Die besten Orte in Europa für Outdoor-Fans Wild, weit, weg

Die Wüste von Bardenas Reales of Navarra in Spanien
Foto: Getty ImagesDie Wildnis in Europa wird immer kleiner, doch ein paar letzte entlegene Gegenden gibt es noch. Neun Touren durch Moore, Steppen, Wüsten, Nebelwälder - samt Schlafstätte. Abenteuer light kann auch Abenteuer sein.
Die folgende Geschichte stammt aus der Juni-Ausgabe 2018 des manager magazins, die Ende Mai erschien. Wir veröffentlichen sie hier als Kostprobe unseres Journalismus' "Wirtschaft aus erster Hand". Damit Sie künftig früher bestmöglich informiert sind, empfehlen wir ein Heft-Abo.
Dass es in Europa noch Wildnis gibt, merkt man meist erst dann, wenn sie gerade verschwindet. Wie in Polen, wo derzeit vor aller Augen ein Weltnaturerbe abgeholzt wird: der letzte Urwald des Landes an der Grenze zu Weißrussland. Der EU-Gerichtshof verurteilte Warschau zu 100.000 Euro Strafe am Tag. Doch das Forstamt ist eine Institution. Und die macht auf den 63.000 Hektar, was sie will.
Oder in Österreich, wo die Rothschild-Erben unlängst 5412 Hektar Wald höchstbietend verkauft haben, darunter ein großes Naturreservat, ausgerechnet an die Wiener Prinzhorn-Gruppe. Eines der besten Jagdgebiete der Alpen gehört nun einem Papier- und Verpackungskonzern.
Nur noch ein Prozent der Landfläche des Kontinents ist geschützte Wildnis. Kaum mehr vorstellbar, dass zur Zeit des Römischen Reichs Mitteleuropa von dichten Urwäldern bedeckt war, mit so gewaltigen Bäumen, dass man unter ihren Wurzeln hindurchreiten konnte, wie der Chronist Tacitus schrieb.
Immerhin: Ein paar entlegene Gegenden haben sich gehalten. Und plötzlich wollen sie alle hin. Da lernen Großstädter, Feuer mit dem Holzstab zu machen, grillen Käfer, schlucken Regenwürmer. Da werden millionenfach Bücher über den Wald ("Das geheime Leben der Bäume") verkauft, das Unterholz zum Digital-Detox-Camp verklärt. Alles auf Aus im Geäst.
Die Sehnsucht nach Weltflucht ist uralt. Schon vor 164 Jahren erschien "Walden oder Leben in den Wäldern" von Henry David Thoreau, dem Sohn eines Bleistiftfabrikanten. Er lieh sich eine Axt und baute in Concord, Massachusetts, eine Waldhütte am See, pflanzte Bohnen, sammelte Heidelbeeren. Von seinem Buch verkaufte er 2000 Exemplare, nach zwei Jahren gab er das Experiment auf. Erst später wurde das Werk zur Aussteigerbibel Nummer eins. Heute ist die Blockhütte am Walden Pond eine Pilgerstätte aller "Zurück zur Natur"-Jünger. Es gibt Magazine und sogar ein Computerspiel namens "Walden" (aus Kalifornien).
War die Wildnis früher noch ein Luxusgut für die Reichen und Mächtigen, hier entspannte man sich, schmiedete Allianzen, ist Wildnis heute für alle zu haben. Am liebsten light: Für eine Woche keinen sehen, nur Bäume, Fische oder beigerotes Geröll - aber am Ende des Tages statt Laublager ins Luxushotel. Wir haben da mal was für Sie zusammengestellt.
Wie auf dem Mond

Sieht aus wie Arizona: das Niemandsland bei Tudela im Nordosten von Spanien. Hunderte Statisten schleppten sich für die Dreharbeiten von "Game of Thrones" hier durch den Staub. Die von Regen und Wind geformte Landschaft, die Halbwüste mit dem Sandsteinfelsen Castil de Tierra wurde in der Serie zum Dothrakischen Meer. Früher war die ganze Bardenas Reales militärisches Sperrgebiet, seit 2000 Biosphärenreservat der Unesco (mit 24 Raubvogelarten, Wanderfalke, Steinadler, Geier). Nicht nur für Locationscouts ein Traum: 40 Kilometer Schotterpiste, ein Naturpark. Wie auf dem Mond fühlt man sich in den Bubble Rooms des Hotels "Aire de Bardenas". Wären da nicht die Windräder, die gestapelten Obstkisten, das Weizenfeld - und das Gebläse. Wer wach liegt, zählt die Sterne.
"Aire de Bardenas", DZ ab 265 Euro, airebardenas.com
Tour: Bilbao - Tudela - "Aire de Bardenas" - Bardenas Reales, 240 km, 3,5 Std.; www.spain.info/de
Wald im Nebel

Garajonay-Nationalpark auf La Gomera
Gomera wirkt im Garajonay-Nationalpark wie aus der Zeit gefallen. Bartflechten hängen von gekrümmten Bäumen, Moose, meterhohe Farne. Ein subtropischer Urwald aus Lorbeer- und Erdbeerbäumen - und Pflanzen, die es auf dem Festland seit der Eiszeit nicht mehr gibt. An einer Steilklippe liegt das beste Hotel der Hippie-Insel, mit Pool und bei einem alten Wachturm.
"Parador Nacional de la Gomera", DZ ab 120 Euro, www.parador.es Tour: Agulo - Vallehermoso - El Cedro - Hermigua, 60 km, 2 Std.; la-gomera.gequotravel.de
Schlafen wie der Zar

Ein Aufschrei, wenn Polen zur Axt greift: 150.000 Bäume wurden im letzten Tieflandurwald Europas, an der weißrussischen Grenze, gefällt, seit 1979 Unesco- Welterbe. In Biaowiea leben Luchse, Wölfe, Elche und Wisente. Das Wildrind galt in Westeuropa schon als ausgestorben. Mit einigen Tieren aus Zoos rettete man die Art, wilderte sie hier 1952 aus, im ehemaligen Jagdrevier polnischer Könige und der Zaren. Offizielle Begründung für die Rodungen: Borkenkäfer und Waldbrandgefahr. Umweltschützer glauben, dass es um Geld geht - Holz ist wertvoll. Wer schnell noch mal hin - will, kann wie Nikolaus II. in der Bahnstation speisen, die 1903 für seinen Privatzug gebaut wurde, in der Banja schwitzen und im Salonwagen schlafen - absolut still, wenn die Sägen schweigen.
"Carska", DZ ab 85 Euro, www.carska.pl Tour: Biaowiea - Janowo - Stare Masie - wo, 36 km, 1 Std.; www.polen.travel/de
Lachse satt

Gehörte mal einem Maharadscha - "Ballynahinch Castle", das luxuriöse irische Schlosshotel von 1756 -, heute dem drittreichsten Iren: Medienmogul Denis O'Brien. Die 17.611 Hektar Fanggebiet gelten als Dorado für Fliegenfischer. Bis zu fünf Kilo wiegen Atlantische Lachse, die hier durch Flüsse und Seen ziehen. Geangelt wird bis Ende September. Auch beliebt: die Tour mit dem Hummerfischer zur Insel Inish - lacken. Auf dem Weg zum Connemara Nationalpark sieht man außer Schafen, Bergen, Seen lange niemanden, außer am meistfotografierten Ort Derryclare Lough und der Quiet Men Cottage (Dreharbeiten mit John Wayne). Leerer ist der Strand von Renvyle.
"Ballynahinch Castle", DZ ab 300 Euro, ballynahinchcastle.com Tour: "Ballynahinch Castle" - Derryclare Lough- Lough Inagh - Kylemore Abbey - Renvyle Beach - Letterfrack - The Quiet Man Cottage - "Ballynahinch Castle", 130 km, 3 Std.; www.ireland.com
Nächster Halt: Nordpol

2010 kaufte der norwegische Polarforscher Børge Ousland 22 Hektar Land: Manshausen, auf der Höhe der Lofoten. Die Insel im Steigen-Schärengarten im Norden Norwegens war früher ein wichtiger Hafen der Fischer und Seeleute - und hat die höchste Dichte an Seeadlern. Heute kommen Nordlichtfans, Naturfreaks und Outdoorsportler in sein kleines Urlaubsresort (von der Architekturplattform Architizer ausgezeichnet) mit Küche, Bücherei, zwei Hot Pools, einem Salzwasserpool und Strand. Im Haupthaus aus dem 18. Jahrhundert wird gemeinsam gegess en. Es gibt Yoga, Kochkurse, Angel-, Kletter-, Tauch-, Segelund Kajakausflüge, im Winter Abfahrtski. Ousland hat drei moderne Hütten gebaut. Sie ragen über das Wasser. Eine steht auf einem Felsen, im Sommer kommen drei neue dazu, alle benannt nach Expeditionen. Nur hier sitzen und rausgucken reicht aber auch schon.
"Manshausen", Hütte ab 400 Euro, www.mans hausen.no/en Tour: Bodø - Nordskot - Manshausen, 225 km, 3 Std. 20 Min.
Schottenrockys

Lesen, Whisky trinken - im "Hen House", gebaut aus schottischer Lärche auf der Isle of Skye. Pressspan innen, Ton in Ton mit der kargen Landschaft, etwas leuchtendes Gelb, schwarze Ledersofas, ein Holzofen und viel Glas, draußen liegt Loch Bracadale. Perfekt im Herbst, wenn sich alles verfärbt, es leerer wird auf Skye. Damit die Lieblingsinsel der Schotten nicht überrannt wird, riet man im vergangenen Jahr zur Hochsaison Touristen, nur über die Brücke zu fahren, wenn sie eine Unterkunft haben. Nur halb so einsam: "The Bridge B&B" in Kilmaluag, ganz im Norden, wo die Wege schmaler werden, bei Dunkelheit, Sturm, Nebel an der Klippe entlang - keine langweilige Anreise.
"Hen House", eine Woche ab 790 Euro, www.urlaubs architektur.de Tour: Glen Sligachan - Talisker - Old Man of Storr - "The Bridge B&B" - Glen Sligachan, 3 Std., 140 km; visitscotland.com
Endzeitstimmung

Wie aus einem David-Lynch- Film: Seevögel, Beton, ein alter Kalksteinbruch, Ödnis. Eine Straße führt von Gotland, Schwedens größter Insel, auf die viel kleinere: Furillen. Vier Quadratkilometer, winzig. Bis in die 90er militärisches Sperrgebiet, nun kommen Fotografen, wegen des Lichts - und "Fabriken Furillen". Das Hotel im stillgelegten Kieswerk, Postindustrieromantik de luxe. Auf der Nachbarinsel Fårö mit ihren Rauken (bizarre Kalksteinsäulen, Reste eines Korallenriffs) lebte Ingmar Bergmann.
"Fabriken Furillen", DZ ab 230 Euro, www.design hotels.com Tour: Visby - "Fabriken Furillen" - Bergmancenter, Fårö - Langhammar, 2,5 Std., 92 km, www.gotland.com
Wilder Fluss und Weltküche

Urlaubsunterkünfte in Nebesa über dem Soca Tal
Foto: Nebesa.si"Nebesa" bedeutet Himmel auf Slowenisch. So ist es dort, in vier modernen Hütten über dem So¿a- Tal. Acht Gäste maximal, Saunen auf 900 Metern Höhe - und Sicht bis ins Friaul. Drum herum nur Rotwild, der nächste Nachbar ist zwei Kilometer weg. Und in zwölf Kilometer Entfernung die weltbeste Köchin ("50 Best Restaurants"): Ana Ro, Ex-Skirennläuferin, die in Kobarid auftischt. "Hia Franko" kennen seit der "Chef's Table"- Folge selbst Asiaten. Nicht nur sie standen plötzlich vor der Tür. Abspecken kann man beim Rafting in Bovec.
"Nebesa", DZ ab 340 Euro, www.urlaubsarchitektur.de Tour: Bovec - "Nebesa" - Kobarid - Javorca- Kirche, 2 Std., 88 km; www.hisafranko.com, www.socarafting.si
Unter Bären

Mit dem Motorrad fuhr Daniele Kihlgren, rebellischer Zementwerkerbe mit Philosophiestudium, 1999 durch die Abruzzen, wo noch Bären und Wölfe leben - und kaufte sich ein Drittel des Dorfs, dessen stille Schönheit ihn begeisterte: Santo Stefano di Sessanio. Millionen steckte er hinein, bis die Mutter ihn enterben wollte. Erst waren die Einwohner misstrauisch, heute sind sie dem 52-jährigen Mailänder dankbar. Im Designhotel "Sextantio Albergo Diffuso" (erdbebensicher saniert) dominiert "Arte Povera": Kerzen, offene Kamine, kein Kühlschrank, Fernsehen oder Telefon (aber Internet). George Clooney war auch schon da.
"Sextantio Albergo Diffuso", DZ ab 160 Euro, www.designhotels.com Tour: "Sextantio Albergo Diffuso" - Parco Sirente Velino, 55 Min., 43 km; 150 km bis Rom; www.parcosirentevelino.it