Steuersparmodelle Auf der Flucht vor dem Fiskus
Wer kann bei einem solchen Angebot schon Nein sagen? Wenn Sie 100.000 Mark investieren, schenkt Ihnen das Finanzamt 60.000 Mark, und Sie verdreifachen Ihr Kapital.
Mit vollmundigen Versprechungen dieser Art pries Fondsinitiator Jürgen Hanne Ende 1996 in Prospekten und Broschüren Anteile seiner 6. Immobilien Fonds KG an.
Die Mischung aus Steuerersparnis und Rendite zog. Innerhalb weniger Wochen sammelte Hanne knapp 30 Millionen Mark für die Investition in zwei Seniorenresidenzen in Chemnitz und in Gotha ein.
Auch Hanno Sperling*, Chefarzt einer kleinen Klinik in Süddeutschland, war dabei. Mit 500.000 Mark beteiligte er sich an den Altersruhesitzen. Steuerersparnis: rund 300.000 Mark.
Heute weiß Sperling, dass er besser Nein gesagt hätte. Das Steuersparmodell geriet zum Desaster. Monatelang standen die Wohnungen leer. Und als sich endlich Interessenten fanden, zahlten die nur rund 60 Prozent der Miete, die Hanne seinen Anlegern einst vorgerechnet hatte.
Die Folge: Auf die versprochenen jährlichen Einnahmen von 37.000 Mark muss Sperling noch lange verzichten. Im Gegenteil, der Klinikchef zahlt drauf. Anfang 2000 war der Fonds wegen der jahrelangen Mietausfälle so klamm, dass die Anleger Kapital nachschießen mussten, um eine Pleite zu verhindern. Der Anteil des Mediziners an der Rettungsaktion: rund 75.000 Mark.
Die Chancen, dass die Altenwohnanlagen jemals die Gewinnzone erreichen, standen von vornherein schlecht. Obwohl sich die Krise des ostdeutschen Immobilienmarktes Ende 1996 bereits abzeichnete, kalkulierte Initiator Hanne mit extrem hohen Mieten und Gebäudewerten.
"Ohne die steuerlichen Vergünstigungen hätte sich der Fonds niemals verkauft", meint der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Schirp, der mehrere Hanne-Opfer vertritt.
Kompakt |
Triebgesteuerte Anleger: Trotz stark reduzierter Steuervorteile fließen auch in diesem Jahr rund 19 Milliarden Mark in Beteiligungsmodelle - kaum weniger als 1999. Halbherzige Politiker: Steuerreform und Steuerentlastungsgesetz lassen viele Lücken. Spitzenverdiener können ihre Abgaben nach wie vor mit Abschreibungen und Verlustzuweisungen reduzieren. Findige Initiatoren: Seriöse Anbieter haben sich schnell auf die neuen Regeln eingestellt. Neue Fonds versprechen hohe Renditen; Steuervorteile gibt es nur als Plus. |
Eine fatale Fehleinschätzung. Zahllose Beteiligungen brachen zusammen, Anleger und Fiskus verloren in den 90er Jahren Milliardensummen.
Die beiden SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine und Hans Eichel versuchten, die Steuersparindustrie stillzulegen. Nicht weil sie Mitleid mit den Anlegern gehabt hätten; sie wollten schlicht ihre Kasse sanieren.
Mit dem Steuerentlastungsgesetz vom März 1999 und der im Frühsommer 2000 verabschiedeten Steuerreform reduzierten die Regierenden die Steuervorteile drastisch. Gehören Abschreibungsmodelle, mit denen Spitzenverdiener bislang ihre Zahlungen an den Fiskus reduzierten, damit tatsächlich der Vergangenheit an?
Nicht unbedingt. Es sieht so aus, als ob sich die Reformer verkalkuliert hätten. Rund 19 Milliarden Mark investieren Anleger auch in diesem Jahr wieder in Immobilien-, Schiffs- oder Medienfonds, schätzt der Fondsanalyst Stefan Loipfinger. Nur geringfügig weniger als 1999. Für das kommende Jahr rechnet Loipfinger sogar wieder mit steigenden Zuflüssen.
Drei Gründe sorgen dafür, dass das Angebot nicht kleiner wird:
- Der Trieb, Steuern zu sparen, beherrscht viele Bürger. Im Zweifel stecken Zahnärzte, Architekten und Rechtsanwälte ihr Geld lieber in riskante Ostimmobilien, als es beim Fiskus abzuliefern.
- Die Politiker haben mit ihren Reformen zu kurz gegriffen. Die Gesetze sind voller Schlupflöcher. Es wird künftig zwar komplizierter, mit Abschreibungen und Verlustzuweisungen zu hantieren; abgeschafft sind die Steuersparmodelle aber nicht.
- Schließlich hat sich der seriöse Teil der Anbieter in Windeseile umgestellt. Viele Fonds werden so konzipiert, dass realistische Renditen im Vordergrund steht. Steuervorteile gibt es nur noch als kleines Extra.
Immobilienfonds:
Worauf Fondsanleger achten müssen: |
Die goldene Regel ist eine alte Weisheit, die viele lange missachtet haben: "Anleger sollten nur dann in ein Steuersparmodell einsteigen, wenn sich die Investition auch ohne den Zuschuss vom Finanzamt lohnt", so Andreas Renner, Vermögensberater bei der Hamburger Berenberg Bank. Die Beteiligungen müssen mindestens ähnlich hohe Renditen abwerfen wie Aktien oder Anleihen.
Genau das aber ist das Problem. Das Risiko vieler Steuersparmodelle ist höher als das anderer Geldanlagen. Der Mindesteinsatz beträgt meist 50.000 Mark und mehr. Und rechnet sich das Unternehmen nicht, droht der Totalverlust, weil die Finanzämter bereits ausgezahlte Steuererstattungen zurückfordern können.
Finger weg, heißt es daher bei all den Offerten, deren Wirtschaftlichkeit von vornherein in Frage steht. Dazu zählen Windkraftanlagen und so genannte Konservierungsmodelle.
Windkraftanlagen. Die meisten Betreiber können ihren Anlegern nur auf Grund großzügiger Subventionen Gewinne in Aussicht stellen. Um den umweltfreundlichen Strom zu fördern, müssen die großen Energiekonzerne den Ökostrom zu Konditionen weit über Marktpreisen abnehmen.
Eine wacklige Geschäftsgrundlage. Zwischenzeitlich haben RWE und Co. bei der Brüsseler Kartellbehörde Einspruch gegen die deutschen Windkraft-Subventionen erhoben. Kassieren die EU-Wettbewerbshüter das deutsche Gesetz, können die Windräder nicht mehr mit Atomstrom oder Wasserkraft konkurrieren. Die Kalkulationen vieler Fonds fallen in sich zusammen.
Konservierungsmodelle. Schiffs- und Immobilienfonds, die in den kommenden Monaten noch mit den Steuervergünstigungen der vergangenen Jahre werben, sind ebenfalls dubios. Es handelt sich dabei um Projekte, die von den Initiatoren schon vor dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes am 5. März 1999 angeschoben wurden.
"Bei vielen dieser Angebote sind die wirtschaftlichen Aussichten so schlecht, dass die Fonds trotz der Steuervergünstigungen bislang nicht zu platzieren waren", warnt Experte Stefan Loipfinger. Offerten dieser Art sind oft nicht mehr als Ladenhüter.
Zudem ist es höchst unsicher, ob die Finanzbeamten diese Modelle akzeptieren. Zwar sichern Übergangsregeln Anlegern die alten Steuervorteile noch bis Ende Dezember zu.
Doch die Anbieter sind in der Pflicht. Sie müssen für Schiffe und Flugzeuge belegen, dass sie vor dem Stichtag einen rechtswirksamen Kaufvertrag abgeschlossen haben. Bei Immobilien muss der Bauantrag bis zum 4. März 1999 erfolgt sein. "Misslingt der Nachweis, werden die Finanzbeamten die Steuerrückzahlungen verweigern", warnt Markward Krämer, Steuerberater bei der Düsseldorfer Kanzlei Warth & Klein.
Ebenfalls in den Papierkorb gehören Steuersparofferten, bei denen sich die neuen Gesetze am deutlichsten bemerkbar machen. Und das sind Angebote, die sich nur bei voller Verrechnung von Verlusten mit anderen Einkunftsarten lohnen. Die lange geübte Methode, die Verluste bei Steuermodellen vom beruflichen Einkommen abzuziehen, wird drastisch eingeschränkt.
So dürfen Steuersparfonds ihren Anlegern grundsätzlich nur noch 50 Prozent des Anlagebetrags als Verlustquote zuweisen. Zahlte das Finanzamt einem Spitzenverdiener bei einer Investition von 100.000 Mark bislang über 50.000 Mark zurück, werden es künftig etwa 25.000 Mark weniger sein.
Zwar sind in Ausnahmefällen auch künftig höhere Verlustzuweisungen möglich. Allerdings werden diese Modelle von den Finanzbehörden akribisch geprüft. Stoßen die Beamten dabei auf Konstruktionen, die ihre Renditen ausschließlich hohen Steuervorteilen verdanken, werden sie die Vergünstigungen einkassieren. Dann sind hohe Steuernachzahlungen fällig.
Leasingfonds. Flugzeug-, Eisenbahn- und Filmbeteiligungen, die als Leasingmodelle konzipiert wurden, sind damit tot. Diese Fonds schafften ihre Renditen von oft mehr als 10 Prozent fast ausschließlich mit Hilfe hoher Verlustzuweisungen. Ohne Steuerbonus reicht es nur für weniger als ein Prozent. Leasingmodelle werden daher vom Markt verschwinden. Restposten sollten Anleger meiden.
Übrig bleiben daher nur vier Modelle: drei Klassiker und ein Neuling:
Geschlossene Immobilienfonds. Erstklassige deutsche Gewerbeimmobilien sind weiterhin empfehlenswert. Die Veräußerungsgewinne sind nach zehn Jahren steuerfrei. Das Geld wird künftig über Mieten und Wertsteigerungen verdient. Erlaubte Verlustzuweisungen liefern nur noch eine Zusatzrendite.
Schiffsbeteiligungen. Der Markt für Containerschiffe hat die jüngste Krise überstanden. Die Charterraten steigen. Die Gewinne sind steuerfrei.
Filmproduktionsfonds. Kino-, Fernseh- und Zeichentrickfilme sind die Chancenreichsten unter den klassischen Verlustzuweisungsmodellen.
Wagniskapitalfonds. So genannte Venture-Capital-Beteiligungen, bislang meist Einzelengagements in Millionenhöhe, erzielten in den vergangenen Jahren exzellente Renditen. Zahlreiche Initiatoren haben diese Fonds nun einem breiteren Publikum geöffnet. Weil Kapitalgesellschaften ab 2002 Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen nicht mehr mit dem Finanzamt teilen müssen, kassieren Anleger ihre Gewinne steuerfrei.
Diese vier Modelle, wenn sie von seriösen Anbietern konzipiert sind, sollten Anleger in die engere Wahl nehmen. manager magazin hat die speziellen Chancen und Risiken der Fonds zusammengestellt sowie mit Hilfe von Branchenexperten eine Auswahl aus dem aktuellen Angebot getroffen.
Anlegern erspart dies allerdings nicht die kritische Prüfung. Interessierte sollten mit ihrem Steuerberater überlegen, ob ein Fonds in die persönliche Vermögens- und Steuersituation passt. Schließlich konnten Anleger, selbst wenn sie ihr Einkommen voll versteuerten, in den vergangenen Jahren mit Aktien und Fonds ein Vermögen machen.
* Name von der Redaktion geändert.
Wie Finanzämter die neuen Gesetze anwenden Immobilienfonds