Ebay "Mitten im Turnaround"
mm: Mr. Donahoe, wie konnte es so weit kommen?
Donahoe: Sie meinen, wie konnte Ebay die Nummer eins im weltweiten E-Commerce werden?
mm: Nein, wir meinen eher: Warum muss der einstige Star des Internets jetzt ein Zehntel seiner Belegschaft entlassen? Warum stagnieren Ihre Nutzerzahlen? Warum ist das Handelsvolumen im dritten Quartal 2008 erstmals gesunken?
Donahoe: Ihre Fragen beziehen sich auf das klassische Auktionsgeschäft, mit dem Ebay groß geworden ist. Inzwischen machen wir weniger als die Hälfte unseres Umsatzes mit solchen Auktionen. Ebay steht immer stärker für den Online-Handel von Waren zu Festpreisen und für die sichere Zahlungsabwicklung im Internet mit unserer Tochter Paypal - die übrigens rasant wächst.
mm: Heißt das, Sie erwarten kein Wachstum mehr aus dem Auktionsgeschäft?
Donahoe: Nein, das heißt es keineswegs. Aber das Format, über das Online-Handel betrieben wird, spielt immer weniger eine Rolle. Wir wollen bei den Auktionen wachsen, ebenso bei Verkäufen zum Festpreis auf der Ebay-Plattform, zunehmend auch bei unseren anderen E-Commerce-Angeboten etwa beim Fahrzeugmarkt Mobile.de oder dem Kleinanzeigenportal Kijiji.
mm: Bei den Nutzern steht Ebay noch immer für Auktionen, für "drei, zwei, eins ... meins!"
Donahoe: Das wundert mich nicht, das Auktionsgeschäft war schließlich unser allererstes Geschäftsmodell. Das ist jetzt reif für eine grundlegende Neuausrichtung. Wir stecken hier mitten in einem Turnaround-Prozess, der noch ein oder zwei Jahre dauern wird.
mm: Wer von Turnaround spricht, ist vorher zu lange in die falsche Richtung gelaufen - oder?
Donahoe: Das sehe ich nicht so. Wir machen jene Phase durch, die jedes erfolgreiche Unternehmen irgendwann durchläuft: Auf stürmisches Wachstum folgt eine Zeit der Anpassung. 2008 hat sich unser Auktionsgeschäft mehr verändert als in den fünf Jahren zuvor. Im Nachhinein kann man sich immer wünschen, man hätte früher auf die ersten Zeichen der Veränderung reagiert.
"Zu lange auf die Verkäufer konzentriert"
mm: Kennen Sie eigentlich Xing?
Donahoe: Wie bitte?
mm: Xing, das Online-Netzwerk für Geschäftskontakte.
Donahoe: Ach ja, natürlich! Das börsennotierte Unternehmen, bei dem unser bisheriger Deutschland-Chef Stefan Groß-Selbeck CEO wird. Ein toller Karriereschritt für ihn.
mm: Finden Sie? Xing macht gut 30 Millionen Umsatz im Jahr, bei Ebay hat Groß-Selbeck rund das 20-fache Geschäftsvolumen verantwortet. Wir sehen in seinem Weggang ein Indiz für den Frust im Ebay-Management. Ihre Landesgesellschaften hatten bislang große Freiheiten. Sie lassen nun wichtige Bereiche zentralisieren.
Donahoe: Das sehe ich anders. In den USA sind schon viele Ebay-Manager einen ähnlichen Weg gegangen wie Groß-Selbeck und besetzen heute Toppositionen in unserer Branche.
mm: Deutschland ist für Ebay der zweitgrößte Markt nach den USA. Warum sollen Entscheidungen, die Deutschland betreffen, künftig in den Europa-Zentralen in London und Zürich fallen?
Donahoe: Die alte dezentrale Struktur stammte noch aus der Anfangszeit des Internets, als es um Pionierarbeit ging. Heute sind wir ein globaler Konzern. Wenn wir weiter wachsen wollen, kann nicht jedes Land alles individuell machen. Aber wichtige Bereiche bleiben ja weiterhin in Berlin, etwa die Kundenbetreuung. Und das ist ein Bereich, in den wir verstärkt investieren wollen.
mm: Hat sich Ebay denn bislang zu wenig um seine Kunden gekümmert?
Donahoe: Wir haben uns zu lange auf die Verkäufer konzentriert. Immer wieder haben wir uns gefragt, wie wir für die Händler noch attraktiver werden können. Dabei sind in den vergangenen Jahren gerade die Kunden anspruchsvoller geworden. Sie wollen die Sicherheit haben, dass sie stets qualitativ gute Ware zum fairen Preis bekommen.
"Schwarze Schafe stärker sanktionieren"
mm: Versuchen Sie deshalb, Ebay-Verkäufern, die von Kunden schlecht bewertet werden, das Leben schwerer zu machen?
Donahoe: Unser Ziel ist es, Verkäufer zu belohnen, mit denen die Kunden zufrieden sind - und solche Anbieter noch stärker zu sanktionieren, die Verantwortung tragen für den Großteil der schlechten Kauferfahrungen bei Ebay.
mm: Jahrelang schienen Sie gegenüber Ihrem Wettbewerber Amazon das bessere Geschäftsmodell zu besitzen, weil Ebay keine teuren Lager betreibt und nicht selbst Kapital für den Wareneinkauf bindet. Inzwischen ist Amazon von einer Online-Buchhandlung zu einer Handelsplattform wie Ebay geworden und wird an der Börse höher bewertet als Ihr Unternehmen. Haben Sie das Rennen verloren?
Donahoe: Im Moment liegen wir in der Börsenbewertung leicht zurück, aber das Rennen hat erst begonnnen. Auf E-Commerce entfallen gerade einmal 5 Prozent des weltweiten Einzelhandels. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Anteil innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre mehr als verdoppeln wird. Da bleibt Platz für viele Gewinner. Außerdem gibt es nach wie vor Unterschiede zwischen uns und Amazon: Ebay wird zum Beispiel niemals selbst Waren einkaufen und Lagerhäuser betreiben.
mm: Wie wird sich die Finanzkrise auf Ihr Geschäft auswirken?
Donahoe: Je mehr die Menschen ihr Geld zusammenhalten müssen, desto attraktiver wird Ebay für sie. Früher haben sich die Leute einen neuen iPod gekauft, jetzt schauen sie bei uns nach einem gebrauchten.
mm: Welche Hoffnungen verbinden Sie - angesichts der Krise - mit dem neuen US-Präsidenten Barack Obama?
Donahoe: Für mich verkörpert er das Beste an Amerika. Seine Wahl zeigt, dass die politische Kultur in den USA intakt ist, und die Amerikaner sich nicht von der Welt isolieren wollen.
mm: Ihre Frau gehört zu den prominenten Unterstützern von Obama. Meg Whitman, Ihre Vorgängerin auf dem Ebay-Chefposten, war eine der Wahlkampfleiterinnen von John McCain.
Donahoe: Ja, das ist mein Schicksal, zerrissen zwischen zwei Frauen ... im Ernst: Ich habe Obama gewählt.