

Hamburg - Die erste Wertung zum neuen A6 gibt Patricia Gandji sofort ab: Der Metalliclack des Testwagens, vom Hersteller als "dakotagrau" apostrophiert, gefällt ihr "ausgesprochen gut". Auch die Gestaltung des Innenraumes - kakaobraunes und cremefarbenes Leder wird hier kombiniert mit gebürstetem Alu und hellen, offenporigen Schichthölzern - beschreibt Gandji als "ansprechend, geschmackvoll und zeitgemäß".
Als irritierend empfindet sie jedoch, dass der flache Hauptmonitor nach dem Starten des Motors automatisch aus einem Schacht in der Mittelkonsole ausfährt. Aufgerichtet neben den großen Rundinstrumenten und in den geschwungenen Linien des Armaturenbretts wirke der kantige Bildschirm "wie ein Fremdkörper", sagt die Testerin. Die Reaktion auf Gestaltung und Ästhetik mag typisch weiblich sein. Im Fall von Patricia Gandji kann es sich aber auch um eine "Deformation professionelle" handeln: Das Geschäft der 41-jährigen Nordeuropa-Chefin von Cartier läuft vor allem über Designobjekte. Außerdem hat die gebürtige Perserin lange in der Modebranche gearbeitet, bei Escada und Boss.
Den übrigen Details des Testwagens nähert sich Patricia Gandji nicht anders als männliche Probefahrer: Das Fehlen einer elektrischen (und programmierbaren) Sitzverstellung empfindet sie etwa als ein Manko, das sich durch den Hinweis auf Audis Bemühen um Gewichtsreduktion nicht kleinreden lässt: Der A6 wiegt gut zwei Zentner weniger als seine Wettbewerber. Das verbessert seine Fahrdynamik und spart zugleich Sprit.
Respekt flößen der Testerin jedoch die vielen elektronischen Helferlein ein: Ein Kamerasystem liest Verkehrsschilder und projiziert das gerade geltende Tempolimit ins Display zwischen Tacho und Tourenzähler, ein zweites überwacht die "toten Winkel" der Außenspiegel und löst einen Blinklichtalarm aus, sobald dort ein Fahrzeug auftaucht. Ein drittes dient dem Spurhalteassistenten, der den Lenkradeinschlag sanft korrigiert, wenn der Fahrer einmal unachtsam sein sollte. Hinzu kommen Nachtsichtgerät, Rückfahrkamera, Abstandsradar, Parkassistenzsensoren.
Beherzte Notbremsung
Anfangs, im dichten Münchener Stadtverkehr, zeigt sich Patricia Gandji beeindruckt von der Start-Stopp-Automatik, die den Motor des Audi bei jedem kurzen Halt abschaltet und sofort neu anlässt, sobald die Fahrerin wieder den Fuß von der Bremse nimmt. Auch das spart Sprit, entlastet Umwelt und Klima. Nach ein paar ruppigen Anfahrmanövern schaltet die Testerin das Programm jedoch aus.
Die Ausfahrt führt zunächst auf die A95 Richtung Garmisch. Dort beschleunigt Patricia Gandji bis weit über 200 Stundenkilometer und bleibt auch hartnäckig auf dem Gas, wenn der große Mittelklässler in den Kurven zwar neutral, aber kräftig nach außen schiebt. Als ein achtloser Kombifahrer mit nur halbem Tempo auf die linke Spur wechselt, meistert die Testerin dank der "erstklassigen Bremsen und der exakten Lenkung" eine beherzte Notbremsung.
Auf den Landsträßlein rings um den Starnberger See lobt Gandji die "komfortable Federung" der Limousine, kehrt aber zügig auf die Autobahn zurück, um noch einmal die Höchstgeschwindigkeit auszukosten und "die exzellente Lärmdämmung des Innenraums" zu loben.
Trotz der "vielen, überraschend positiven Eindrücke und der raffinierten Technik" würde Patricia Gandji den A6 eher nicht kaufen. Zum einen aus "schierer Markentreue": die Cartier-Chefin fährt seit Jahren BMW, derzeit einen 530d. Zum anderen, "weil der BMW insgesamt schicker" aussehe.
Cartiers Nordeuropa-Chefin Patricia Gandji und der Audi A6
Audi A6: Die inzwischen siebte Generation der Audi-Limousine in der gehobenen Mittelklasse wird ab Ende März bei den Händler stehen und mindestens 38.500 Euro kosten. Wer das Auto jedoch ordentlich ausstatten möchte, legt schnell bis zu 15.000 Euro drauf.
Endlich kürzer: Audi gelang es nicht nur, den neuen A6 trotz gehobener Serienausstattung leichter zu machen als das Vorgängermodell, sondern endlich einmal wurde auch das ewige Längenwachstum gestoppt. Der Neue ist nämlich mit 4,92 Meter einen Zentimeter kürzer als das bisherige Modell.
Besser durch den Wind: Den cW-Wert haben die Ingolstädter ebenfalls gedrückt. "Das hat schon Tradition. Schließlich war die dritte Generation des Audi 100 in den achtziger Jahren Weltmeister beim Thema Luftwiderstand", sagt der technische Projektleiter Burkhard Wiegand. Statt damals bei 0,3, liegt der neue A6 nun allerdings bei einem Wert von 0,26.
Reichlich Assistenten: Ein Blick ins Cockpit des neuen A6. Auf der langen Liste der Assistenzsysteme tauchen von der Verkehrszeichenerkennung über die Abstandsregelung mit automatischer Notbremse bis hin zur aktiven Spurführung und einem variablen Lichtbild der LED-Scheinwerfer vielerlei Extras auf. Selbst Online-Verkehrsdaten kann die Google-Navigation nun darstellen, und wer den Blick nicht von der Straße wenden will, sieht auf Wunsch jetzt alles auch im Head-Up-Display.
Wählen per Knopfdruck: Mit dem System "Audi Drive Select" lassen sich im Fall des neuen A6 insgesamt fünf Fahrzeugabstimmungen wählen.
Wellenlichtspiel: Audi hält natürlich auch beim A6 am inzwischen schon charakteristischen Tagfahrlichtband aus LED-Lampen fest. Die Wellenlinie diesmal wirkt - passend zum Auto - weniger aggressiv und viel harmonischer als bei einigen anderen Modellen.
Große Klappe: Der Kofferraumdeckel des Audi A6 öffnet die breiteste Luke in der Klasse der gehobenen Limousinen - exakt sind es 1,05 Meter. Das Fassungsvermögen des Gepäckraums beträgt 530 Liter.
Schwarzer Mantel: Unter der dunklen Plastikhaube steckt der V6-Commonrail-Diesel mit 204 PS, der unseren Testwagen sowohl ökonomisch sinnvoll (Durchschnittsverbrauch 5,2 Liter), als auch fahrerisch anspruchsvoll (204 PS, 400 Nm) bewegte.
In Zukunft auch als Hybrid: Zum Verkaufsstart gibt es den A6 mit einem Vierzylinder- und zwei V6-Dieselmotorisierungen sowie zwei Sechszylinder-Benzinern, die ein Leistungsspektrum von 170 bis 300 PS abdecken. Später folgen neben der Komibvariante Avant und dem höher gelegten Allroad Quattro auch ein Vierzylinder-Benziner, sowie die S-Version mit V8-Motor und eine Hybridvariante