Manager des Jahres: Lufthansa-Chef Carsten Spohr Der Kampfpilot

Lufthansas Lenker: Carsten Spohr.
Foto: Michaela Rehle/ REUTERSDie folgende Geschichte stammt aus der Dezember-Ausgabe des manager magazins, die Ende November erschien. Wir veröffentlichen Sie hier als Kostprobe unseres Journalismus' "Wirtschaft aus erster Hand". Damit Sie künftig früher bestmöglich informiert sind, empfehlen wir ein Heft-Abo.
High Noon mit Blick aufs Rollfeld. Jeden Mittag um Punkt zwölf kamen sie ins Büro von Carsten Spohr (50), vis-à-vis dem Frankfurter Flughafen, setzten sich an den langen grauen Tisch vor dem Panoramafenster und sprachen die nächsten 30 Minuten nur über ein Thema: wie es weitergeht mit Air Berlin.
Gleich nach der Pleitemeldung aus der Hauptstadt, am 15. August, hatte der Lufthansa-Chef die Runde einberufen - den kompletten Vorstand, dazu vier Bereichsmanager und Spohrs Büroleiter, insgesamt zehn Personen. Sie konferierten jeden Tag, auch am Wochenende, dann per Telefon. Das Prozedere war immer gleich: Erst ging es um die allgemeine Lage und den Bieterkampf, dann um politische Fragen und die eigene Kommunikation, schließlich um praktische Dinge: Arbeitsverträge für neue Mitarbeiter oder die Routenplanung.
Nach einem Monat wurden die Treffen seltener, inzwischen reicht ein wöchentliches Update - die Taskforce ist am Ziel.
Sofern die Kartellwächter zustimmen, kann die Lufthansa (Kurswerte anzeigen) den Großteil der ehemaligen Nummer zwei des Landes übernehmen. Ein Triumph für Carsten Spohr, der schon lange ein Auge auf den trudelnden Rivalen geworfen hatte.
Auf lauten Jubel muss der siegreiche Stratege trotzdem verzichten. Manche halten ihm vor, er habe sich unfair angeschlichen. Andere warnen vor einem neuen Monopol mit entsprechend hohen Preisen. Spohr beschwichtigt: "Ich wäre schon froh, wenn die Preise nicht weiter sinken." Und er verweist darauf, dass nicht er es war, der Air Berlin ruiniert hat. Tatsächlich haben das Geldgeber Etihad und Großmanager wie Joachim Hunold (68) und Hartmut Mehdorn (75) ganz allein geschafft.
Die Börse feiert derweil das erstaunliche Comeback der Lufthansa. Nach harten Jahren, vergangenen Herbst wäre sie fast aus dem Dax geflogen, produziert die Airline eine Erfolgsmeldung nach der anderen.
- Vorbei die Zeiten, da der Kranich von übermächtigen Rivalen umstellt schien - von aufgeputschten Golf-Carriern, einer entfesselten Turkish Airlines, Billig-Brechern wie Ryanair. Heute schwächeln die Angstgegner von einst. Die Lufthansa hingegen erreicht Bestform, 2017 verspricht ein Rekordergebnis.
- Ausgestanden der Albtraum ständiger Pilotenstreiks, Spohr hielt dem Druck stand, setzte Kostensenkungen im Cockpit durch und mehr unternehmerische Freiheit.
- Die unrund gestartete Zweitmarke Eurowings steigt dank des Berliner Brockens zu einer europäischen Himmelsmacht auf - mit Chancen auf weitere Übernahmen.
Gewiss, auch die Umstände sind günstig: die deutsche Hochkonjunktur, das billige Kerosin. Doch vor allem profitiert der Lufthansa-Kapitän jetzt von seinem mutigen Reformwerk. Der Umbau hätte ihn den Job kosten können. Viele Piloten wollten ihn am liebsten wegstreiken. Er blieb bei seinem Kurs. Und erntet auch dafür eine der höchsten Auszeichnungen im Wirtschaftsleben. Die Jury des manager magazins wählte Carsten Spohr zum Manager des Jahres 2017.

Der Preisträger freut sich über die Anerkennung, sein Lächeln bleibt dennoch kontrolliert. Der Kampf der vergangenen Jahre steckt ihm in den Knochen. Er hat oft genug erlebt, wie schwierig Veränderungen in dem Traditionskonzern mit seinen gut 120.000 Beschäftigten und bald 130 Millionen Gästen pro Jahr durchzusetzen sind. "Alle sagen: ,Machen Sie mal, Herr Spohr!'", schildert er seine Erfahrung, "aber wenn Sie tatsächlich etwas ändern, formiert sich sofort Widerstand."
Das gilt auch bei manchen Vielfliegern. Die mögen die ökonomischen Zwänge durchaus verstehen, gleichwohl murren sie, wenn am Heimatflughafen nur noch Eurowings zum Einsteigen bereitsteht und nicht mehr die echte Lufthansa.
Die Freude der Air-Berlin-Gemeinde über die immerhin 3000 Arbeitsplätze, die die Lufthansa bietet, hält sich ebenfalls in Grenzen. Ganz Hysterische lancierten im Oktober sogar eine Bombendrohung gegen einen Air-Berlin-Flug nach Sardinien - sie hatten mitbekommen, dass der Lufthansa-CEO auf der Passagierliste stand. Der hatte zwar aus ganz anderen Gründen frühzeitig storniert, trotzdem wurde der Flug abgesagt.
Verständlich, dass Spohr vermeidet, sich allzu stolz zu strecken - er würde womöglich noch mehr Angriffsfläche bieten.
Dabei ist es schon ein kleines Wunder, dass er überhaupt auf seinen Posten kam. Denn der vormalige Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber (70) hätte lieber einen anderen ernannt.
Als Spohrs Vorgänger Christoph Franz (57) im September 2013 nach kaum drei Jahren an der Spitze seinen Rückzug ankündigte (in der Schweiz wartete beim Pharmariesen Roche ein ruhigerer und besser bezahlter Job auf ihn), suchte Mayrhuber monatelang nach externem Ersatz. Spohr sei dem Aufseher suspekt gewesen, sagen Insider. Der flamboyante Kerl hatte - obwohl Wirtschaftsingenieur - als Pilot bei der Lufthansa begonnen und war erst später ins Management gewechselt. Kann so einer den Cockpitkräften wehtun?
Zudem hielt der Oberaufseher ihm angebliche Fehlentscheidungen vor. Als Chef der Passagierflugsparte, also des Kerngeschäfts, habe Spohr zu spät modernisiert und sich von Zulieferern übertölpeln lassen.

Doch der Arbeitsmarkt gab keinen anderen Kandidaten her. Carsten Spohr übernahm. Mit viel skeptischen Glückwünschen.
Hat er sich gerade deshalb mit den Piloten angelegt? Er bestreitet das. Die Tarifreform im Cockpit sei unverzichtbar gewesen, sagt Spohr. Nicht allein wegen der hohen Kosten, sondern auch wegen der Lähmung des Unternehmens.
Der alte Konzerntarifvertrag schrieb pedantisch vor, welche Flugzeugtypen in welcher Flottenstärke zum Einsatz kommen, wohin sie fliegen dürfen und mit welchen Kräften in der Kanzel. Eine große Zweitmarke wie Eurowings wäre unmöglich gewesen, ebenso der Air-Berlin-Deal. Sollte die Lufthansa lieber in Schönheit vergehen, als Abstriche an ehernen Privilegien zu machen? "Es war ein fundamentaler Richtungsstreit", fasst Spohr zusammen. Den er gewinnen musste.
Eineinhalb Jahre, prophezeiten ihm Vertraute, werde die Auseinandersetzung wohl dauern. Am Ende waren es dreieinhalb Jahre. Denn auch für die meisten der 5400 Piloten ging es um Sein oder Nichtsein. Sie attackierten den Neuen heftiger als jeden seiner Vorgänger.
Als Spohr im Mai 2014 offiziell antrat, hatte er schon den ersten Pilotenstreik hinter sich. Bis zum März des folgenden Jahres waren es zwölf Ausstände. Keineswegs ohne Wirkung.
Vordergründig schworen sich die Lufthansa-Oberen Einigkeit. Tatsächlich wurde es einsam um den Frontmann. Die Zahlen schlecht, überall lag er im Clinch, nicht nur mit der Vereinigung Cockpit, sondern auch mit den Gewerkschaften Ver.di und Ufo. "Damals kam eine für Spohr gefährliche Stimmung auf", berichtet ein Ex-Kollege. "Es hieß: Chefs sind dazu da, Lösungen zu finden. Und wenn dieser Chef das nicht kann, ist er vielleicht der Falsche."
Die 13. Streikrunde war bereits in Sichtweite, da erschütterte ein bis heute unfassbares Ereignis das Unternehmen, das Land, die Welt. Am 24. März 2015 steuerte ein Pilot des Germanwings-Flugs 9525 seinen Airbus absichtlich gegen eine Felswand. Alle 150 Insassen starben.
Eine Frage des Charakters
Kein Manager kann auf so etwas vorbereitet sein. Die Versuchung ist dann groß, Untergebene vorzuschicken, wie vor einer Weile geschehen bei einem tödlichen Chemieunfall in Ludwigshafen. Für Spohr kam das nicht infrage. "Man kann in diesem Job nicht die angenehmen Dinge mitnehmen", sagt er, "und sich dann wegducken, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert." Er stellte sich der Öffentlichkeit und - noch wichtiger - den Hinterbliebenen, erlebte Momente, die zu den traurigsten seines Lebens zählen.

Spohr und der damalige Germanwings-Chef Thomas Winkelmann in der Nähe in der Nähe des Germanwings-Absturzes in den französischen Alpen.
Foto: © Jean-Paul Pelissier / Reuters/ REUTERSSein authentisches Auftreten brachte ihm viel Respekt ein. Zumindest am menschlichen Format des Managers gab es danach keine Zweifel mehr.
Das erhoffte Zusammenrücken im Konzern jedoch blieb aus, der Arbeitskampf lebte wieder auf. Spohr nahm die nächste Eskalationsstufe: Konterte einen einwöchigen Streik mit maximaler Sturheit ("Lieber eine Woche ohne Lufthansa als irgendwann ganz ohne Lufthansa"). Schob gleichzeitig die neue Eurowings an. Sie ersetzte nicht nur Germanwings, sie brach dank einer geschickten Konstruktion auch aus dem umstrittenen Tarifvertrag aus. Ein Druckmittel war gefunden: Gibt es keine Zugeständnisse, wächst nur noch Eurowings.
Im Februar dieses Jahres schien der Kampf trotzdem verloren. Um wenigstens ein bisschen voranzukommen, stimmte der Lufthansa-Vorstand für einen Teil der strittigen Punkte einer Schlichtung zu. Heraus kam, dass die Piloten noch mehr Geld bekommen sollten. Von der erhofften Ersparnis keine Spur.
Spohr erinnert sich noch genau daran. Er war dienstlich in Delhi, saß in seinem Hotelzimmer. Aus Frankfurt bekam er den Entwurf einer Pressemitteilung zugeschickt. "Lufthansa nimmt Schlichterempfehlung an", stand da. Der Vorstandschef zückte seinen Kuli, verlängerte die Überschrift mit einem "und beschließt gleichzeitig Kostenkompensation".
Er kündigte einen Lufthansa-Klon außerhalb des Tarifs an, dem Original zum Verwechseln ähnlich. Vom Start weg gleich 40 Maschinen. Der Streit kippte endgültig in alttestamentarische Muster: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Die Vereinigung Cockpit lenkte ein, weil sie nicht riskieren wollte, am Ende ganz ohne Flotte dazustehen. Viele Piloten fragen sich heute, warum sie für dieses Ergebnis so lange gestreikt haben. Gesiegt hat Spohrs Sturheit.
Im Fall Air Berlin hingegen musste er lernen, dass Entschlossenheit allein nicht reicht. Mit dem Berliner Konkurrenten hätte er sicher leben können. Der Geldgeber im Hintergrund aber, Etihad aus Abu Dhabi, brachte ihn immer wieder in Wallung. Denn der griff, von den staatlichen Gasmilliarden überreichlich genährt, auf breiter Front nach den besten Kunden der Lufthansa. Alle Versuche, Etihad zurückzudrängen, scheiterten.
Tödliche Umarmung
Deftig die Niederlage für Spohr, als ein Gericht vor knapp zwei Jahren die umstrittenen Gemeinschaftsflüge von Etihad und Air Berlin genehmigte. Die Lufthansa hatte heftig dagegen opponiert und sogar die Bundesregierung auf ihre Seite gezogen. Es half nichts.
Also vergaß Spohr seine alten Sprüche und fühlte bei Etihad-Boss James Hogan (60) vor, ob man nicht lieber kooperieren solle. Der biss sofort an, sah eine Chance, seine verkorkste Europa-Strategie irgendwie zu retten, diesen ganzen Schlamassel um Alitalia und Air Berlin.
Man traf sich mehrfach während des Sommers 2016. Parallel ließ Spohr einen Flügel der Lufthansa-Zentrale herrichten, die Mitarbeiter kamen nur mit speziellen Sicherheitscodes hinein. Dort zogen ab Oktober 2016 rund 60 Leute ein, darunter viele Juristen. Angeführt von Strategiechef William Willms sollten sie alle Chancen und Eventualitäten eines Zusammengehens mit Air Berlin ergründen.
Im Spätherbst waren Spohr und Hogan prinzipiell handelseinig. Der Großteil von Air Berlin sollte - nach einer Sanierung - bei der Lufthansa andocken. Im Gegenzug sollte Etihad zu einem Partner der Lufthansa aufsteigen.
Der Vorstand von Air Berlin wurde neu besetzt, paritätisch. Der Finanzer und der operative Chef kamen von Etihad; der Verkaufsvor- stand und CEO Thomas Winkelmann (57) hatten Lufthansa-Stallgeruch, mehr noch: Winkelmann wechselte eigens vom Lufthansa-Drehkreuz München nach Berlin.
Das Manöver lief gut an, für beide Seiten. Die Lufthansa konnte von den Berlinern 38 Flugzeuge leasen, samt Crews, eine willkommene Verstärkung. Für Etihad fielen ein paar Codeshares mit den Deutschen ab. Außerdem, Anfang Februar, eine Art Feierstunde in Abu Dhabi: Fahnen, pathetische Reden und Kooperationen bei Catering und Technik.
Das "geordnete Verfahren", von dem die Rede war, geriet indes bald ins Stocken. Es fing damit an, dass der wichtigste Gesprächspartner aufseiten der Araber, James Hogan, seine Macht verlor. Bereits über die Weihnachtstage war er zum Frühstücksdirektor degradiert worden. Ende Januar wurde verkündet, dass er im zweiten Halbjahr gehen werde. Richtiger wohl: gehen muss.
Schon früher kursierende Gerüchte über dubiose Geschäfte des Australiers mit Landsleuten kamen wieder hoch. Man raunte, wegen interner Ermittlungen dürfe er Abu Dhabi nicht verlassen. Indiz: die Absage von Auslandsterminen.
Etihads Vize-Chairman Ahmed Ali Al Sayegh übernahm im Hintergrund, offenbar mit dem Auftrag des Herrschers von Abu Dhabi, Hogans Hinterlassenschaft aufzuarbeiten. Erst da soll den Eignern das Ausmaß des Desasters klar geworden sein.
Anfang Mai schien die Verabredung mit den Lufthanseaten noch zu gelten, jedenfalls nach außen. Alle Seiten strahlten Zuversicht aus, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (63; CDU) zu einer Stippvisite nach Abu Dhabi kam, Spohr im Gefolge.
Doch zum Sommer hin wurde immer deutlicher, dass Etihad zögerte, die komplette Entschuldung von Air Berlin zu finanzieren. Die Araber hätten 1,2 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten übernehmen und noch die Sanierungskosten tragen müssen. Von einer Beteiligung an der Lufthansa als Gegenleistung war da längst keine Rede mehr. Spohr hätte sie im Aufsichtsrat nicht durchbekommen. Sie war auch nicht mehr nötig. Die Lufthansa war wieder fit und brauchte weder frisches Kapital noch einen neuen Ankeraktionär.
SOS per Telefon
Die letzte Nachricht des Vize-Chairmans erhielt Spohr im Juli. Er meldete sich telefonisch. Man müsse noch mal reden, es könne so nicht weitergehen.
Am 11. August verweigerte Etihad die zusagten Hilfsgelder für Air Berlin, die Pleite nahm ihren Lauf. Spohr sagt, er sei von dieser Nachricht überrascht worden. "Ich hatte keine Hinweise", beteuert er, "dass Etihad die Zahlungen an Air Berlin kurzfristig einstellen würde."
Hat er das Seine dazu getan, Air Berlin pleitegehen zu lassen? Das Schuldenthema hat sich so jedenfalls von selbst erledigt. Spohr war dank seines Expertenteams gut vorbereitet. Und auch die Politik stand auffallend wohlwollend parat.
Für eine solide Verschwörungstheorie fehlt allerdings ein entscheidender Baustein: der Vorsatz. Denn Spohr wollte eigentlich vermeiden, dass Air Berlin auf den Markt kommt. Tatsächlich stand die Fluglinie nach der Insolvenz öffentlich zum Verkauf. Es fand sich aber kein anderer Interessent, der wie die Lufthansa bereit war, groß zu investieren. Immerhin steckt sie rund 1,5 Milliarden Euro in die Übernahme und in den Aufbau einer eigenen Flotte - Air Berlins Maschinen waren nur teuer geleast.
Ryanair-Zampano Michael O'Leary (56) hätte das Geld sicherlich gehabt, drehte aber nach ein paar Flüchen sofort ab. Er hat derzeit genug zu tun mit seinen vielen Flugausfällen. Selbstdarsteller Hans Rudolf Wöhrl (69) gerierte sich als potenzieller Retter. Dabei hat er einst mit seinem LTU-Deal - er hat den Ferienflieger für einen eher symbolischen Preis gekauft und für rund 250 Millionen an Air Berlin weitergereicht - entscheidend zum Niedergang beigetragen.
Nun sind die Lufthanseaten stolz auf ihren "Carsten", wie viele ihn nennen. Der Aufschwung hebt die Stimmung. Die harten Kämpfe der Vergangenheit haben Spohrs Beliebtheit kaum geschadet. Das Gros der Mitarbeiter nimmt ihn weiterhin als einen der Ihren wahr.
Das unterscheidet ihn deutlich von seinem Vorgänger Christoph Franz. Der reformierte zwar, schloss etwa die alte Hauptverwaltung in Köln. Indessen vergraulte er die Belegschaft mit seiner allzu einseitigen Sparrhetorik und unbedachten Äußerungen. In einer hitzigen Mitarbeiterversammlung rutschte Franz einmal raus - sinngemäß zitiert -, die Zitrone sei nie ganz ausgequetscht, ein bisschen was gehe immer noch. Ein Fauxpas, der endlos nachhallte. Ausgequetscht wirkte am Ende der Chef selbst.
Spohr hingegen sagte, als er zum Germanwings-Absturz Stellung nehmen musste, auch diesen Satz: "Ich vertraue unseren Piloten, es sind die besten der Welt." Da hat er eine Brücke gebaut, die bis heute hält.
So einer findet Gehör, wenn er fordert, dass die Lufthansa nie wieder in den alten Trott zurückdürfe. "Mittelmaß - das funktioniert hier nicht!", lautet eine andere Ansage. Das kann man als Druck verstehen. Oder als Appell an den gemeinsamen Stolz.
"Wir müssen weiterwachsen", verlangt der Vorstandsprimus. Um zügig voranzukommen, sind ihm Übernahmen am liebsten. Da sichere man sich Flugzeuge, die schon Passagiere haben.
Kommt schon bald der nächste Coup? Abseits des Getöses um Air Berlin hat Spohr sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der anderen Etihad-Ruine beschäftigt: Alitalia. Er reiste selbst nach Rom, traf Minister und einige der Kommissare, die den insolventen Carrier im Namen des Staats weiterführen. Zu gern würde er Alitalia in die Lufthansa-Gruppe eingliedern, aber nur, wenn sie wirklich ohne Altlasten neu starten kann.
Danach sieht es dieser Tage nicht aus. Die Regierung hat die Entscheidung erst mal auf April nächsten Jahres vertagt. Vorsorglich hat der Lufthansa-CEO ein kleines Team von Alitalia-Experten in den Seitenflügel neben seine Air-Berlin-Combo gesetzt. Vorbereitet sein ist alles.
Nach der Bändigung der Piloten, dem Blitzaufbau von Eurowings und dem Air-Berlin-Manöver trauen ihm selbst die ehemaligen Kritiker alles zu. Sogar, dass er sich an Schwergewichte wie Easyjet heranmacht, zumindest in Form weitreichender Kooperationen.
Zunächst einmal hat Carsten Spohr genug damit zu tun, das Angefangene fertigzustellen. Eurowings, bald 210 Jets und 40 Millionen Passagiere stark, steht wirtschaftlich erst am Anfang. Und die große Managementreform mit einer Führungsebene weniger - auch so eine Gewalttour - funktioniert noch lange nicht reibungslos.
Schließlich muss Spohr sich weiter die Gunst der deutschen Businessgemeinde erhalten, die seine teuersten Tickets bucht. Allein mit Marktmacht ist sie auf Dauer nicht ins Flugzeug zu zwingen.
"Ich sehe es als große Aufgabe an, uns auf Dauer eine selbstkritische Haltung zu bewahren", sinniert Spohr. Wenn er damit auch sich selbst meint, hat der Manager des Jahres die Zukunft schon halb gewonnen.