USA Nach der Party
Marcia Stein, eine Dame von jener gewinnenden Liebenswürdigkeit, die New Yorkerinnen jenseits der 60 bisweilen eigen ist, faltet die Hände auf ihrem Schreibtisch, neigt den Kopf leicht zur Seite und lächelt nun doch ein wenig verdrossen: "Wissen Sie, viele Amerikaner lernen gerade die Freuden kennen, die darin liegen, sich daheim etwas zum Essen zu machen, statt ständig auszugehen." Und das sei ja nicht das Schlechteste, fügt sie mit vornehmer Ostküsten-Intonation hinzu.
Die 69-Jährige leitet Citymeals-on-Wheels, eine Wohltätigkeitsorganisation, die Mahlzeiten an Alte und Bedürftige ausgibt und mit Gemeindezentren und Kirchen in allen New Yorker Stadtteilen eng zusammenarbeitet.
Von der Finanzkrise ist ihr Institut schwer in Mitleidenschaft gezogen worden: Einige Großspender stellten ihre Hilfsbereitschaft ein, rund 1,3 Millionen Dollar fehlen in der Kasse.
Das Büro von Marcia Stein befindet sich im zweiten Stock eines schlichten zehnstöckigen Gebäudes an der Kreuzung Lexington Avenue und 40. Straße in Manhattan.
An der Wand neben der Sitzgarnitur lehnt der eingerahmte und vergrößerte Artikel, den die "New York Times" vor zwei Jahren veröffentlichte, als Citymeals sein 25-jähriges Bestehen feierte und Bürgermeister Bloomberg am Heiligen Abend in Queens das 34-millionste Citymeal persönlich auslieferte.
Hinter ihrem Schreibtisch prangen ein paar Auszeichnungen und Belobigungen, auch eine Ehrenurkunde in "Anerkennung beispielhafter gemeinnütziger Arbeit" von 1984, unterschrieben vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan.
Marcia Stein ist Anhängerin der Demokraten, sie hat Barack Obama gewählt, der am 20. Januar, ein paar hundert Meilen südlich in Washington, den Amtseid abgelegt und in seinem langen Wahlkampf das Gefühl vermittelt hat, er sei zur Errettung der geplagten Nation fähig.
"Die netten Leute von Lehman Brothers"
Nun muss er beweisen, dass all das Gerede von "Hope" und "Change" Substanz besitzt - dass es einen Ausweg gibt aus einer Wirtschaftslage, die so schlecht ist wie seit Generationen nicht.
Ein beeindruckendes Ensemble von Fachleuten hat der Präsident um sich geschart, angeführt vom Finanzminister und früheren New-York-Fed-Chef Timothy Geithner und von Harvard-Meister Larry Summers als Chefökonom. Aber wissen sie, welcher Weg der richtige ist?
Jeder Demokrat, aber inzwischen auch jeder Republikaner, kennt zumindest den falschen und weiß, dass Reagan derjenige war, dessen Wirtschaftspolitik mehr oder weniger die Schwierigkeiten eingebrockt hat, unter denen heute alle leiden. Unter ihm hatte der Staat damit begonnen, die Kontrolle der Bank- und Finanzgeschäfte den Banken und Finanzgeschäftemachern zu überlassen. "Ja", sagt Marcia Stein, dreht sich um, lächelt bitter der Urkunde zu, "Reagan ...".
Die Investmentbank Bear Stearns gehörte mit einer halben Million Dollar im Jahr zu den freigebigsten Gönnern von Citymeals. Doch im März, nach der Beinahepleite des Instituts und dem Verkauf an J. P. Morgan Chase, versiegte dieser Quell nach zwölf Jahren von einem Tag auf den anderen.
Als Totalausfälle erwiesen sich ein pleitegegangener Hedgefonds, der 225.000 Dollar zum Jahresbudget beigetragen, und der Tabakkonzern Altria (Philip Morris), der sein Hauptquartier von New York nach North Carolina verlegt und sich seine 500.000 Dollar Zuwendung für Citymeals gespart hatte.
Auch viele Freiwillige, die an Wochenenden bei der Essenausgabe tatkräftig geholfen haben, kommen neuerdings nicht mehr vorbei, namentlich "die vielen netten Leute von Lehman Brothers".
Sie stellt dann noch einige Betrachtungen über Reagan an, über den "peace of mind" und das Rätsel, wofür manche Leute "zwölf Kreditkarten" brauchten, und sagt dann, dass "Gier" eigentlich nichts sei, was sie beschäftigt habe in den vergangenen Monaten. Im Gegenteil, die Höhe der Spenden von Einzelpersonen sei sogar gestiegen: "Um 2 oder 3 Prozent." Nein, ihre Landsleute seien gute Menschen, die meisten von ihnen, Bürgersinn und Hilfsbereitschaft viel ausgeprägter als irgendwo sonst.
Ein großes Loch im Selbstbewusstsein
So ganz geheuer ist den Amerikanern ja nur selten, dieser Tage aber ganz und gar nicht. Die Finanzwelt ist nur noch ein trostloses Durcheinander, der Arbeitsmarkt kalt, schmutzig und windgepeitscht. Die Leute sehen sich allgemeiner Missstimmung unterworfen, der Weg zu Seelenfrieden und innerem Gleichgewicht ist lang.
Viele Banken haben bereits Konkurs angemeldet, an weiteren musste der Staat rettend festmachen; zahlreiche Hedgefonds sind vernichtend geschlagen, jedem zweiten, fürchten Fachleute, stehe das gleiche Schicksal bevor.
Alle Kauffreude ist verflogen, und an der Wall Street, wo die großen Könige das Gold für ihre Kriege verwahrten, herrschen Missmut, Kümmernis und allgemeiner Mangel.
Mehr als 700 Milliarden, vielleicht sogar eine Billion Dollar, vielleicht noch viel mehr, so genau weiß das niemand, müssen die Steuerzahler aufbringen, um den Kollaps ihrer Wirtschafts- und Finanzordnung zu verhindern. Und an der Spitze der Regierung steht künftig (statt eines Cowboys aus Texas) ein afroamerikanischer Intellektueller aus Hawaii.
Alles wird anders, und wenn eines sicher ist, dann dies: "The party is over", wie Andrew Serwer sagt, der Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins "Fortune".
Anlass zur Besorgnis liefern vor allem die Zustände in New York, wo das Weltfinanzchaos seinen Ausgang nahm und wo die Pleite von Lehman Brothers am 15. September das erste große Loch ins Selbstbewusstsein der Amerikaner riss - eines Volkes, das mit seiner reizbaren Schmerzfähigkeit und schwärmerischen Liebe für den Wettkampf fest davon ausgeht, aus dem Nichts Milliarden schaufeln und den Lauf der Flüsse und die Form der Berge verändern zu können.
Wie ein Buschfeuer hat das krisenhafte Geschehen auf nahezu alle Branchen übergegriffen: Namentlich die großen Wirtschaftskanzleien an der Wall Street, treue Begleiter der früheren Investmentbanken, machen schlechte Geschäfte. Das Treiben kleinerer Personalberatungen ist gleich völlig zum Erliegen gekommen. Von American Express über die New York Times Company bis zu Swissport Cargo Services am JFK-Flughafen und den Börsenkursen, die immer noch verflucht zum Fallen inklinieren: Überall herrschen Abbau, Schwund und Niedergang.
Das nahende Ende einer Epoche
Manager, die sich ihren Humor bewahrt haben, laden zum "Depression Dinner" bei Meatloaf und Chicken Wings, Pinto Beans und Corn Bread. Kredenzt wird ein Tropfen, der den Zusatz Edel- nicht verdient: ein "Depression Wine" der Marke "Mondavi Fume Blanc" für 7,20 Dollar.
Und so verstreichen die Tage in ängstlicher Spannung - wenngleich sich die Erregung der Volksmengen unterdes mehr an General Motors, Chrysler, Ford und ihrem Schicksal entzündet hat, das bei Weitem anschaulicher ist als jenes der mit Abstrakta und Irrsinn handelnden Bankleute.
Amerika wird zwei Millionen Jobs verlieren, New York City 160.000, die Wall Street allein 45.000. In den Straßen der Stadt, in denen unduldsame Hochnäsigkeit, ständiges Übertreiben und eine gewisse Leichtlebigkeit immer regierten, herrscht die Stimmung vom nahenden Ende einer Epoche.
Auch an der Fifth Avenue, wo im Gegensatz zu vielen Seitenstraßen zumindest noch bis zum Jahreswechsel ein wirbelndes Durcheinander, eine freie und der Depression abgewandte Stimmung, lebhaftes Gedränge und Geschiebe herrschte, sind nun der Blues und seine ökonomische Spielart, die Konsumunlust, spürbar.
An der Kreuzung zur 54. Straße befindet sich der University Club. Er hat in einem sechsstöckigen Gebäude Quartier bezogen, das in seinem Inneren und Äußeren einem Renaissancepalazzo aus Siena oder Bologna aufs Mächtigste nachempfunden und aus fast rosafarbenem Milfordgranit errichtet worden und eine Zierde ist inmitten all des architektonischen Flitters sowohl wie ein Ausdruck des amerikanischen Elitebewusstseins sowohl wie seiner historisierenden Prachtentfaltung.
Hans W. Decker (79) ist seit 33 Jahren Mitglied. Der ehemalige Chef von Siemens USA, der einst Heinrich v. Pierer eingestellt hatte und noch heute zu dessen engsten Vertrauten gehört, lehrt seit 1992 an der Columbia University International and Public Affairs. Decker gehört zu den besten Kennern auf dem Gebiet des deutschen und amerikanischen Wirtschaftsbefindens.
Er sitzt in einem Ledersessel in der prachtvollen Bibliothek im ersten Stock des Klubs, der Straßenlärm dringt nur als gedämpftes Rauschen herein. Angesichts der Wirtschaftsaussichten, sagt er, könne "man depressiv werden, man glaubt ja fast, der American Way of Life sei dauerhaft beschädigt". Aber das sei "natürlich großer Quatsch".
Kapitalistische Killerinstinkte unter Verschluss
Sicher, es gab Exzesse, wer würde das bestreiten? Aber diesem Land, sagt Decker, "wohnt auch ein selbst korrigierender Impetus inne, der Reformen periodisch möglich macht". Und er meint echte Reformen, kein Reformgerede: "Amerikaner sind besonnen und beim Fehlerlösen besser, sie gehen auf die Dinge sofort zu."
Auf flüchtige Beobachter, sagt er, wirkten die USA nicht selten wie ein Land, in dem freie Kräfte ungebändigt herrschten und eine "kurzfristige Erfolgsmanie".
Doch seien die USA auch ein Land der Regeln und Verordnungen, besonders nach dem 11. September 2001 und dem Enron-Skandal wenig später.
"Ich kenne kein Land auf der Erde", sagt Decker, "das so sehr vom Wettbewerbsgedanken geprägt und das so voller Vitalität ist wie die USA. Der Raubtierinstinkt der amerikanischen Wirtschaftsführer wird nicht verloren gehen."
Doch einstweilen sind die US-kapitalistischen Killerinstinkte unter Verschluss. Die Zeiten sind nicht danach, wenn gefallene Topbanker und pleitegefährdete Automanager im Parlament um Milliardenalmosen betteln müssen.
Nicht nur die Wirtschaft steckt in der Krise. Auch am Ego der Amerikaner sind umfangreiche Renovierungsarbeiten nötig. Dies unterscheidet die aktuelle Situation von der Zeit nach dem 11. September 2001, die ebenfalls als Zäsur erlebt wurde, indes die Seelen der Amerikaner unbeschadet gelassen, ja sogar mit Rachedurst erfüllt hatte.
Nun wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Wirtschaftskrise auf irgendeine Weise eine reinigende Kraft auf Amerika ausübe. Und die meisten sind überzeugt davon, dass das Land ausgerechnet von einem Präsidenten zu sich selbst zurückgeführt wird, der den Wandel und das Neue sucht und predigt wie seit Jahrzehnten keiner vor ihm.
Ein neuer New Deal
Barack Obama soll nach allgemeinem Dafürhalten Amerika "zu einem anderen Land machen" - nur zu welchem, das weiß niemand mit Gewissheit zu sagen, und mit jedem Tag, an dem sich die Wirtschaftskrise verschärft, weiß man es weniger.
"Die neue demokratische Mehrheit", fordert Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, "sollte beherzt ein liberales Programm verfolgen, indem sie das Netz der sozialen Sicherheit erweitert und die Ungleichheit verringert, mit einem Wort: einen neuen New Deal."
Von den Wirtschafts- und Sozialreformen der 30er Jahre und der "Neuverteilung der Karten", wofür der sogenannte New Deal immer das Synonym war, sprechen heute nicht nur die Kommentatoren auf CNN oder im "Wall Street Journal": Allenthalben herrscht eine Bewegung, die sich auf sonderbare Weise vorwärts in die Vergangenheit schiebt - wie ein Prozess der Erschlaffung, des Stillstands und der Umkehr. Eines jedenfalls scheint gewiss: Die Stimmung bedarf dringend der Aufmunterung.
Die Jahre des Leichtsinns und des Eskapismus haben eine tiefe Sehnsucht erzeugt nach allem, was Bewahrung und Sicherheit verheißt: nach Sparsamkeit, Bescheidenheit. Auch von Fleiß, Anstand und Rechtschaffenheit geht neuerdings gern die Rede. Denn nicht nur die Wirtschaft erlitt schwere Schäden, sondern auch die Weltmarke "Amerika".
Zu den wichtigsten Exportartikeln der USA gehörte immer ihr Ideengut, jene Träume von Pioniergeist, Maßlosigkeit und Überfluss, die den American Way of Life so begehrens- und nachahmenswert machen. Aus gutem Grund ist die Welt nicht gewillt, dem dänischen oder ungarischen Lebensstil nachzueifern.
Nur wenige dieser weltweit Verbreitung findenden Ideen waren in den vergangenen 20 Jahren so machtvoll und geradezu ideologisch verklärt wie jene, mit denen Ronald Reagan 1981 die politische Bühne betreten hatte: dass der Staat sich aus den Belangen der Wirtschaft herauszuhalten, die Steuern um des Wachstums willen zu senken und der Unternehmenswelt die Lösung ihrer Probleme selbst zu überlassen habe.
Dieses Konzept ist in Gänze nun gescheitert und mit ihm die Illusion, dass die Kräfte der Wirtschaft sich selbst zügeln und regulieren könnten.
God's own country
Als wäre dies nicht schon deprimierend genug, sehen sich die Amerikaner auch ihres politischen und moralischen Führungsanspruchs beraubt, ja sie fürchten, ihn in der Folge von Irakkrieg und Guantánamo dauerhaft verwirkt zu haben. Und so erscheint die Herausforderung, den guten Namen von "God's own country" wiederherzustellen und die Anziehungskraft des "global brand USA" wiederzubeleben, fast größer als die Restaurierung eines ordnungsgemäßen Finanz- und Wirtschaftsbetriebs.
Gleich rechts neben dem Hauptquartier von J. P. Morgan Chase in der 245 Park Avenue, gegenüber von Bear Stearns, im 42. Stock eines Glasstahlbüroriesen, arbeitet Valerie E. Germain (52). Sie ist Managing Partner von Heidrick & Struggles, einer der größten Personalberatungen der Welt. Ihre Spezialität ist die Finanzszene, zu ihren Kunden zählten Morgan Stanley und die Prudential Insurance.
Germain hat einen Abschluss in Psychologie, und aus jeder ihrer Äußerungen und Gesten spricht Gelassenheit. Heidrick & Struggles ist börsennotiert. Nervosität kann man hier nicht dulden. "So eine Krise", sagt sie in einem Ton, als lobte sie einen guten Rotwein, "so eine Krise habe ich noch nie erlebt." Aber was sind schon Wirtschaftskrisen, scheint sie zu denken, gegen die wirklichen Krisen des Lebens, die Existenzkrisen?
Die Geschäfte von Heidrick & Struggles liefen verhältnismäßig munter zurzeit, sagt sie, wenngleich das Angebot an Führungspositionen mit jedem Tag verständlicherweise kleiner werde. Nicht kleiner jedoch werde der Bedarf an guten Managern. Tausende haben ihren Job verloren, und die meisten von ihnen sind völlig unvermittelbar. Denn sie repräsentieren die Gattung der wilden Wachstumsmanager: "Jede Krise", sagt Valerie Germain sanft, "schafft einen eigenen Bedarf an Führungsqualität."
Zurzeit sind frische Experten fürs Grundlagenmanagement gefragt: Fachleute in der Disziplin Sanieren & Sparen & schnelles Schalten. Auch werde von den Kandidaten allenthalben ein schärferer Wirklichkeitssinn dringend erwartet, größere soziale und einfühlende Fähigkeiten, "eine harmonische Mischung von IQ und EQ", wie Germain leise sagt.
Selbst wenn heute niemand vorhersagen könne, wie lange der wirtschaftliche Niedergang dauere und wie tief er schließlich reiche, so neige sie doch zu der Ansicht, dass auch diese Krise keine bleibenden Schäden am System verursachen könne - abgesehen davon, dass Führungskader in nächster Zeit "weniger verdienen werden als vorher".
Es sei "ähnlich wie 2001, und da hat es Jahre gedauert, bis das alte Gehaltsniveau wieder erreicht war". Doch dass es wieder erreicht wird, daran hegt die Beraterin nicht den geringsten Zweifel.
Das Gefühl, zur Unersättlichkeit berechtigt zu sein
Im Verständnis der amerikanischen Öffentlichkeit sind Gier und Größenwahn keine Auswüchse eines seinem Wesen nach ehrlichen und sauberen Kapitalismus, sondern sie sind das Wesen des Kapitalismus, vielleicht sogar des Lebens selbst.
Der Exzess spielt in der Tradition der Vereinigten Staaten eine geradezu begeisternde Rolle: Zum einen war die Eroberung des Westens und seine Besiedelung ein Ausdruck von Habsucht und Aneignungswillen. Das Gefühl, zur Unersättlichkeit berechtigt zu sein, lebt in den Nachfahren der Pioniere fort.
Zum anderen wird die gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Raffgier durch die nach außen gerichtete Verschwendungssucht und Spendenfreude ausgeglichen. Reiche Amerikaner verschleudern Millionen Dollar für Villen, Ferraris und Kunst. Ganze Branchen leben blendend von der Vergeudung.
Bevor Blackstone-Chef Stephen Schwarzman sein 37-Millionen-Dollar-Apartment an der Park Avenue und seine 20,5-Millionen-Dollar-Residenz in Florida beziehen konnte, freuten sich erst einmal Hunderte von Klempnern, Tischlern, Elektrikern und Malern über das blitzende Gepräge und bestimmt ein oder zwei Makler noch dazu. Und schließlich auch eine Grundschule in der Bronx, die von Schwarzman fünf Millionen Dollar als Gunstbezeugung in Empfang nahm. Noch immer gilt das Diktum des Industriellen Andrew Carnegie: "Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande."
Dass viele sich heute zerknirscht geben, sollte niemanden täuschen. Öffentlich vorgetragenen Selbstvorwürfen ist ja immer nur sehr bedingt zu trauen. Abschwünge und Geldverluste pflegen gewöhnlich eine dem Himmel zugewandte Stimmung zu erzeugen.
Natürlich verleihen die Amerikaner ihrer kritischen Haltung auch deshalb mit so viel Freude Ausdruck, weil die Ereignisse es ihnen erlauben, mit Abscheu und Grimm über Habgier und Niedrigkeit zu sprechen. Amerika ist ein religiöses Land. Reue und Einsicht sind bewährte Techniken, sich freizusprechen (um nach einer Schamfrist unbeschwert weiterzumachen).
Das Einzige, wovor sich die Leute wirklich fürchten, dies hört man in vielen Gesprächen, ist, dass unter den wirtschaftlichen Wirrnissen die stärksten Kräfte des amerikanischen Wirtschaftens womöglich geschwächt werden: Unternehmergeist und Optimismus.
Und so ist der New Deal von Barack Obama ein Balanceakt: Er muss den wirtschaftlichen Einfluss des Staates stärken und dabei doch die Vitalität der Nation und ihrer Bürger erhalten. Kann ihm dies gelingen? Es ist, wie so vieles in Amerika, eine Frage des Glaubens.