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German Design Award 2017: Das sind die Sieger

Die Sieger des German Design Award 2017 Faltbare Badewannen und Hängekamine

Faltbare Badewannen, Fitnessflieger und Hängekamine - Neuheiten made in Germany sind nur selten revolutionär. Schön sind sie trotzdem.

Eine Verabredung mit der Designerin Carina Deuschl ist gar nicht so einfach. Nein, ihre Wohnung stehe dafür nicht zur Verfügung, und ein eigenes Atelier habe sie noch nicht. Sie sei auch gerade auf dem Sprung zu ihren Eltern, führe ein Nomadenleben zwischen der Akademie, wo sie eine Assistenzstelle habe, ihrem Heimatort und ihrer Wohnung.

Also trifft man sie in einem Café am Wiener Platz in München, sie ist pünktlich, steht aber noch draußen, schwarze Locken, weiße Bluse, schwarze Hose, schwarzer Rucksack, neben sich einen schwarzen Dokumentenkoffer, und spricht in ihr Handy.

Das Stück, für das sie jetzt von der Jury des Frankfurter Rats für Formgebung beim German Design Award 2017 mit Gold ausgezeichnet wurde, passt irgendwie zu ihr: eine schwarz-weiße Badewanne, und zwar eine mobile. Ein faltbares schwarzes Carbongerüst mit einer weichen, textilen weißen Wanne. In gefaltetem Zustand gerade mal knapp einen Zentimeter dick und bequem unter den Arm zu klemmen. Für Nomaden eben.

Bislang gibt es nur einen Prototyp, noch gibt es keinen Hersteller. Man kann die Wanne also nicht kaufen, obwohl die Erfinderin täglich E-Mailanfragen aus der ganzen Welt bekommt. "Das Interesse ist extrem groß." Sie ist selbst überrascht.

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Carina Deuschl hat zeitgleich Kunstgeschichte und Innenarchitektur studiert und mag's am liebsten mobil: eine aufblasbare Obstschale aus einer aluminiumbeschichteten Polyesterfolie, ein tragbares Radio, das als Expander funktioniert und betrieben wird, ein Schaukelstuhl aus Luftmatratzen statt Polstern. Und jetzt die Wanne, einem "ganz persönlichen" Bedürfnis entsprungen: "Mein Wunsch war, eine Badewanne zu haben, die ich auch mal durchs Wohnzimmer tragen kann."

Kaminöfen, Kindersitze, Regenwassertonnen - rund 4000 Produkte wurden dieses Jahr für den Designpreis 2017 eingereicht beim Rat für Formgebung, dem ältesten und renommiertesten Gestaltungsgremium der deutschen Wirtschaft mit fast 250 Mitgliedsfirmen. Bei der Verteilung der Goldmedaillen ließ sich die 48-köpfige Jury leiten von Kriterien wie "User Experience, Benutzerfreundlichkeit und zielgruppengerechtem Design", so Andrej Kupetz, Geschäftsführer des Rates. "Alles dreht sich um den Nutzer und seine Bedürfnisse."

Eine neue Kategorie ist in diesem Jahr das Universal Design, ein Konzept, nach dem Produkte so gestaltet werden, dass sie für so viele Menschen wie möglich, auch solche mit eingeschränkten Fähigkeiten, nutzbar sind. Barrierefreier Zugang für alle.

Innovationen fallen hiesigen Formgebern schwer

So weit, so ehrenwert. Womit sich hiesige Formgeber aber nach wie vor schwertun, seien echte Innovationen, beklagt Kupetz. Die ingenieursgetriebene Industrie setze immer noch stärker auf die Weiterentwicklung bestehender Produkte als auf die Erfindung komplett neuer Dinge. Evolution statt Revolution.

Die Potenziale neuer Technologien würden oft nicht erkannt. Das Gespür für Märkte und sich wandelnde Kundenbedürfnisse sei oft unzureichend entwickelt. Man baue lieber die siebte Generation des VW Golf anstatt wie Tesla die Elektromobilität neu zu erfinden und für ein breites Publikum attraktiv zu machen. "Wenn wir uns anschauen, wie das Neue in die Welt kommt, dann blicken wir vor allem über den großen Teich", sagt Kupetz. Von ein paar Ausnahmen abgesehen.

Das Haus der Innovation, ein fünfgeschossiger Bau in München-Schwabing, ist so eine. Dort sitzt Hyve, "the innovation company". Die Firma, vor 16 Jahren als Start-up gegründet, entwickelt mit 72 Mitarbeitern Produktneuheiten für Großkonzerne, von Adidas und Airbus bis zu Vodafone und Volkswagen. Open Innovation lautet das Motto, ein erstmals geübter Ansatz, der versucht, sich in einem offenen Entwicklungsprozess an den wahren Wünschen der Kunden zu orientieren. Nicht an den zumeist nutzlosen Markterhebungen.

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Schon der Name soll Programm sein. Hyve, erläutert Michael Schmidt, ein drahtiger, hochtouriger 49-Jähriger und einer von drei CEOs, sei eine Wortmischung aus "Hive" für Bienenstock und "Hype", weil man bienenfleißig sein und Trends erschaffen wolle. Was dem Erfinderteam um Schmidt gerade mit seiner Virtual-Reality-Fitnessstation "Icaros" gelungen ist: ebenfalls Gold beim Designpreis.

Das Objekt steht in einem kleinen Raum zwischen lauter Büros: ein insektenartiges, vierarmiges weißes Metallgestell auf schwarzem Sockel, komplett kabellos und vollkardanisch aufgehängt und damit dreidimensional beweglich, gepolsterte Stützschalen für Unterschenkel und Unterarme.

Wer sich die dazugehörige Virtual-Reality-Brille aufsetzt und sich dem Gestell anvertraut, kann mit der Kraft seiner Bewegungen einen Gleitflug über zackige Berggipfel und durch bizarre Schluchten steuern, mit allen optischen und sensorischen Reizen, bei Bedarf auch im Battle-Modus, gegen Angreifer. Ein schweißtreibender Spaß zum Preis von 7500 Euro.

Die Idee stammt von Johannes Scholl (29), er wollte "Spiel und Training verbinden". Jetzt hat er zwei Zielgruppen auf einmal. Über 50 Geräte hat Hyve schon ausgeliefert, zwei hat die Lufthansa geordert, Samsung betreibt sie in den Stores, in denen die Brillen angeboten werden. Auf der vergangenen Consumer Electronics Show in Las Vegas hätten sie Begeisterungsstürme ausgelöst, sagt Designer Scholl. Die Kommentare: cool, Wahnsinn, macht Bock! Das fand auch die Jury.

Toys for Boys in Mattschwarz und Titan

Eher klassisch geht es dagegen bei einem anderen der Gold-Gewinner zu, im Studio F. A. Porsche in Zell am See, Österreich, seit 1972 eine feste Designgröße. Dieses Jahr mit einem vergleichsweise unscheinbaren Objekt: der Uhr "1919 Datetimer Eternity" (ab 2950 Euro).

Die schlichte kreisrunde Dreizeigeruhr mit schwarzem Zifferblatt, das Gehäuse aus matt glänzendem Titan, das Werk zugekauft, nichts Besonderes, das Ganze aber versehen mit luftig skelettierten Bandanstößen, was den Zeitanzeiger förmlich am Handgelenk schweben lässt. Die Uhr ist gedacht als Reminiszenz an ein legendäres Auto, den Porsche 356. Der ging im März 1950 an den Start, die Motorhaube noch mit Lederriemen verschlossen. Und sie ist eine Reverenz vor dem Bauhaus, dessen Gründungsjahr 1919 trägt das Modell im Namen.

Roland Heiler, ein kantiger 58-Jähriger, ganz in Schwarz und Nachfolger des Studiogründers, hat sein kleines Chefbüro direkt gegenüber dem deutlich größeren von F. A. Porsche, dem Bruder von Wolfgang Porsche und Cousin von Volkswagen-Übervater Ferdinand Piëch. Seit dem Tod von F. A. 2012 liegt es unberührt, als wäre der Inhaber gerade mal für eine Stunde außer Haus, die Regale voller Bücher, die Wandschränke voller Automodelle, Urkunden, Rallyeplaketten und Erinnerungsfotos an den Wänden. Eine Kultstätte.

Design Award 201726 Mal Gold - Gute Form für Gartenbank, Kaminofen und Sonnenbrille

Objekt Hersteller Design
Audi Q2 Pkw Audi Audi
Blayn Registrier-Kasse Blayn Blayn
BMW Vision Next 100 BMW Group BMW Group
Xtend Badewanne Carina Deuschl Carina Deuschl
Integrated 205 Folding Door Centor Centor
Luctra Human Machine Interface Durable Hunke Jochheim Yellow Design
Cook Serve Kochgeschirr Eschenbach Porzellan Eschenbach Porzellan
Slimfocus Kaminofen Focus Cheminées Focus, Atelier D. Imbert
Tamal-S Sonnenbrille Götti Switzerland Götti Switzerland
Axor Citterio Select Küchenarmat. Hansgrohe Antonio Citterio etc.
Forest Helmet Technical Husqvarna Deutschland Gardena Manufacturing
Icaros VR-Fitnessstation Hyve Hyve Innovation Design
Infento Bausatzsystem Infento Infento
UPis1 Hocker Interstuhl Büromöbel Id Aid
Loewe Bild 7 TV Loewe Technologies Loewe Technologies
Mito Pendelleuchte Occhio Occhio
Neo Regenwasser-Tank Premier Tech Aqua Lormp Universallaborator.
1919 Datetimer Eternity Uhr Porsche Design Timepieces Studio F. A. Porsche
Diamond JKT E-Bike-Jacke Pure Electric E-Bike Clothing Veronica Stampacchia
Zero.1 Elite Kindersitz Recaro Child Safety Recaro Child Safety
Teamconnect Konferenzsystem Sennheiser Electronic Sennheiser Schweiz
Ignite Series Sicherheitsgurt Skylotec Skylotec
Collection-MDF patterned Strasser Strasser
Promaster Bandagen Thuasne Deutschland f/p Design
Kobold VK200 Staubsauger Vorwerk Vorwerk
Campus Levis Modular System Westeifel Werke Büro Wehberg

Das gilt auch für das gesamte Studio. Es werde im Sinne und in der Haltung des Gründers fortgeführt, sagt Heiler. Will heißen: Ein gutes Produkt muss seine Funktion erfüllen und zugleich dem ästhetischen Anspruch genügen. Die typische Farbe ist Schwarz, das typische Material gebürsteter Edelstahl oder Titan, die Formensprache ist maskulin. "Toys for Boys" beschreibt Chef Heiler die Marken-DNA.

Das 30-Mann-Studio entwirft hauptsächlich für die Marke Porsche Design, aber auch für externe Kunden: Jachten für Milliardäre, Kaffeeautomaten, Küchenmaschinen bis hin zu Kleidung.

Uhren indes waren immer ein Topthema von Porsche. Der legendäre Chronograf "1" war sein erstes Produkt nach der Gründung des Designstudios, ganz in Schwarz, Anfang der 70er Jahre ein ästhetischer Knaller. Inzwischen hat Heiler sogar eine Uhrentochter in der Schweiz gegründet, die Timepieces AG in Solothurn.

Bei allem Konservatismus seines Hauses müsse gutes Design eben immer etwas erfinden, was es vorher so nicht gab, sagt Heiler. Für die Wanne von Carina Deuschl gilt das auf jeden Fall.

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