Unternehmensberater Hai Potentials

Hat sein Berater-Budget zwischenzeitlich gekürzt: Dax-Konzern Siemens
Foto: DIETHER ENDLICHER/ APEr zieht die voll gepackte schwarze Businesstasche mit lockerer Hand durch die Abflughalle des Frankfurter Flughafens. Bernd Brunke (38), ein kräftiger, kompakter Kerl, der - so viel Ehrlichkeit muss sein - etwas älter aussieht, als er ist, will zurück nach Berlin. Er hat noch einige Minuten für ein paar schnelle Worte.
Gestern Hannover, heute Frankfurt, morgen Hamburg - der Mann hetzt derzeit nur so durch die malade Republik ("So etwas habe ich noch nicht erlebt"), was seinem Miles&More-Konto gut bekommt, seinem Blutdruck weniger. "Ruhe in die Situation bringen" müsse er doch bei seinen Kunden, die sind ja so schon nervös genug. Ein schweres Unterfangen für einen, den ein chronisches Umherstreifen erfasst hat mit manchmal drei Krisensitzungen bei drei verschiedenen Firmen an nur einem Tag.
Dabei ist er gern zu Hause. In Berlin ist er geboren, in Berlin hat er studiert (Elektrotechnik), in Berlin fing er bei der Unternehmensberatung Roland Berger an. Und blieb. Seit einem Jahr steht er dort der Abteilung Corporate Performance vor, deren Hauptbetätigungsfeld in diesen wilden Zeiten das Restrukturieren von Unternehmen ist.
Wie kürze ich Kosten, wie halte ich mein Geld beisammen, wie überstehe ich die nächsten Kreditverhandlungen, wie optimiere ich Preise und Einkauf - das Geschäft mit der intelligenten Sanierung von Firmen erblüht wie wohl noch nie in der Geschichte der Zunft.
Sogar die Altgedienten werden reaktiviert. Erfahrene Kräfte wie Karl Kraus (55), den die Branche ob seiner Durchschlagskraft ehrfürchtig und schreckensbleich nur "die Machete" nennt. Kraus hat schon bei den Klassikern Philipp Holzmann und Babcock am Krankenbett gestanden.
Seit jenen seligen Zeiten gilt Roland Berger vielen als erste Adresse, falls es Firmen schlecht geht. Das dichte Netzwerk mit Großbanken und Großpolitikern hilft bei der Akquise. Zudem hat Berger-Chef Burkhard Schwenker (51) es glänzend verstanden, die richtige Mannschaft aufzustellen, hemdsärmelige Umkrempler und analytisch begabte Nachdenker so zu kombinieren, dass die Mischung den aktuellen Kundenbedürfnissen entspricht.
Welt der Powerpoint-Profis hat sich gedreht
Zu dieser Erkenntnis gelangt auch der Wirtschaftsprofessor Dietmar Fink in einer Exklusivstudie für manager magazin. Der Bonner Wissenschaftler hat Image und Qualität der zehn führenden Managementberater in Deutschland anhand einer groß angelegten Kundenumfrage analysiert, die renommierteste Untersuchung im deutschen Sprachraum. In der Teildisziplin Sanierung/Restrukturierung schneidet Berger im Urteil der Manager am besten ab.
Fink ging nicht nur der Frage nach, wer als Krisenhelfer taugt. Er hat die Beraterelite umfassend auf Herz und Verstand geprüft. In sämtlichen Beratungssparten, von Strategie über Finanzmanagement bis zum Steuern von Prozessen. Die Studie zeigt, wer sein Geld wert ist und wer nicht.
- Die Arrivierten liegen vorn. Boston Consulting setzt sich auf Platz eins, hauchdünn vor den Rivalen McKinsey. Der glänzt allerdings in den oberen Regionen: bei Vorständen und im Dax 30.
- Die Verfolger holen auf. Sanierungsspezialist Berger legt als einziger unter den Spitzenconsultants seit Jahren zu und schiebt Bain auf Platz vier.
- Aufgestiegen in die Top Ten ist der Berater Management Engineers. Das Geschäftsmodell (Praktiker, die Ideen schnell umsetzen) passt offenkundig gut in die Zeit.
Giganten des Geldes: Umsatz der untersuchten Beratungsfirmen
Rang | Beratungsunternehmen | Umsatz | 1 |
---|---|---|---|
1 | McKinsey | 645 | |
2 | Roland Berger | 398 | |
3 | Boston Consulting | 369 | |
4 | Booz | 262 | |
5 | Oliver Wyman | 228 | |
6 | A. T. Kearney | 209 | |
7 | Bain | 193 | |
8 | Droege | 122 | |
9 | Arthur D. Little | 79 | |
10 | Management Engineers | 77 |
1 in Deutschland, in Millionen Euro
Quelle: Lünendonk
Die Welt der Powerpoint-Profis hat sich komplett gedreht. Früher dominierten Wachstumsprojekte, jetzt Sanierungsvorhaben. Sechs bis sieben Milliarden Euro planen die Firmen Fink zufolge in diesem Jahr für Restrukturierungshilfen im weitesten Sinne ein, rund die Hälfte des deutschen Beratermarktvolumens. Und das dürfte beträchtlich schrumpfen. Fink rechnet für 2009 mit rund 15 Prozent Minus.Stammkunden der Consultants wie Siemens, Deutschen Telekom oder Allianz stutzen ihre Beraterbudgets. Projekte werden verschoben oder ganz gestrichen, oft nur noch lebenserhaltende Maßnahmen an Externe vergeben.
Consulting bleibt eine Gratwanderung
Alle müssen ihr Geschäftsmodell überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Der Einsatz ist hoch, das Risiko des Scheiterns ebenso. Wo der Staat immer stärker mitspielt, wächst die Gefahr, ein Opfer von Partikularinteressen oder Wahlkampftaktiken zu werden. Das erfordert starke Nerven. Als publik wurde, dass die Firma Roland Berger im General-Motors-Auftrag die Tochter Opel durchleuchtet, während Gründer Roland (71) sich für den Opel-Interessenten Fiat engagierte, machte schnell das hässliche Wort vom Interessenkonflikt die Runde. "Wir haben wie üblich sauber gearbeitet, Compliance und Vertraulichkeit gewahrt", kontert Berger-Chef Schwenker derlei Anwürfe.
Das Geschäft bleibt eine Gratwanderung. Das gilt auch für McKinsey, wie Berger eine traditionelle Größe bei Sanierungen. Zwar leidet der Branchenführer unter den Budgetkürzungen der Großkunden besonders. So sank sein Etat bei Siemens von 60 Millionen (2002) auf 26 Millionen Euro (2008). Eine andere Entwicklung kommt McKinsey allerdings entgegen. Der Vorstand höchstselbst entscheidet über immer mehr Projekte. Und auf der höchsten Führungsetage ist McKinsey bestens vernetzt.
Deutschland-Chef Frank Mattern (47) spricht von einem "an Sachthemen ausgerichteten Miteinander". Mit "wining and dining" habe die Beziehungspflege jedenfalls nichts zu tun. Es wirkt sicher auch die geballte Kraft des Marktführers, mit 150 Partnern allein in Deutschland. Mattern: "Die machen die ganze Woche nichts anderes, als mit ihren Klienten zu arbeiten. Das ist unsere Form von Kontaktpflege."
Die Deutsche Postgilt seit je als bevorzugtes Betätigungsfeld für McKinsey-Personal. Man kennt einander eben schon fast seit Thurn und Taxis. Der frühere Chef Klaus Zumwinkel (65) und sein Nachfolger Frank Appel (47) starteten ihre Karriere bei dem Consultant. Aber die Zeiten, in denen McKinsey hoch auf dem gelben Wagen 100.000 Stunden pro Jahr abrechnen konnte, sind lange vorbei. Auch Appel knappst am Beraterbudget, das 2008 immer noch stattliche 270 Millionen Euro ausmachte.
Je länger die Krise dauert, umso wichtiger wird für die Consultants die Nähe zur Politik. In der Causa Opel gab McKinsey im Auftrag des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch eine Expertise zum Angebot des Interessenten Magna ab. Und in der Finanzbranche steckt der Staat, ob als Bürge oder Anteilseigner, "knietief" (Mattern) drin. Nahezu die komplette Geldgilde muss restrukturiert werden, Bündnisse von Landesbanken drängen auf die politische Agenda. 2009, glaubt Mattern, könnte für die Sparte Finanzdienstleistungen "eines der stärksten Jahre seit einem Jahrzehnt werden".
Ein hehres Ziel. Zwar scheint die Firma den Verlust des Fusionsmandats Commerzbank/Dresdner Bank, auf das McKinsey mächtig spekuliert hatte, mittlerweile verwunden zu haben. Der prestigeträchtige Auftrag ging an Boston Consulting. Aber jetzt sieht es so aus, als ob BCG den Wettbewerber auch beim Skandalinstitut HRE zur Seite drängt, einem Kunden mit schier unersättlichem Kapital- und Beratungshunger. Die zuständigen BCG-Berater wurden jedenfalls aus dem Urlaub zurückbeordert.
"Kommt der Markt auch wirklich zurück?"
Während Berger und McKinsey als Krisenhelfer schon länger etabliert sind, dringt BCG mit Macht nach vorn. Die Ratgeber, die das Kostenkillen früher gern der Konkurrenz überließen, haben in den vergangenen Monaten große Restrukturierungsprojekte gewonnen. Etwa beim Energiekonzern Eon (geschätztes Honorarvolumen: acht Millionen Euro) oder beim Maschinenbauer Heidelberger Druck(fünf Millionen). Bei der schwäbischen Merckle-Gruppe fungiert Boston als Generalconsultant.
Der Angriff ist Teil der Vorwärtsstrategie des Weltchefs Hans-Paul Bürkner (56). Doch die Umsatzhatz hat ihren Preis. Durch die Firma geht ein tiefer Riss. Nur mit Mühe schaffte Bürkner zuletzt die Wiederwahl. Mehr als andere spürt Bain die Krise am eigenen Zahlenwerk. Beim weltweiten Partnertreffen am 1. Juli in New York musste sich der damalige Deutschland-Chef Franz-Josef Seidensticker (47) - seit dem 1. August führt Rolf-Magnus Weddigen die hiesigen Geschäfte bei Bain, Seidensticker nimmt aus familiären Gründen ein Sabbatical-Jahr - deshalb bohrenden Fragen stellen. Wie etwa dieser: "Kommt der Markt auch wirklich zurück?" Schließlich habe man in den Aufbau der deutschen Filiale beträchtliche Summen gesteckt. "Ja", hat Seidensticker geantwortet. Aber zwei bis vier Jahre könne das schon dauern.
Anders als die großen Wettbewerber, die frohgemut für 2009 ein leichtes Wachstum, schlimmstenfalls Stagnation, vorhersagen, erwartet Seidensticker einen Rückgang "im einstelligen Bereich". Weil die Firma traditionell viele Private-Equity-Kunden berät, hatte Bain unter dem Einbruch des fremdfinanzierten M&A-Marktes besonders zu leiden. Das Geschäft mit der sogenannten Due Diligence, also den Vorprüfungen von Kaufobjekten, lag seit dem vierten Quartal 2008 danieder: no deals, no money.
Als Ausgleich dient auch hier die Restrukturierung. Weil es den Private-Equity-Fonds an Fachpersonal fehlt, lassen sie ihre zugekauften Firmen bevorzugt von Unternehmensberatern aufhübschen. Und schon bald, hofft Seidensticker, zieht das Deal-Geschäft wieder an. Kaufobjekte für Private-Equity-Fonds gebe es genügend: "Etliche Firmen in Not müssen verkaufen, Konzerne spalten Teile ab - diese Welle kommt erst noch."
Die Bain-Strategie lässt sich deshalb wie folgt umreißen: Jetzt bloß nicht wackeln. 2008, als die Wirtschaft längst taumelte, hat Seidensticker drei Partner ernannt und drei neue eingestellt. "Wir wollen in Deutschland weiter Marktanteile gewinnen", sagt er. Der Bain-Board, fügt er erleichtert an, habe jedenfalls so entschieden. Neulich in New York.
Seidenstickers Kollegen Stefan Eikelmann (41) bewegen ganz andere Fragen. Besitzt Booz, dessen Deutschland-Büros er vorsteht, die nötige Härte für das boomende Sanierungsgeschäft? Sind die Angestellten dieser Firma doch eher als lieb und nett bekannt. Und punkten demzufolge in der Fink-Studie bei Kriterien wie Kommunikations- und Teamfähigkeit.
"Ach was", sagt Eikelmann. Der kühle, vom Vorstand geschickte Berater, der mit Pokerface und Taschenrechner über die Flure läuft, der killt doch nur noch in der Mottenkiste die Kosten. Hart im Sinne von "rational, analytisch, unbeeindruckt von der politischen Willensbildung in den Unternehmen", das alles sei man auch. Aber die Klienten sollten darüber hinaus auch sagen: "Die Zusammenarbeit mit uns im Team hat Spaß gemacht." Derlei Einfühlungsvermögen an der Kundenbasis beschert Booz seit Jahren die besten Benotungen auf der Ebene der Projektleiter.
Im Gesamtranking von Fink ist die Beratung allerdings nach einem kräftigen Zuwachs im Jahr 2007 wieder etwas abgerutscht. Dass es nicht weiter vorangeht, liegt wohl auch an den Folgen einer gescheiterten Ehe: Die Firma hatte ihr Geschäft mit öffentlichen Auftraggebern (Großkunde: das Pentagon) verkauft, war auf ein Drittel der früheren Größe geschrumpft und hatte monatelang vor allem mit sich selbst zu tun.
"Der Wettbewerb ist knallhart geworden"
Eikelmann ist heilfroh, dass sich die Trennungsschmerzen in Grenzen hielten. Seit dem Frühjahr ist die Auftragslage stabil, nur eine Handvoll Partner hat die Firma verlassen, gerechnet hatte man mit dem Doppelten. Sicher müsse man noch daran arbeiten, die neue Marke ("Booz & Company") bei den verschiedenen Zielgruppen "weiter zu stärken", sagt er - schließlich gibt es immer noch Leute, die dem Allen und dem Hamilton nachtrauern.
Die Umfirmierung kommt in einem unglücklichen Moment. Erfordern doch Kunden und Konkurrenten die volle Konzentration. "Der Wettbewerb ist knallhart geworden", klagt Eikelmann. Kampfpreise, Rabatte, Verunglimpfen der Rivalen - die Sitten verrohen in dem gemeinhin so feinnervigen Gewerbe. Selten spielt ein Zwist vor so großem Publikum wie im Fall der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Das marode Schienenunternehmen hatte die Firma Roland Berger mit der Sanierung beauftragt. Kosten: 900.000 Euro. Berger hatte sich gegen zehn Konkurrenten durchgesetzt, auch gegen den ÖBB-Stammberater McKinsey, der 1,3 Millionen Euro für die Arbeit taxiert hatte.
Dann, so zeichnete jedenfalls das renommierte Wiener Blatt "Die Presse" den Casus nach, habe der ÖBB-Aufsichtsratschef interveniert und sich für McKinsey eingesetzt. Ob aus eigenem Antrieb und tiefster Überzeugung, lässt sich so klar nicht festmachen. Erst wurde die Ausschreibung wegen eines vermeintlichen Formfehlers wiederholt, dann ließ der Oberkontrolleur das Thema von der Tagesordnung nehmen, schließlich rückte er die Kooperation Bergers mit einem österreichischen Beratungsunternehmen in die Nähe politischer Vetternwirtschaft - es half nur alles nichts. Jetzt wackelt sogar der Stuhl des ÖBB-Oberkontrolleurs.
In der Regel vollzieht sich ein Bieterstreit subtiler, aber manchmal umso schmutziger. So setzte sich im Ringen um ein industrielles Prestigeprojekt wiederum Roland Berger durch; der Hauptanteilseigner wollte es jedenfalls so. Ein unterlegener Wettbewerber ließ aber nicht locker, alarmierte andere Großaktionäre, schrieb Briefe, in denen der zuständige Partner am Konkurrenten kein gutes Haar ließ - nun will Berger das Thema mit dem Chef des Widersachers besprechen, so unter Kollegen.
Die Beispiele zeigen: Viele Berater stehen unter gewaltigem Druck. Auch weil sie ahnen, dass ihr Gewinnanteil in diesem Jahr geringer ausfallen wird. Mit aller Macht wollen sie ihre Großkunden bei Laune halten. Zur Not arbeiten sie eine Zeit lang kostenlos, Hauptsache: drin- und dranbleiben.
Wer in dieser schweren Zeit gut im Geschäft ist, kann sich auch für die Zukunft Vorteile verschaffen. Weil sich der Vorstand oft selbst um die von ihm in Auftrag gegebenen Sanierungsprojekte kümmert, entstehen besonders enge Beziehungen zwischen Berater und Kunde. "Die gemeinsame Erfahrung in kritischen Situationen schweißt zusammen", sagt BCG-Deutschland-Chef Christian Veith (49). Die Solidarität hat längst auch auf die Sitzreihen übergegriffen: Weil viele Klienten aus Kostengründen nur noch Economy fliegen dürfen, trauen sich auch die Consultants nicht mehr in die Business Class.
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