Nissan GT-R Donnerkeil
Bevor Christian Hinsch in einem neuen Auto richtig Platz nehmen kann, gleitet seine Hand automatisch zur Sitzverstellung. Wegen seiner Größe von 1,98 Metern muss der 54-Jährige, der im Vorstand der Hannoveraner Talanx die Schaden- und Unfall-Erstversicherungsmarken der HDI-Gerling-Gruppe betreut, den Gleitschlitten immer ganz nach hinten und unten fahren. Beim Nissan GT-R reicht ihm die maximale Innenhöhe von 96 Zentimetern gerade aus. Beim Porsche Turbo, weiß Hinsch, sind es drei Zentimeter mehr.
Die Zuffenhausener Straßenrakete ist tatsächlich der direkte Wettbewerber zu Nissans Modell GT-R. Mit diesem Supersportwagen, dessen Motor und Getriebe von Hand und in limitierter Auflage von 1000 Stück pro Monat montiert werden, will die japanische Marke nun der Autowelt beweisen, dass Nissan nicht nur Familienkutschen bauen kann.
In einem Vergleichstest auf der Nürburgring-Nordschleife hat der neue GT-R dem Porsche Turbo 16 Sekunden pro Runde abgenommen. Inzwischen hält er dort sogar den Streckenrekord in der Klasse der Produktionswagen.
Christian Hinsch, der als Dienstwagen einen Audi A8 fährt, interessiert sich folglich vor allem für die sportlichen Qualitäten des Ausnahmejapaners. Auf der Autobahn tritt Hinsch aufs Gas, sobald das Motoröl 75 Grad heiß ist. Ein Thermometer, abrufbar aus einer Vielzahl von Programmen für das unübersichtliche Zentral-Display, zeigt die Temperatur an.
Die nun einsetzende Beschleunigung ist eindrucksvoll - nicht jedoch der Sound, der aus vier großkalibrigen Auspuff-Endrohren bis ins Cockpit dringt. Da hätte sich der Tester "mehr Donnerhall und Raubtiergrollen" gewünscht.
Doch der Geschwindigkeitsrausch obsiegt. Die A7 südlich von Hannover ist an jenem Nachmittag frei genug, sodass der Tester die meiste Zeit weit jenseits der Tachomarke von 200 Stundenkilometern auf der linken Spur unterwegs ist. Er lobt die "satte" Straßenlage des GT-R und die straffe Dämpfung, die dem Piloten stets eine präzise Einschätzung von Straßenbelag, Querbeschleunigung und Reifenhaftung vermittelt.
Der Schub des Turbos wirkt wie ein Katapult
Albern findet Christian Hinsch hingegen die vielen Bedienknöpfe, -regler und -schalter, mit denen die Klimaanlage und das ESP, die Differenziale des Allradantriebs, das Radio, der Bordcomputer und das Zentraldisplay des GT-R einzustellen sind. "Wer hat als anspruchsvoller Fahrer Zeit und Lust auf solche Spielereien?", fragt er rhetorisch.
Auch die Schaltpaddel am Lenkrad hält Hinsch für irritierend. Die Automatik des sequenziellen Sechs-Gang-Getriebes schaltet so clever und dank einer Doppelkupplung so ruckfrei und schnell, dass manuelle Eingriffe hier nichts bringen.
Die Landstraßen der Hildesheimer Börde bieten dann Gelegenheit für gewagte Überholmanöver. Der Schub des sofort ansprechenden Turbos wirkt wie ein Katapult, die großen Brembobremsen zeigen umgekehrt noch schärfere Effekte. "Klasse!", findet Christian Hinsch: "Das Beste aus beiden Welten: Ein Sportwagen, der sich fährt wie ein Motorrad und zugleich alle Sicherheiten einer Karosseriehülle bietet!"
Kaufen würde er sich den Nissan dennoch nicht. Christian Hinsch missfällt die kantige Formensprache des japanischen Karosseriedesigns: der wuchtige Spoiler auf dem großen, klobigen Kofferraum, die markanten Lufteinlässe auf der Fronthaube, die eckigen Scheinwerfer. Außerdem kritisiert er die geringe Reichweite des GT-R: Die Tankuhr schlug schon nach 300 Kilometern Testbetrieb Alarm.
mm-Kritik: Der GT-R bietet zweifelsfrei eine Menge Sportwagen-Fahrspaß pro Euro Kaufpreis. Im Alltag zeigen sich jedoch Schwächen: Breiter als eine S-Klasse, ist die vorn wie hinten unübersichtliche Karrosse nur mühsam einzuparken. Einmal eingefädelt, lassen sich die großen Türen kaum öffnen.
Technik: V-6-Turbomotor mit 485 PS (356 kW); Spitze: 310 km/h.
Preis: ab 81.800 Euro.
Showroom Nissan GT-R: Kantiger Porsche-Jäger