Kolumne Tödliche Managementfehler
Welche Unternehmen überleben langfristig? Und welche gehen unter oder werden von anderen geschluckt? Und was sind die Ursachen hinter diesen Entwicklungen? Es ist zur Genüge bekannt, dass marktwirtschaftliche Unternehmen relativ kurzlebige Gebilde sind.
Unter Firmen sind Methusalems rar. Von den zwölf Unternehmen des ursprünglichen Dow-Jones-Index aus dem Jahr 1896 findet sich nur noch ein einziges, General Electric, in dem heutigen 30 Aktiengesellschaften umfassenden Index. Von den 100 größten deutschen Unternehmen des Jahres 1960 hat sich mehr als die Hälfte verabschiedet.
In einem Gespräch mit Hermut Kormann, dem langjährigen früheren Vorstandsvorsitzenden des Anlagenbauers Voith AG, der mehr als 100 Jahre alt ist, ging es um solche Fragen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Überlebenden alles oder zumindest vieles besser machen, dass sie einfach schlauer sind. Kormann ist jedoch anderer Meinung. Vielleicht genüge es, weniger dumm zu sein und Fehler, die andere machen, zu vermeiden oder gemachte Fehler schneller zu korrigieren. "Um Erfolg zu haben, braucht man nicht klug zu sein, man darf nur nicht dumm sein", bringt Kormann seine Ansicht auf den Punkt. Ich erweitere diese These hier um folgende Aussage: "Wer langfristig überleben beziehungsweise unabhängig bleiben will, der muss vor allem den einen ,großen' Fehler vermeiden."
Die aktuelle Krise liefert schlüssiges Anschauungsmaterial zur Stützung dieser These. Selbst gut laufende Unternehmen gerieten durch den einen großen Fehler in kürzester Zeit an den Rand des Abgrunds. INA Schaeffler wuchs von 1,5 Milliarden Euro Umsatz 1998 auf 8,9 Milliarden Euro im Jahr 2008, war dabei stets profitabel und galt als hervorragend geführte, solide Firma - bis zum großen Fehler im Jahr 2008, der Übernahme von Conti. Nun gehört Schaeffler de facto den Banken. Der Umsatz von Porsche stieg von 2,5 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 1997/98 auf 7,5 Milliarden Euro 2007/08. Im gleichen Zeitraum versechsfachte sich der Gewinn aus dem Autogeschäft, und Porsche wurde zum profitabelsten Autobauer der Welt.
Der Versuch, VW zu übernehmen, bedeutete das Ende der Unabhängigkeit für die stolzen Schwaben. Die Hypo Real Estate stieg 2005, zwei Jahre nach der Ausgliederung aus der HypoVereinsbank, in den Dax auf. Schon 2006 stand der Aktienkurs bei 57 Euro (heute bei 1,40 Euro), und die Eigenkapitalrendite lag bei 11,9 Prozent. Doch dann erwarb der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende Georg Funke für mehr als fünf Milliarden Euro den Staatsfinanzierer Depfa - der große Fehler, der die Hypo Real Estate in den Abgrund riss.
Die Lehren prominenter Fehlentscheidungen
Nun mag man versucht sein, die drei vorgenannten Fälle der Krise zuzuschreiben. Das ist jedoch ein Irrtum. Die Geschichte ist voll von großen Fehlern. Das Kerngeschäft von Gerling war gesund.
Dann strebten die verantwortlichen Manager nach Größerem und kauften den amerikanischen Rückversicherer Constitution Re. In der Presseerklärung von Gerling hieß es dazu am 27. Oktober 1998: "The acquisition of Constitution Re has strengthened our international presence, and has allowed the Gerling Group to achieve a quantum leap in the U. S. reinsurance market." Der Quantensprung, oft nur ein anderes Wort für den großen Fehler, zwang den stolzen Gerling-Konzern in die Knie. Heute ist Gerling ein Teil des Versicherers Talanx.
Doch es sind keineswegs nur von Größenwahnsinn getriebene Akquisitionen, die ins Desaster führen. Die 1913 gegründete Firma Arthur Andersen war mit 85.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 9,3 Milliarden Dollar im Jahr 2001 eine der führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt. Das Jahr 2002 brachte mit dem Enron-Skandal den großen Fehler, der - obwohl nur an einem Standort begangen und von wenigen Partnern zu verantworten - das weltweite Ende dieses stolzen Unternehmens bedeutete. Auch die Metallgesellschaft war ein Vorzeigeunternehmen. Und doch wurde sie in wenigen Jahren zugrunde gerichtet. Ein damaliges Aufsichtsratsmitglied bestätigte die These: "Es gab einen Fehler, nämlich die Bestellung von Herrn Schimmelbusch zum Vorstandsvorsitzenden."
Was sind die Lehren aus diesen Fällen?
- Der große Fehler bildet in der Tat eine ernste Gefahr für das Überleben von Unternehmen. Er muss deshalb unbedingt und mit allen Mitteln vermieden werden. Hermut Kormann hat recht! Es ist entscheidend, nicht dumm zu sein.
- Unter den Ursachen des großen Fehlers spielt Größenwahnsinn eine sehr prominente Rolle. Folglich sollten Manager, Eigentümer und Aufsichtsorgane schärfstens darauf achten, dass sich diese Untugend nicht breitmacht. Dabei ist zu beachten, dass außergewöhnliche Erfolge den idealen Nährboden für die Entwicklung von Größenwahnsinn bilden.
- Wer sich schützen will, dem sei der Verzicht auf gewagte Finanzkonstruktionen nahegelegt.
- Und last but not least: Große Fehler werden eher von Typen begangen, deren herausragende Charaktermerkmale weder Integrität noch Bescheidenheit heißen. Nicht selten liegt der große Fehler in der Auswahl des CEOs.