
Designer Philipp Plein Animalisch teuer
Mailand - Auf der Innenhofterrasse zwischen den zwei Showrooms - schneeweiß möbliert, auf den Tischen weiße Porzellantotenschädel und weiße Rosen - geht es zu wie auf dem Jahrmarkt: Models stöckeln über die Holzplanken, dazwischen bewegen sich piratenhaft gestylte Kreative, tätowierte bullige Helfer, bieder gekleidete Einkäufer. Es sind noch 30 Stunden bis zur Mailänder Fashion-Show. Die Atmosphäre ist euphorisch aufgekratzt, das Motto wild animalisch: "Unleash the beast".
Der Mann, um den sich an diesem Ort alles dreht, enthüllt an einem der Tische das Erfolgsgeheimnis seines erstaunlichen Modehauses. Für ihn, sagt Philipp Plein, gehe es um Mode für Menschen, die das Außergewöhnliche lieben. Während Plein redet, eilt eine mandeläugige Masseurin herbei, um dem Besucher die Schultern zu lockern. Anschließend lässt der Modeschöpfer ein vom Hauskoch bereitetes Menü kredenzen. Derlei Gastfreundschaft sei einmalig in der Stadt, versichert Plein. Ein bisschen Dekadenz soll schon sein.
Der Jungunternehmer, gerade 34 geworden, trägt Dreitagebart, das dunkle Haar aufwärts gegelt, das weiße Hemd weit offen, eine graue Glencheck-Jacke mit dunklem Samtrevers darüber, rechts am Handgelenk ein dickes Klunker-Armband, links eine klotzige Audemars Piguet Royal Oak Offshore in Rotgold, auch sie optisch ein Kracher. Seine dunkelbraunen Augen glühen, seine Worte sprudeln wie in Trance.
Ein Märchenprinz der Mode. Oder, im Idiom der Boulevardpresse: "King of Bling". "Wo er ist", bemerkte indigniert das Fachblatt "Textilwirtschaft", "ist Jetset. Reiche und sonst noch irgendwie potente Männer. Frauen, die tief blicken lassen."
Ein Mann auf Expansionskurs
Mailand, Fashion-Metropole, mittendrin die Via Bigli. Vorn an der Ecke die Stores von Jil Sander, Burberry, Alexander McQueen, nebenan die Via Monte Napoleone: Armani, Gucci, Prada, Louis Vuitton. Philipp Plein hat sich mit seinem Showroom dazwischengequetscht, auf einem Geschäftsflur über einem stillen Atrium in einem der umgewandelten Patrizierhäuser. Soll heißen: Er hat es geschafft.
Und die Zahlen, die er präsentiert, zeigen: Hier hat einer einen Bilderbuchaufstieg hingelegt, kann vor Kraft kaum gehen, platzt aus allen Nähten. "Im Moment haben wir acht eigene Läden, Ende des Jahres sollen es 17 oder 20 sein", sagt Plein. Berlin, London, Baku, Marbella werden gerade eingerichtet, auch ein Zweitladen in Moskau; in Cannes, Kitzbühel, St. Tropez und Wien ist er schon mit Stores präsent. Ein Mann auf Expansionskurs: "In den kommenden drei, vier Jahren werden wir den dreistelligen Millionenumsatz knacken."
Die Zuversicht hat ihren Grund. Gerade ist im vergangenen November mit wilder Party ein Shop auf der Kö in Düsseldorf an den Start gegangen. Er präsentiert seine schrille Luxusmode: viel Fell, Python, Leder, Swarovski-Gestein und Federputz, geziert von den allgegenwärtigen Totenköpfen, Pleins Markenzeichen. Unter der gewohnt schrillen Begleitung aus der Society: Boris Becker und Verona Pooth, die Rapper Eve und Timati, der Schauspieler Adrien Brody ("Midnight in Paris") und die Karl-Lagerfeld-Muse Baptiste Giabiconi.
Der Aufwand scheint sich zu lohnen. Die Umsätze ließen sich gut an: "Im Dezember haben wir dort 340.000 Euro generiert, 15.000 Euro pro Quadratmeter", erzählt Plein begeistert. "In unserem Geschäft in Monte Carlo haben wir auf 90 Quadratmetern im vergangenen Jahr 2,8 Millionen Euro umgesetzt. Vor zwei Jahren hatten wir praktisch keine Kunden in Asien, jetzt machen wir sechs, sieben Millionen Euro allein in China." Und das sei nur das Retail-Geschäft, 20 Prozent, alles andere ist Wholesale in klassischen Modehäusern, Maendler, Harrod's, Jades.
Ein Hundebett brachte den Durchbruch
Fast schon in sich gekehrt, eine Hamlet-Gestalt, fragt Plein: "Wo sind unsere Grenzen, wie weit kann ich gehen?"
Manchmal scheint ihn seine exaltierte Expansion selbst schwindelig zu machen. Organisch will er wachsen. Er legt Wert darauf, "bis heute keinen Euro Kredit aufgenommen oder Investoren von außen hinzugenommen" zu haben. Er habe es nicht eilig, wolle sich Zeit nehmen, er sei ja noch jung. Die große Gefahr für viele Jungunternehmer sei die Gier. "Wenn Sie gierig werden, verlieren Sie alles, wenn Sie mit Ihrem Auto zu schnell in die Kurve fahren, fliegen Sie raus."
Denn eigentlich ist der junge Mann eine sesshafte Natur. Seinen Hauptsitz hat der geborene Münchener seit sechs Jahren im schweizerischen Amriswil am Bodensee, in Haupthaus und Wirtschaftsgebäude eines ehemaligen Weinguts, 1909 erbaut. Am Bodensee lebten seine Großeltern, in Salem ist er zur Schule gegangen. Ein Stück Heimat.
Und beinahe hätte der Sohn eines Herzspezialisten und einer kunstliebenden Mutter auch eine brav-bürgerliche Karriere begonnen, mit einem Jura-Studium in Erlangen. Auf Wunsch der Eltern. Doch Plein besann sich eines anderen, wollte raus aus dem Paragrafenstaub, nach sechs Semestern rein in das wilde Unternehmerdasein. Irgendwas mit Design, viel mehr wusste er nicht.
Plötzlich eine Marke
Und so verfiel er zunächst auf Möbel. Er entwarf Stahlrohrgestelle, für deren Produktion er sich im Internet einen Partner in einem Kaff an der Elbe bei Magdeburg suchte. Die ersten Schritte waren beschwerlich und frustrierend. Bis Plein die Idee kam, sein Stahlrohrgewerk mit Rindsleder zu überziehen, in das Krokomuster gepresst war.
Mit einem Schreibtisch in diesem Stil, den niemand sonst pflegte, zauberte Plein mit einem einmaligen Messeauftritt die erste Umsatzmillion. Und weil er seiner Mutter und ihrem Labrador eine Freude machen wollte, baute er ein Hundebett in diesem Stil. Das Foto davon rissen ihm die Lifestyle-Blätter weltweit aus der Hand, druckten es als neues Reiche-Leute-Utensil. Plötzlich war Philipp Plein ein Markenzeichen.
Kostenbewusst wollte Plein die reichlichen Lederabfälle aus der Möbelherstellung nicht wegwerfen, ließ also Damenhandtaschen daraus nähen, präsentierte sie auf einer Modemesse, wo er die Lounge für einen renommierten Champagnerhersteller mit seinen Möbeln bestückt hatte. Die Leute rissen sich um seine Taschen. So entdeckte Plein die Mode als seine Spielwiese.
Restlos von der Modebranche überzeugte ihn der nächste Coup, Januar 2004, wieder auf einer Messe. Als Deko hatte er ein paar gebrauchte Bundeswehrjacken aufgehängt, Einkaufspreis 3,50 Euro, bestückt mit einem Totenkopf aus Swarovski-Kristallen für 20 Euro. Und alle wollten diese Jacken, in Berlin, Paris, New York, Las Vegas.
"Wir haben die zwischen 200 und 300 Euro auf den Messen verkauft, im Laden für 500 bis 700 Euro", erzählt Plein. Der Totenkopf, das Kristall - Plein nennt es Rock 'n' Roll. Wenn er darüber spricht, klingt das wie ein Glaubensbekenntnis: "Freiheit, Rebellion, sich nicht in eine Form pressen lassen, in der andere einen gern haben möchten, seine eigenen Entscheidungen treffen, seine eigenen Ideen und Visionen verwirklichen."
Doch die Freiheit der Piratenexistenz hatte Schattenseiten. "Wir besaßen keinen Showroom, sind wie Zigeuner von Messe zu Messe gereist, haben in Stundenhotels und Billigpensionen übernachtet. Wir hatten kein Geld, und es war wirklich ein Kampf", erinnert sich Plein.
Und heute? Längst ist der witzige Messeimpresario von einst zum ernst zu nehmenden Player gereift. Er veranstaltet elektrisierende Kampagnen mit Pierre Sarkozy, dem Sohn des französischen Präsidenten, oder mit der US-Skandalnudel Lindsay Lohan. Plein beschäftigt 62 Angestellte. Kleider und Schuhe lässt er von den besten Herstellern Italiens fertigen - Manufakturen, die auch für die übrige Handvoll Anbieter im obersten Luxussegment arbeiten.
"Wir verkaufen Krokojacken für 50.000 Euro, Krokoschuhe für 10.000 Euro, Stiefel für 15.000 Euro", sagt Plein. "In diesem jungen, aggressiven Luxusbereich mit Spitzenqualitäten haben wir keinen Konkurrenten. Und es gibt viele reiche Leute, die sich abheben wollen von der Masse."
Dann beugt er sich über den Tisch, ganz seinem Zuhörer zugewandt. Und flüstert fast: "Sie müssen Psychologe sein, um in diesem Geschäft Erfolg zu haben, Sie müssen Emotionen wecken. Am Ende verkaufen wir nur Träume."
Im Augenblick heißt der, ganz und gar zeitgemäß: "Unleash the beast" - lass die Bestie raus.