mobis
Die Zulieferer-Tochter des fünfgrößten Autoherstellers Hyundai Kia deckt so ziemlich alles ab: Sie produziert Chassis- und Cockpitteile, Sicherheitsprodukte wie Airbags, Lampen oder ABS-Bremssysteme, Steuerkomponenten und Plastikteile. Hauptkunde ist der Mutterkonzern.
Umsatz 2015: 28,1 Mrd. Euro (+6,6 Prozent)
Marge 2015: 8,1 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 4: Magna
Die Bandbreite des kanadisch-österreichischen Zulieferers ist groß: Magna fertigt Innenräume, aber auch Antriebsstränge, Chassisteile und Elektronikkomponenten. Selbst ganze Autos produziert Magna als Auftragsfertiger und entwickelt auch serienreife Autokonzepte wie das hier abgebildete Elektroauto Mila. Im vergangenen Jahr übernahm Magna den deutschen Getriebehersteller Getrag.
Umsatz 2015: 29,4 Mrd. Euro (+3,9 Prozent)
Marge 2015: 8,2 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 3: Denso
Denso ist formal seit 1949 eigenständig, größter Anteilseigner ist aber noch immer die einstige Mutter Toyota. Die Japaner machen ein Drittel ihres Umsatzes mit thermischen Systemen wie Klima- und Kühlanlagen. Auch bei Motor- und Elektronikkomponenten sind die Japaner stark. In den Top 100 der Zulieferer finden sich 33 japanische Unternehmen - sie stellen damit die größte Landesgruppe.
Umsatz 2015: 34,3 Mrd. Euro (+17,9 Prozent)
Marge 2015: 8,0 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 2: Continental
Ja, Conti stellt nach wie vor Reifen her - doch längst produziert der Hannoveraner Konzern auch Antriebsstränge, Bremssysteme, und Antriebskomponenten. Stark ist der Dax-Konzern auch bei Fahrzeugelektronik, etwa bei Technologien für aktive und passive Sicherheit. Die Schuldenlast durch die Übernahme durch Schaeffler ist verdaut, Contis Kriegskasse ist über 5 Milliarden Euro gut für Übernahmen gefüllt.
Umsatz 2015: 39,2 Mrd. Euro (+13,7 Prozent)
Marge 2015: 10,5 Prozent (bezogen auf EBIT)
Platz 1: Bosch
Nach fünf Jahren Silbermedaillen ist Bosch auf Platz 1 zurück - die Kraftfahrzeugtechnik ist die umsatzstärkste Sparte. Branchenweit bekannt ist das Unternehmen für seine Sensoren, Motorelektronik und die Entwicklung von elektronischen Fahrsicherheits- und -assistenzsystemen. Zum Vorrücken auf Platz 1 beigetragen hat auch die Übernahme der restlichen 50 Prozent an ZF Lenksysteme.
Umsatz 2015: 41,7 Mrd. Euro (+12,1 Prozent)
Marge 2015: k. A.
(Umsatz nur für den Automotive-Bereich)
Wie soll es 2016 für die Branche weitergehen? Die Beryll's-Studienautoren Jan Dannenberg und Tobias Keil haben da eine klare Meinung: Das Jahr wird wie zuletzt deutlich besser ausfallen als die Prognosen. In China normalisiert sich der Markt, das reicht aber noch immer für Umsatzzuwächse zwischen 5 und 10 Prozent. Laut Beryll's kommt es auch zu weiteren Firmenübernahmen. Es scheine kaum ein Unternehmen in den Top 100 zu geben, das nicht an einer Transaktion arbeite, heißt es in der Studie.
Die deutsche Autozuliefer-Industrie ist eine Milliardenbranche. Der aktuelle Zoff zwischen BMW und Zulieferer Bosch zeigt zugleich, wie fragil die Lieferketten sind. Für die Zulieferer indessen laufen die Geschäfte derzeit prächtig: Die 100 größten Unternehmen der Branche haben ihren Umsatz im Jahr 2015 im Schnitt um 14 Prozent gesteigert. Das zeigt eine Untersuchung von Berylls Strategy Advisors, die manager magazin online vorliegt. Es war der höchste Umsatzzuwachs seit 2010. Mehr Geld floss deshalb in Forschung und Entwicklung - aber auch in strategische Übernahmen, wie unsere folgende Übersicht der 10 größten Zulieferer 2015 (nach Umsatz geordnet) zeigt ...
Foto: Franziska Kraufmann/ dpa
Platz 8: Bridgestone / Firestone
Das japanische Unternehmen ist der weltgrößte Reifenhersteller, Herstellung und Zulieferung von Pkw-Reifen sind das Hauptgeschäft des Zulieferers. Daneben produziert Bridgestone auch Kunststoffschäume für Autositze und diverse Gummidämpfer.
Umsatz 2015: 24,1 Mrd. Euro (+13,5 Prozent)
Marge 2015: 14,9 Prozent (bezogen auf OI)
Platz 6: ZF Friedrichshafen
Im Vorjahr war der deutsche Getriebespezialist noch auf Platz 11, durch die 12,4 Mrd. Dollar teure Übernahme des US-Unternehmens TRW landet ZF nun weiter vorne. Die Friedrichshafener haben mit TRW viel Kompetenz im Bereich Sicherheitssysteme und Sensortechnik für autonomes Fahren hinzubekommen.
Umsatz 2015: 27,4 Mrd. Euro (+69,4 Prozent; TRW-Übernahme noch nicht komplett konsolidiert)
Marge 2015: k.A.