Insolvenzverwalter Mehr Henker als Helfer

Wenn Unternehmen in die Pleite rutschen, dann schlägt die Stunde der Insolvenzverwalter. Doch ausgerechnet diese Zunft ist durchsetzt von findigen Abzockern und ahnungslosen Abwicklern, die der Volkswirtschaft Milliardenschäden bereiten. Die Branche muss dringend reformiert werden.

Wann genau Reinhard Mühl (61) in jene Abwärtsspirale geriet, die ihn schließlich hinter Gitter brachte, lässt sich heute nicht mehr so recht rekonstruieren. Fest steht, dass der Insolvenzverwalter Hunderte von zahlungsunfähigen Betrieben betreute, sich weithin einen Namen gemacht hatte und bestens verdiente.

Fest steht aber auch, dass ihm irgendwann die Millioneneinkünfte aus dem Sequestergeschäft nicht mehr reichten. Mühl wollte mehr, er suchte nach einem zweiten Standbein und gründete Mitte der 90er Jahre die KTG Kunersdorf Beteiligungsgesellschaft in Hannover. Die Firma wuchs rasant. Sie kaufte Immobilien, baute eine Kinokette auf, stieg bei Industrieunternehmen ein.

Immer schneller drehte sich das Rad - bis klar war, dass sich die KTG verspekuliert hatte. Um den Kollaps abzuwenden, verfiel Mühl auf eine verhängnisvolle Idee: Auf den von ihm geführten Anderkonten lag jede Menge Cash. Wem würde es schon auffallen, wenn die KTG die eine oder andere Anleihe nähme? Das Kalkül schien aufzugehen. Über viele Jahre hinweg stopfte Mühl die KTG-Löcher mit Kapital aus Insolvenzmassen, und kein Richter oder Rechtspfleger wurde misstrauisch.

Sogar als sich 2002 mehrere Gläubiger beschwerten, weil sie endlos lange auf ihr Geld warten mussten, blieben die Gerichte untätig. Jeder Verwalter habe mal Arbeitsrückstände, hieß es lapidar.

Erst als sich Mühl angesichts seiner ausweglosen finanziellen Situation selbst anzeigte, flog der Megaschwindel auf. 2007 bestrafte das Landgericht Hildesheim den geständigen Angeklagten wegen Veruntreuung von 45 Millionen Euro in 106 besonders schweren Fällen mit acht Jahren Haft.

Die Causa Mühl wirft ein grelles Licht auf eine Zunft, der gerade jetzt, da die Pleitenzahlen infolge der Finanz- und Konjunkturkrise wieder deutlich ansteigen, eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Doch ausgerechnet diese Branche ist durchsetzt von findigen Abzockern und unprofessionellen Abwicklern. "1000 der rund 1900 in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter sollte man aussortieren", fordert Hans Haarmeyer (60), ein ehemaliger Konkursrichter. "Denen würde ich nicht einmal die Betreuung meiner Mutter im Altersheim übertragen."

Willkür und Missbrauch stehen Türen offen

Sicherlich, Kriminelle wie Mühl bilden die Ausnahme, und ebenso sicher ist, dass es viele gewissenhafte Verwalter gibt, die sich nicht als Henker, sondern als Helfer verstehen. Sie beherrschen ihr Handwerk und versuchen mit aller Kraft, fallierte Firmen zu sanieren oder zumindest möglichst hohe Quoten für die Gläubiger herauszuschlagen. Aber wer kann schon die Redlichen von den Anrüchigen unterscheiden?

Kaum eine andere Gilde ist so undurchsichtig wie die der amtlich bestellten Manager auf Zeit. Jeder darf sich Insolvenzverwalter nennen, egal ob Prädikatsjurist oder Buchhalter. Entsprechend gering ist die Qualifikation einiger selbst ernannter Spezialisten.

Die verantwortungsvolle Aufgabe regelt weder eine Vergabeordnung, wie sonst bei öffentlichen Aufträgen, noch eine Berufsordnung, wie sie für Anwälte oder Notare gilt. Der Insolvenzverwalter bewegt sich in der Grauzone.

Bestellt werden die Treuhänder von den Richtern an den Amtsgerichten; welche Kriterien sie bei der Auswahl der Kandidaten anlegen, bleibt ihr Geheimnis. Die Insolvenzordnung schreibt lediglich vor, dass die mandatierte Person "unabhängig" und für den jeweiligen Einzelfall "geeignet" sein muss.

Die Kontrolle der Verwalter wiederum obliegt im Wesentlichen den Rechtspflegern. Aber auch deren Arbeit wird kaum durch allgemein gültige Vorgaben definiert.

Der Willkür ist so Tür und Tor geöffnet und auch dem Missbrauch. Viele Gerichte beauftragen stets die gleichen Sequester, und weil man sich meist gut kennt, aber auch weil viele Richter und Rechtspfleger überlastet und unterqualifiziert sind, schauen sie oft nicht richtig hin. "Das ist eine perfekt organisierte Selbstbedienungsmaschine", behauptet Oliver Nix (43), der früher bei einem Verwalter gearbeitet hat.

In dem blickdichten System gedeihen die facettenreichsten Formen der Bereicherung. So hat das Landgericht Hildesheim 2007 gegen vier Männer Anklage wegen Bestechung und Bestechlichkeit erhoben. Der Vorwurf: Drei Verwalter hätten in 40 Fällen einen Auktionator mit der Bewertung und Versteigerung von Insolvenzmassen beauftragt und ihm aus den Kassen der Pleitefirmen Gebühren bezahlt, die über den marktüblichen Sätzen lagen. Die Hälfte des Aufgeldes habe der Auktionator an die Liquidatoren zurücküberwiesen.

Den Schaden tragen stets die Gläubiger

Den Schaden tragen stets die Gläubiger, denn durch solche Machenschaften schrumpft die Masse, aus der ihre Forderungen bedient werden. Die wenigsten der Geprellten aber wehren sich, weil sie glauben, bei den Schuldnern sei ohnehin nichts mehr zu holen. Und die kleine Schar derer, die gegen einen Verwalter aufbegehrt oder gar die Justizverwaltung wegen mangelnder Aufsicht in Amtshaftung nehmen will, "rennt bei den Gerichten gegen eine Gummiwand", sagt Nix, dessen Hamburger Kanzlei mehrere Insolvenzgeschädigte vertritt.

Die gleiche Erfahrung machten Anleger der bankrotten Wertpapierhandelsfirma Phoenix Kapitaldienst in Frankfurt. Sie behaupten, Phoenix-Liquidator Frank Schmitt (43) habe ihre Kapitaleinlagen der Masse zugeschlagen. Das sei unzulässig, weil die Gelder den Anlegern direkt zustünden und nicht als Insolvenzquote an alle Gläubiger verteilt werden dürften. Schmitt sagt, sein Vorgehen sei rechtens.

Durch die Transaktion stieg die Masse um 170 auf 230 Millionen Euro. Ein hübsches Geschäft für Schmitt. Weil sich das Honorar hauptsächlich nach der Masse bemisst, erhielt er allein für die ersten vier Monate als vorläufiger Insolvenzverwalter 3,2 Millionen Euro. Vermutlich wird sich das Verfahren noch Jahre hinziehen, daher rechnen Anleger mit einer Endvergütung von bis zu 30 Millionen Euro. Schmitt bezeichnet die Summe als "weit entfernt von dem, was tatsächlich abgerechnet werden kann". Dennoch klagt Markus Ross (48) vom Phoenix-Rechtsverfolgerpool: "ein krasser Fall von Bereicherung".

Anlegervertreter erstatteten 2007 Strafanzeige gegen Schmitt. Erfolglos. Ein strafrechtlich relevanter Vorwurf konnte Schmitt nicht gemacht werden.

Hilflose Gläubiger, dienstbare Rechtspfleger und Verwalter, die sich in der Vergütungsordnung besser auskennen als in den ihnen anvertrauten Betrieben - sie sind keineswegs Einzelfälle.

In Schwung gekommen ist das Gewerbe erst in den 90er Jahren. Als nach der Wiedervereinigung zahllose Firmen ihre Türen schlossen, entdeckten unerfahrene Anwälte und Kaufleute ein neues Aktionsfeld. Sie strömten gen Osten und wickelten dort die Hinterlassenschaften des Sozialismus ab. Parallel dazu bauten alteingesessene Kanzleien ihre Netzwerke aus. Insolvenzfabriken wuchsen heran, wie die Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft. Deren 36 bestellte Verwalter betreuen an 30 Standorten pro Jahr rund 250 neu eröffnete Unternehmensinsolvenzen.

Schenkungen könnten anfechtbar sein

So stieg zwischen 2003 und 2007 die Zahl der mandatierten Firmensequester um 16 Prozent auf 1879. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der Pleiten um ein Viertel auf knapp 30.000. Pro Verwalter fielen also immer weniger Fälle an, zugleich nahmen die für die Vergütung ausschlaggebenden Massen ab, weil es nur noch wenige spektakuläre Zusammenbrüche gab.

Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind die kleineren Boutiquen, die hin und wieder eine verblichene GmbH zu Grabe tragen und sich ansonsten mit den schlecht bezahlten Verbraucherinsolvenzen begnügen müssen. Experte Haarmeyer schätzt, dass mindestens 500 Büros ums Überleben kämpfen.

Je härter der Konkurrenzkampf, desto größer die Bereitschaft, die eigene Kanzlei zulasten der Gläubiger zu subventionieren. Hans-Jürgen Steeg (67) hat zum Beispiel mit den Geldern bankrotter Firmen die laufenden Kosten seiner Praxis finanziert und sich obendrein einen verschwenderischen Lebensstil gegönnt. Das Landgericht Aachen verurteilte ihn 2006 wegen Untreue in 317 Fällen zu vier Jahren Haft.

Die Verlockung, mal eben in die Kasse zu greifen oder auch nur ein paar Büromöbel abzuzweigen, ist auch deshalb so groß, weil sich Unregelmäßigkeiten leicht vertuschen lassen. Wer kann schon beurteilen, ob der Insolvenzverwalter bei der Aufstellung der Inventarliste alle Vermögensgegenstände erfasst? Und wem fällt schon auf, dass ein Liquidator den Maschinenpark zum Schnäppchenpreis an das Unternehmen seiner Frau verhökert, die dann die Ware zum höheren Marktwert weiterverkauft?

Eine fragwürdige Begebenheit trug sich in Aachen zu. Dort betreute Rolf-Dieter Mönning (60) die fallierte Textilfirma Siso. Nach einiger Zeit verkaufte er Siso an einen Fonds. Doch der hatte keine Freude an der Tochter: Siso war bald wieder pleite. Ein neuer Verwalter wurde bestellt. Der registrierte, dass bei Siso ein wertvolles Bild fehlte.

Peinlich für Mönning. Er erklärte schriftlich, dass er sich das Bild habe schenken lassen - von der Siso-Geschäftsführung, die er als Insolvenzverwalter selbst eingesetzt hatte. Er sei davon ausgegangen, dass das Bild nicht mehr zum Firmenvermögen gehörte. "Die Schenkung könnte anfechtbar sein", schrieb Mönning im Dezember 2006 nach einer von ihm veranlassten Prüfung und bekundete seine Bereitschaft, das Werk "zurückzugeben oder eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten". Mittlerweile ist das Bild wieder bei Siso.

Möglichkeiten der Kontrolle sind begrenzt

Der Fantasie der Verwalter sind so gut wie keine Grenzen gesetzt. Nur zu gern werden von einer Schwestergesellschaft teure Gutachten angefordert oder Beratungsverträge an assoziierte Unternehmen vergeben. Alles Bereiche, die kaum kontrolliert werden.

Die Insolvenzordnung verpflichtet die Verwalter nicht einmal, für jede Firma ein eigenes Anderkonto zu führen. Und es ist auch nicht festgeschrieben, in welchen Abständen den Gerichten im Verlauf des Verfahrens Einnahmen und Ausgabenrechnungen vorgelegt werden müssen. Lediglich ein Schlussbericht ist zwingend. "Das wuchert alles vor sich hin", bedauert Siegried Beck (62), der dem Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) vorsitzt.

Hinzu kommt, dass den meisten Rechtspflegern zu wenig Zeit für die Überwachung der Treuhänder bleibt. So entging den Aufsehern im Fall Mühl, dass der Mann für die von ihm betreuten Unternehmen ein zentrales Festgeldkonto eingerichtet hatte, vom dem er sich ungeniert bediente. Und auch die gefälschten Kontoauszüge, die Mühl vorlegte, hielten die Beamten für echt.

"Unsere Möglichkeiten, einen Insolvenzverwalter zu kontrollieren, sind begrenzt", entschuldigte sich Richter Otto Seibert, als Mühl endlich zur Verantwortung gezogen wurde. Bei 5000 laufenden Verfahren seien zwei Richter und neun Rechtspfleger zwischendurch nicht zu umfassenden Prüfungen in der Lage.

Schieber und Schummler profitieren auch vom unzureichenden Fachwissen der Rechtspfleger. Unternehmensberater Dirk Pfeil (60) höhnt: "Gerade die Jüngeren haben ihre wirtschaftlichen Kenntnisse bestenfalls aus dem Fernsehen." Und einer seiner Kollegen berichtet folgende Geschichte: Eine Rechtspflegerin habe drei Bilanzen von verschiedenen Firmen ausgebreitet und ihn gefragt, wie es sein könne, dass die Summen auf den Aktivaseiten immer den Werten auf den Passivaseiten entsprächen.

Nicht viel gewiefter sind manche Richter. An kleineren Gerichten kümmern sie sich nebenher noch um Ehescheidungen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten. Und selbst wenn sich einer in die Grundzüge der Betriebswirtschaft einliest, steigert das die Qualität des Gerichts im Regelfall nicht nachhaltig. Der Grund: Die meisten Juristen wechseln nach wenigen Jahren in eine andere Abteilung, denn der Job des Insolvenzrichters genießt kein hohes Ansehen und ist schlecht besoldet. Da kommt es dann schon mal vor, dass eine Amtsperson schwach wird, wenn sie ein Verwalter umgarnt. Wie im Fall eines Mannheimer Richters. Zum Dank für die Mandate, die er einem Liquidator zuschob, gab es flotte Autos, feinsten Wein und edlen Champagner aus der Konkursmasse. Die Sache kam heraus, der Mann kassierte zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung.

Ruf nach Transparenz findet wenig Widerhall

Ähnliches berichtet Hans Stephani (65) vom Amtsgericht Magdeburg. Er war dort in den 90er Jahren als Konkursverwalter tätig und sollte "regelmäßig 20 Prozent des Honorars in einem Umschlag an den jeweiligen Richter abgeben", der ihn bestellt hatte. Das sei damals üblich gewesen. Das Gericht weist die Vorwürfe als "frei erfunden" und "ungeheuerlich" zurück.

Bestechlichkeit spiegelt sicherlich nicht den Alltag der Justiz wider. Gleichwohl lassen die vielen Fehlentscheidungen und Gefälligkeiten aufhorchen:

  • In Magdeburg, so erinnert sich Stephani, übergab ein Rechtspfleger seinem Vorgesetzten zwei Tickets für eine Reise nach Lanzarote, die ihm ein Verwalter zugeschickt hatte. Der Beamte wurde versetzt, der Treuhänder durfte bleiben.

  • Der mittlerweile verurteilte Verwalter Klaus-Philipp Lange (59) hatte die Vorlage einer Abschlussrechnung über Jahre hinausgezögert. Trotzdem konnte er seine Mandate behalten. Erst als sich Lange selbst anzeigte, erkannten die düpierten Kontrolleure, dass sie einem Rechtsbrecher aufgesessen waren.

  • Die Staatsanwaltschaft Schwerin ermittelte ab 1995 mehrere Jahre gegen Hans-Jürgen Lutz (57) wegen Untreue. Trotzdem versorgte ihn die Justiz mit großen Mandaten. Es dauerte zwölf Jahre, bis der Verwalter wegen eines Schadens von 3,1 Millionen Euro zur Rechenschaft gezogen wurde. Richter und Rechtspfleger hätten ihm die kriminellen Taten erleichtert, befand das Gericht.

Anwalt Nix zieht ein ernüchterndes Fazit: "Es findet an deutschen Amtsgerichten so gut wie keine Kontrolle statt."

Es wäre gar nicht so schwer, die Mauscheleien zwischen Gerichten und Insolvenzverwaltern einzudämmen - wenn nur die Vorgaben des Verfassungsgerichts befolgt würden. Die obersten Richter forderten 2006, dass vor der Bestellung eines Treuhänders ein "Qualifikationsnachweis mit strengsten Anforderungen" erbracht wird. Indes, der Ruf nach Transparenz findet wenig Widerhall. Nach wie vor macht jedes der 183 deutschen Insolvenzgerichte, was es will. Einige verzichten auf eine Überprüfung, andere stellen Eignungsanforderungen, doch die Qualitätskriterien, die sie zugrunde legen, variieren von Gericht zu Gericht.

Um den Wildwuchs zu bekämpfen, hat Hans Haarmeyer, der Wirtschafts- und Arbeitsrecht lehrt, mit Kollegen und Studenten ein Verfahren entwickelt, das die Solidität und Professionalität von Insolvenzverwaltern bewerten soll. Wer bei der Auswertung des Fragebogens besonders gut abschneidet, erhält nicht nur ein Zertifikat, sondern wird auch in ein Ranking der Topverwalter aufgenommen.

"Man arbeitet an einer Gelddruckmaschine"

Haarmeyers Methode ist so kompliziert wie umstritten. Er berechnet auf der Basis mehrjähriger Analysen diverse Durchschnittswerte, etwa für die Dauer der Verfahren oder für die Höhe der Ausschüttungsquoten. "Mit der Erhebung erhalten die Gerichte erstmals leistungsbezogene Vergleichszahlen und können daran die Verwalter messen", schwärmt Michael Pluta (58), einer der Großen der Branche.

"So ein Rating ist unseriös", empört sich dagegen Frank Kebekus (45), Sprecher des Gravenbrucher Kreises, eines Zusammenschlusses überregional tätiger Insolvenzkanzleien. "Es gibt komplexe und einfache, große und kleine Verfahren, die sind nicht miteinander zu vergleichen."

Eine Einigung auf ein einheitliches Verfahren ist nicht in Sicht. 53 Verwalterbüros erhielten bislang ein Testat, das auf Haarmeyers System basiert. Die 420 VID-Mitglieder verpflichteten sich kürzlich auf eine Zertifizierung nach der ISO-9000-Norm, die aber lediglich einen reibungslosen Ablauf in der Kanzlei bestätigt. Zudem müssen sie die VID-Berufsgrundsätze einhalten. Und die große Mehrheit der nicht organisierten Verwalter wurstelt wie eh und je vor sich hin.

Gestrauchelte Entrepreneure und um ihr Geld bangende Gläubiger laufen also weiterhin Gefahr, an einen Sequester zu geraten, der mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Viele Insolvenzverwalter haben noch nie einen Betrieb geführt, geschweige denn saniert. Sie können nur eines: so schnell wie möglich liquidieren.

Dabei ist längst nicht jede in Not geratene Firma am Ende. Nach Ansicht des Insolvenzspezialisten Pfeil "könnte so manche Gesellschaft gerettet werden, wenn sich der Verwalter mehr engagieren würde".

Haarmeyer schätzt, dass "schlampige Verwalter Jahr für Jahr 100.000 Arbeitsplätze vernichten". Eine Zahl, die auch VID-Vormann Beck für "denkbar" hält. Ebenso erschreckend sind die Verluste der Gläubiger. Ihnen entgehen "jährlich rund zehn Milliarden Euro", glaubt Haarmeyer, "weil die Treuhänder Ansprüche nicht ermitteln und mit Nachdruck durchsetzen". Und weil sie nicht selten in die eigene Tasche wirtschaften.

Aber kaum einer prangert das marode System an. Die Gläubiger halten meist still, viele Richter und Rechtspfleger ducken sich weg, und die seriösen Sequester, die um den Leumund ihrer Branche besorgt sind, fühlen sich machtlos.

So gilt bis heute, was Insolvenzverwalter Mühl schon vor Jahren über seinen Beruf gesagt haben soll: "Es gibt nichts Besseres: Man ist staatlich gedeckt und arbeitet an einer Gelddruckmaschine."

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