Günther Jauch Das Prinzip Jauch

Der Typ scheint völlig normal. Frau, Kinder, Abendbrot. Aber er ist Multimillionär. Der beliebteste Deutsche. Jeder Dritte wünscht ihn sich in der Politik. Alle kennen ihn. Aber kaum einer weiß, wie seine Erfolgsmaschine funktioniert. manager magazin erklärt, was jeder Manager von Günther Jauch lernen kann.

1. Der Herr der Signale

Jauch ist Meister des Zwischentons. Seine Autorität erwächst nicht aus großen Gesten, sondern aus minimalen Zeichen. Je leiser er spricht, desto aufmerksamer hören die Menschen zu. Am Ende lachen alle.

Als Jauch im Frühjahr 1999 den 158-seitigen Vertrag der britischen Produktionsfirma Celador in den Händen hielt, war klar: Das Korsett ist eng. Es würde kaum Chancen zum Solo für den Moderator geben.

Quizshows sind lukrative Produkte. Sie werden heute als Marken und nicht mehr als bloße Spielidee verkauft. Der Moderator ist ein Detail, das genauso festgelegt ist wie Studiodesign, Licht, Musik und Kameraführung. Seine Beiträge sind weltweit standardisiert.

Es gibt kaum Spielraum, aber Jauch nutzt ihn virtuos: eine gelüpfte Braue, der Anflug eines Grinsens, Kunstpause, Nachfrage, Augenschließen, aber auch Zuhören und sich kleinste Details einfach nur für später merken.

Mit derlei kleinen Signalen ist es Jauch gelungen, was nur wenige vor ihm geschafft haben: Er hat einem Standardprodukt ein Gesicht gegeben - sein Gesicht. "Wer wird Millionär?" ist die Jauch-Show. Weil sie echt ist. Echt Jauch. Und daher kommt es seit Jahren zu televisionären Highlights wie diesem:

Jauch: "Wer beherrschte im 16. Jahrhundert große Teile Mexikos? Waren es a) die Azoren, b) die Azubis, c) die Azteken oder d) die Azzuris?"

Kandidat: "Die Azoren."

Jauch: "Sind Sie wirklich sicher?"

Kandidat: "Die Azubis können es ja nicht sein. Aber vielleicht die Azteken? Oder die Azzuris? (...) Ich möchte den Telefonjoker."

Jauch: "Egal, wen Sie anrufen, er wird es Ihnen sagen!"

Der Helfer am Telefon: "Also, ich schwanke da zwischen den Azteken und den Azoren."

Zwei kurze Sätze, und das Land ist unterhalten. Kinder und Professoren, Rentner und Einwanderer schauen Jauch zu: Deutschland eben. "Wer wird Millionär?" ist einer der größten Hits des deutschen Fernsehens. Er weiß, dass Millionen draußen toben und lachen, pöbeln und besserwisserisch sind. Und er bietet ihnen die Gelegenheit. Mit arglosem Blick bringt er Kandidaten zur Strecke oder hebt sie listig auf den Thron.

Jauch, der nette Sadist von nebenan, hilft den Hilflosen und bremst die Überheblichen. Er verführt und manipuliert. Am Ende lachen alle, und Jauch lacht mit.

Der Menschenversteher

2. Der Menschenversteher

Vielen Medienprofis merkt man schon von Weitem an, dass sie ihr Publikum, ihre Leser und Zuschauer verachten. Sie sitzen hoch zu Ross. Jauch ist anders: ein Freund des Fußvolks. Er mag seine Gäste, auch wenn sie manchmal etwas anstrengend sind.

Günther Jauch ist ein begnadeter Psychologe. Er hat ein Gespür für Menschen, hört zu und hält Pausen aus. Erzählt ein Kandidat, dass er noch bei Mama wohnt, geht er erst darüber hinweg, um anschließend den Gewinn in Socken umzurechnen.

"Wer wird Millionär?", ein Mix aus Quiz, Talkshow und Reality-TV, ist billige Fließbandproduktion. "Originell kann man das nur machen, wenn man nicht über die Leute hinwegwischt", sagt Jauch. Bei ihm ist der Gast König. Natürlich nach ihm - aber das merkt man nicht, jedenfalls nicht sofort.

RTL-Kollege Peter Kloeppel sagt: "Ich finde es sensationell, wie Günther Jauch mit seinen Gästen umgeht, wie er jedem das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes zu sein." Dabei inszeniert er Mitmenschlichkeit nicht, wie es viele seiner Kollegen tun. Weder Beckmanns einstudierten Dackelblick noch Friedmans ewiges Angefasse würde sich Jauch erlauben. Erst Distanz verrät den wahren Respekt. "Ich glaube, die Zuschauer merken, dass ich mich nicht verstelle", sagt Jauch über sich.

Der TV-Mann besitzt natürliche Neugier und Offenheit. Trotz unzähliger Sendungen kann er sich stets neu begeistern. Er stellt die Fragen, die seine Zuschauer auch stellen würden. Die Psychologie nennt das "Empathie und Projektion". Diese Fähigkeit betrachten Kommunikationsexperten als Schlüssel zur erfolgreichen Gesprächsführung. Jauch orientiert seine Handlungsentwürfe an den Zuschauererwartungen. Wer den Ton trifft, weil er sein Gegenüber richtig einschätzt, bringt sein Anliegen eher durch.

Der Karrierestratege

3. Der ausdauernde Karrierestratege

RTL-Chef Helmut Thoma lud Jauch 1995 zum Essen ein. Der Grund: Sat 1 wollte den Star mit einem Millionenvertrag abwerben. Nach Fisch und Weißwein und 26 Wochen Bedenkzeit stand fest: Jauch bleibt. Ein klares Bekenntnis zu Kontinuität, Unabhängigkeit und zur eigenen Kernkompetenz.

Jauch ist kein Jobhopper. Er braucht eine sichere Basis, um erfolgreich arbeiten zu können. Der Familienvater scheut nicht das Risiko, aber er weiß zu schätzen, was er hat. Zum Beispiel: "Stern TV". Dieses Magazin moderiert er seit April 1990. Inzwischen zählt es zu den TV-Klassikern. "Wer länger im Geschäft bleiben will", sagt Jauch, "sollte nicht kurzlebigen Trends hinterherlaufen. Was hat es für einen Sinn, wenn Sie zwei Jahre gehätschelt werden, und dann, ausgepresst wie eine Zitrone, niemand mehr etwas mit Ihnen anfangen kann?"

Sein Erfolg beruht auf kluger Selbstbeschränkung. Jauch macht das, was er kann und was ihm überschaubar scheint: gehobene Unterhaltung. Nach Ansicht von Personalberater Gerd Radisch sind "Kernkompetenzen die elementaren Stärken, die die Grundstruktur im Persönlichkeitsprofil eines Managers ausmachen". Nicht jeder kann alles. Früh stand für Jauch fest: "Lieber die Nummer eins der Showmaster als achter Politikredakteur im Landesstudio."

Die öffentlich-rechtliche Trennung von "e" wie ernsthaft und "U" wie Unterhaltung hielt er schon für überholt, als in den Chefetagen deutscher Fernsehanstalten noch niemand das Wort Infotainment buchstabieren konnte. Jauch weiß: "Es ist Unsinn zu glauben, dass eine Fangemeinde bei Ernst Dieter Luegs 'Bericht aus Bonn' bleibt, eine andere Hugo Egon Balders 'Tutti Frutti' anschaut." Der innovative Querdenker hasst Bekenner-TV und entscheidet bei jedem Thema neu, wofür er ist.

"Karrieren entstehen durch das Lösen von Aufgaben, nicht durch Karriereplanung", sagt Burkhard Schwenker, Chef von Roland Berger. Im entscheidenden Moment die richtigen Weichen zu stellen erfordert Mut und Wissen. Jauch sagt von sich, er leide unter dem Beckenbauer-Syndrom, musste nie eine Bewerbung schreiben. Die Angebote kamen immer vorbeigeschwommen.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Jauch hat hart an seiner Karriere gearbeitet. Der Studienabbrecher war jüngster Absolvent der Münchener Journalistenschule und einer der jüngsten Redakteure beim Bayerischen Rundfunk. Wenig später holte Thomas Gottschalk ihn zu seiner legendären "B3-Radioshow". Jauch weiß, dass er gut ist, und er ist ehrgeizig: "Wer sich und seine Sendung nicht weiterentwickelt, bleibt auf der Strecke."

Zum Erfolg gehört Biss. Kontrollierte Aggression ist nach Ansicht des Hamburger Managementtrainers Jens Weidner "ein Tabu in deutschen Chefetagen". Dabei ist positive Aggression "das Kraftwerk für Führungskräfte". Es kommt nur auf die richtige Dosierung an.

Hinter den Kulissen hat sich Jauch ein kleines Produktionsimperium aufgebaut: Seine im Jahr 2000 gegründete Kölner Produktionsfirma I & U Information und Unterhaltung TV Produktion GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er ist, hat er trotz der Krise im Fernsehgeschäft Schritt für Schritt zu einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen ausgebaut. I & U produziert heute weit über hundert Sendungen im Jahr und hat Starmoderatoren wie Hape Kerkeling, Oliver Geissen und Kai Pflaume unter Vertrag (siehe: "Die Geschäfte des Günther Jauch").

Jauch ist einer der beliebtesten Werbeträger Deutschlands und seine eigene Marke. Die Gesellschaft für Konsumforschung zeichnete ihn 2005 als "best brand" aus.

Medienexperte Jo Groebel weiß, woran das liegt: "Er ist authentisch. So wie er sich im Fernsehen gibt, so ist er wirklich." Jauch macht Urlaub in Südtirol. Er hat ein Haus in Potsdam und fährt zum Hertha-Spiel mit der S-Bahn. Nicht Glamour, sondern Glaubwürdigkeit gewinnt.

Der stressfeste Anführer

4. Der stressfeste Anführer

Jauch ist als unerbittlicher Verhandler gefürchtet. Doch seine Partner haben dafür die Gewissheit, einen Mann zu bekommen, der zur gemeinsamen Sache steht. Denn Jauch macht nichts, wovon er nicht überzeugt wäre.

Erfolgreich ist nur, wer eine starke Psyche hat, mit sich im Reinen ist und auch Nein sagen kann, denn Führung ist komplex und fordert viel: Sozial kompetent soll der Mann von heute sein, sich einfühlen können in die Situation des Mitarbeiters und dessen Coach sein.

Andererseits braucht er Härte und Durchsetzungskraft. "Komplexität erzeugt Unsicherheit. Unsicherheit erzeugt Angst. In vernetzten und dynamischen Situationen macht unser Gehirn Fehler", meint Dietrich Dörner, Psychologieprofessor an der Universität Bamberg.

Durch kluges Agieren und Reagieren hat Jauch bislang jede Krise unbeschadet überstanden. Als 1996 bekannt wurde, dass der Journalist Michael Born gefälschte Beiträge an "Stern TV" verkauft hat, ging Jauch in die Offensive. Er zeigte Born an und erklärte sich öffentlich. Das Gericht stellte fest, dass "Stern TV" weder Anstifter noch Mitwisser gewesen sei. Heute ist der Fall vergessen.

Wer ein gesundes Selbstvertrauen hat und auch mal Gefühle zulässt, löst Probleme leichter. Eine Studie der Harvard Medical School in Boston zeigt: Choleriker haben ein dreifach höheres Herzinfarktrisiko. Jauch dagegen wirkt selbst in Stresssituationen entspannt, denkt klar und handelt entschieden. Nach Ansicht von Soziologen sind das die wichtigsten Voraussetzungen für eine charismatische Persönlichkeit.

Eine der größten Stärken des TV-Manns ist seine Unabhängigkeit. Jauch ist präsent, hält aber Distanz, um nicht vom Betrieb aufgefressen zu werden. Der Blick von außen schafft Abstand und öffnet neue Handlungsräume. Und so hat er auf den Sendeplatz von Sabine Christiansen verzichtet, als ihm die ARD-Bürokraten seine Unabhängigkeit streitig machen wollten. Jauch macht seine Steuererklärung selbst, verhandelt in eigener Sache, ohne Berater und trifft wichtige Entscheidungen allein.

5. Der Geldgute

Jauch ist der teuerste, aber auch der großzügigste Werbeträger. Er spendet all seine Werbemillionen, aber im Stillen. Geld ist wichtig, aber es soll nicht übermächtig werden. "Wer sich wegen seines Reichtums ändert, zeigt, dass er sich über Geld definiert. Da käme ich mir arm vor."

Das Gerücht, er sei geizig, weil er in der Studenten-WG immer den billigsten Joghurt gekauft hat, ist so ungerecht wie falsch. Aber Jauch hasst Verschwendung. Seine Werbemillionen spendet er für gemeinnützige Zwecke, vor allem zugunsten seiner Wahlheimat Potsdam.

Außerdem gibt er 10 Prozent seiner TV-Einkünfte ab. Warum? Darüber spricht er nicht, er verabscheut Menschen, die viel verdienen und auch noch darüber reden. Für ihn, der sich als "Gesichtsvermieter" bezeichnet, muss eine Werbekampagne sozialen Nutzen haben.

Er unterstützt die katholische Grundschule, private Initiativen und Einzelpersonen. Seine Spots für die Betonindustrie brachten 3,6 Millionen Euro, die er für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses einsetzte. Das ist schlau. Max-Planck-Forscher um den Evolutionsökologen Manfred Milinski haben herausgefunden, dass Wohltätigkeiten das soziale Prestige im eigenen Umkreis fördern. Milinski: "Die Spende drückt aus, dass Leute dem Spender vertrauen können."

Profi unter Profis

6. Profi unter Profis

Er brauche Leute, die so tickten wie er, sagt Jauch. Er bekennt sich zu seinem kleinen Kreis von Beratern. Jauch hat die persönliche Größe, auf die Besten zu hören.

Günther Jauch verlässt sich seit vielen Jahren auf einen kleinen Kreis von Vertrauten: Andreas Zaik leitet I & U, fungiert gleichzeitig als Geschäftsführer und Chefredakteur. Er genießt Jauchs volles Vertrauen. Mit Thomas Gottschalk verbindet den Moderator seit der gemeinsamen Zeit beim Bayerischen Rundfunk eine Freundschaft. Sie helfen und unterstützen einander.

Agent Antonio Geissler kümmert sich um die Werbeauftritte. Gottschalk hat sie vor 20 Jahren miteinander bekannt gemacht. Seitdem berät Geisslers Angenehme Unterhaltungs-GmbH Jauch (und auch Gottschalk) bei öffentlichen Auftritten werblicher Art.

"Günther Jauch ist im Fernsehen mein größter Konkurrent und privat einer meiner besten Freunde. Bei der Quote gönnen wir uns nichts, im Leben alles", sagt Gottschalk. Marcel Reif, langjähriger Moderationspartner bei der Champions League, ist ein guter Freund.

7. Der Teamplayer

Jauch ist bekannt, beliebt und reich - verantwortlich dafür sind andere. Denn glaubt man Jauch, hat er seinen Erfolg vor allem seinen Mitarbeitern zu verdanken.

Einer der größten Trugschlüsse in Managementetagen ist der, dass man alles selbst erledigen könnte, wenn man nur genug Zeit dafür hätte. Ein Unternehmen aber stellt in Wirklichkeit so komplexe Anforderungen, dass ein Einzelner sie kaum bewältigen kann. "Organisationen bestehen aus Menschen und zeichnen sich durch Nichtlinearität, Rückkoppelungs- und Kippeffekte sowie Vernetztheit aus. Verlässliche linear-kausale Wirkzusammenhänge wünschen wir uns vergebens", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Hans A. Wüthrich.

Komplexität bedeutet Ambivalenz, Unschärfe, Vielfalt, Optionalität, Dynamik. Deshalb müssen Manager nach Ansicht des Experten mit einer Reihe von Paradoxien leben: "Nichtsteuerbarkeit steuern, rational(e) Gefühle zulassen, im Beschleunigen innehalten". Bewährte Führungsmuster - Kontrolle, Entscheiden - funktionieren in modernen Organisationen nicht. Gefragt sind Unternehmer, die den Mut haben, Verantwortung abzugeben.

Jauch weiß das. Er ist ein Teamplayer. Er glaubt an seine Mannschaft, die jenseits des Scheinwerferlichts Ideen entwickelt und umsetzt, die ihn unterstützt und fordert. "Der Erfolg liegt ausschließlich an der Kreativität und dem Fleiß der Mitarbeiter", sagt der Moderator stolz.

Das Team lässt auf seinen Chef nichts kommen: "Ein sympathischer Kollege", "bescheiden und hilfsbereit", "brillant vorbereitet", "ein ganz normaler Mensch, der nie den Boss raushängen lässt". Als Chefredakteur von "Stern TV" besaß Jauch Mitte der 90er Jahre ein großes Büro im fünften Stock am Kölner Hohenzollernring. Er benutzte es nie, teilte sich lieber mit einem Mitarbeiter ein 20-Quadratmeter-Zimmer im vierten Stock mit zwei identischen Schreibtischen.

Der preußische Malocher

"Ins große Zimmer da oben passen vier Schreibtische. Das wäre verschwendeter Raum gewesen. Ich kann hier unten genauso gut arbeiten", begründete er. Die Bürotür stand offen, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, einfach hereinzuplatzen. Gegenseitiger Respekt versteht sich von selbst.

"Das, was den Wert eines Unternehmens ausmacht, ist das Wissen der Mitarbeiter", weiß Unternehmensberater Steven Blythe. Dabei ist ein gutes Team mehr als die Summe guter Köpfe.

Ex-Fußball-Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat im Sommer 2006 bewiesen, dass der Schlüssel zum Erfolgsteam vor allem in gezielter Motivation liegt. Zahlreiche Studien zeigen, dass Mitarbeiter umso engagierter sind, je besser sie sich eingebunden fühlen und je mehr sich die Unternehmensführung tatsächlich für ihr Wohlergehen interessiert.

Nach wichtigen Verhandlungen feiert Jauch mit seiner Redaktion beim Italiener und bedankt sich offiziell: "Ich habe hier eine gute Sendung und eine prima Redaktion. Und weil das 80 Prozent des Lebensglücks ausmachen kann, habe ich mich so entschieden." Man trinkt Champagner und macht sich anschließend wieder an die Arbeit.

8. Der preußische Malocher

Gottschalk sagte mal zu Jauch, er könne ihn zum "Heute Journal" vermitteln, er kenne den Strauß. Ein Karrieresprung für einen jungen, aufstrebenden Journalisten. Aber über Beziehungen wollte Jauch nicht nach oben. So bekam CSU-Mann Sigmund Gottlieb den Job.

Vor jeder Sendung sitzt Jauch in seinem Büro und pinselt Karteikärtchen voll. Er schreibt seine Moderationstexte selbst. Die Mühe machen sich nicht mehr viele seiner Kollegen. Und er spricht frei, nach Stichworten, die er auf den Karten notiert hat. Diese in Zeiten des Teleprompters altertümlich anmutende Methode hat Jauch ganz nach vorn gebracht. Er sagt: "Ich brauche die Verzahnung von Denken und Sprechen, die nur gelingt, wenn man nicht vorliest." Deshalb spickt er nur kurz.

Vor "Stern TV" ist Jauch stets in seinem Büro anzutreffen, wo er sich konzentriert vorbereitet. Kollegen bewundern seine preußische Disziplin, die mitunter auch quälend sein kann.

Jauch will nichts geschenkt. Gründliche Arbeit, solides Handwerk ist seine Maxime. 90 Sendestunden in 140 Tagen - das Pensum ist enorm. Wie schafft er das? "Mein Alltag ist stark verdichtet. Ich versuche durch Rationalisierung möglichst viel hineinzupacken." Jauch ist ein Marathonmann. Viele TV-Macher, die sich allzu sehr verausgabten, hat er verbrennen sehen.

Deshalb teilt er sich sein Rennen ein: Montag ist Frei-Tag, dienstags um 9 Uhr fliegt er von Berlin nach Köln. Am Nachmittag zeichnet er in Hürth bei Köln drei Sendungen von "Wer wird Millionär?" auf. Am Mittwoch eilt er zu "Stern TV". Nur einmal ist es ihm passiert - das war sein schlimmster Blackout - dass er "Wer wird Millionär?" vergessen hat. "Schließlich erreichte mich das Team in Berlin. Ich bin sofort zum Flugplatz gerast, habe das nächste Flugzeug genommen - und endlich konnten wir mit 20 Minuten Verspätung anfangen."

Der hungrige Asket

9. Der hungrige Asket

Eigentlich kann sich Jauch zur Ruhe setzen. Er hat alles erreicht, genug verdient. Doch die Vorstellung, faul zu sein, nicht zu arbeiten, ist der Horror für einen 50-Jährigen, der von sich selbst sagt, er sei ein schlechter Genießer.

"Ich kenne Leute, die sich auf Mallorca zur Ruhe gesetzt haben, die schwärmen von ihrem entspannten Leben. Ich frage: Was macht ihr denn den ganzen Tag? Ach, sagen sie, man trifft Freunde, macht mittags schon mal einen Rotwein auf." Jauch macht keinen Rotwein auf, schon gar nicht bei Tageslicht.

In der Garage stehen weder Porsche noch Jaguar, sondern die Familienkutsche und drei Oldtimer mit sentimentalem Wert: ein VW-Käfer, der so alt ist wie Jauch selbst, ein R 4 und ein Citroën 2CV. Kein Schnickschnack, keine Millionärsallüren, keine Arroganz. Jauch lebt vor, dass Bodenständigkeit keineswegs langweilig sein muss. "Ich bin der Biederste und der Deutscheste von allen, die im Fernsehen herumlaufen."

Er arbeitet von Jahr zu Jahr mehr. Er geht an seine Grenzen. Aber nicht darüber hinaus. Den TV-Mann wird man auf kaum einer Party treffen. Es sei denn, es handelt sich um einen absoluten Pflichttermin, wie den Deutschen Fernsehpreis. Durchzechte Nächte? Fehlanzeige. Ab und zu fastet er. Er trinkt nicht, raucht nicht und wandert gern. Jauch ist erfolgshungrig, aber luxusasketisch.

Eine gesunde Physis ist Voraussetzung, um dauerhaft ein hohes Pensum zu bewältigen. Besonders Manager stünden unter extremer psychophysischer Belastung, meint Joachim Kugler, Professor für Gesundheitswissenschaften an der TU Dresden. Ein Ausgleich von Arbeit und Erholung ist daher unabdingbar.

Stress in Maßen, das ist bekannt, erhöht unsere Fähigkeiten, macht fit und aufmerksam. Dauernde Überforderung aber kann die Gesundheit gefährden und zu Burn-out führen. Promiente Beispiele sind Skispringer Sven Hannawald und Profifußballer Jan Simák. Sie mussten wegen chronischer Erschöpfung ihre Karriere frühzeitig beenden oder unterbrechen.

Der Privatier

10. Der Privatier

Jauch weiß: Es gibt ein Leben neben dem Job. Es ist das wichtigere. Und es erfordert mindestens so viel Engagement und Akribie wie der Beruf.

Seit 20 Jahren ist Günther Jauch mit Thea Sihler liiert. Im vergangenen Jahr hat das Paar unter Ausschluss der Öffentlichkeit geheiratet. Sie haben vier Töchter, Svenja und Kristin, 18 und 14 Jahre alt, sowie die adoptierten russischen Waisenmädchen Katja und Mascha, 10 und 8.

Die Familie gibt Jauch Halt. Zu Hause verlässt er sich ganz auf Thea. Die Arbeit ist konservativ aufgeteilt. Er verdient das Geld. Sie managt Haushalt und Familie. Dennoch ist Jauch überzeugt, dass seine Frau den engeren Terminkalender hat. "Wenn man vier Kinder hat, hat man keine Zeit, sich mit seinen Befindlichkeiten zu beschäftigen. Da muss man sehen, dass der Betrieb läuft und keiner überschnappt", sagt er.

Das Fernsehgeschäft ist ähnlich familien- und partnerschaftsfeindlich wie viele Wirtschaftsunternehmen in diesem Land: lange und unregelmäßige Arbeitszeiten, Stress, viele Reisen und offizielle Verpflichtungen. Eine Studie der Weltbank zeigt, dass insbesondere die ständige Trennung durch Geschäftsreisen den daheim bleibenden Partnern viel zumutet. Durch die unregelmäßigen Unterbrechungen des Familienlebens kann sich keine Routine einstellen. Telefon und E-Mail können das nur bedingt kompensieren, denn die Alltagsentscheidungen bleiben letztlich an dem Ehepartner hängen.

Jauch verbringt von Freitag bis Montag jede freie Minute mit seiner Familie. Er arbeitet nach einem klaren Zeitplan, in dem Frau und Kinder ihren festen Platz haben. Privates und Job trennt er strikt. Die Familie ist dem katholisch erzogenen Jauch heilig. Er kümmert sich liebevoll um die Kinder. Auf seinem Schreibtisch steht ein Liebesbrief seiner Tochter Svenja.

Jauch ist Vater aus Leidenschaft. "Nachdem wir zwei Töchter hatten, war ich überzeugt, dass Frauen der bessere Teil der Weltgesellschaft sind." Um nichts hat er größere Angst als um das Wohl seiner Kinder. Rigoros schützt er sie vor der Öffentlichkeit. Sie sollen unbelastet aufwachsen. Es gibt keine Fotos und wird sie auch nicht geben. Darüber wacht sein Berliner Anwalt Christian Schertz.

Der Zuchtmeister

11. Der Zuchtmeister

Der Fernseher läuft selten im Hause Jauch. Es herrscht zwar keine waldorfmäßige Abstinenz, aber er achtet genau darauf, was geschaut wird. Der bekennende Fan humanistischer Bildung und Verfechter des Leistungsprinzips erzieht seine Töchter liebevoll-streng.

Die Mädchen üben täglich eine halbe Stunde Klavier. Jauch, der selbst fünf Jahre Blockflöte hat lernen müssen, ist überzeugt, dass "der Prozess des Verspielens, des Scheiterns und des Nicht-Aufgebens nicht ganz sinnlos war".

Vor allem sollen seine Kinder lesen, viel lesen, denn Bücher regen im Gegensatz zu Fernsehen und Hörspiel die Fantasie an: "Menschen, die es nicht gelernt haben, ein Buch zu lesen, fehlt sehr viel", meint der Mann, den die meisten Deutschen für besonders schlau halten. So wie sein Vater Ernst-Alfred ihm und den zwei jüngeren Geschwistern ein Vorbild war, geht auch Jauch mit gutem Beispiel voran: "Meine Kinder sehen mich oft lesen, und ich hoffe, dass das zur Nachahmung führt."

Bequeme Eltern, die das Kinderzimmer mit Spielsachen zuschütten, nur damit sie ihre Ruhe haben, sind ihm ein Graus. Einkaufsorgien gibt es bei ihm nicht. Die Kinder bekommen ein kleines Taschengeld, mehr nicht. In einem Interview gestand er einmal, dass er eher nicht sein eigenes Kind sein möchte: "Zu streng, manchmal ungerecht, mit einem Zug zur Miesepetrigkeit".

Während viele moderne Eltern versuchen, schon die Kleinsten mit Argumenten zu überzeugen, und sie damit am Ende nur überfordern, führt Vater Jauch zu Hause ein strenges, aber wohlwollendes Regiment.

Nach Ansicht vieler Pädagogen kann eine Eltern-Kind-Beziehung überhaupt nicht demokratisch sein. Kinder brauchen Sicherheit und Grenzen. Diana Baumrind, Psychologin in Berkeley, Kalifornien, kommt nach Jahren intensiver Forschungsarbeit zu folgenden Ergebnissen: Die selbstbewusstesten und kontrolliertesten, zufriedensten, unternehmungslustigsten und unabhängigsten Kinder würden sich bei einer Erziehung entwickeln, die klare Grenzen beinhalte, gleichzeitig aber eine besondere menschliche Wärme anbiete. Ein Familienklima, das sich durch große Offenheit, Wärme und Liebevollsein auszeichnet, erleichtert Kindern das Einhalten einmal gesetzter Grenzen ungemein. Jauch nimmt sich dafür viel Zeit bei seinen Mädchen.

Besonders wichtig ist ihm die schulische Ausbildung seiner Kinder. Von Waldorf-Pädagogik hält er nicht viel, denn Schulnoten würden den Anreiz bieten, mehr zu leisten. Regelmäßig kontrolliert er deshalb die Hausaufgaben seiner Töchter.

Leistung statt Standesdünkel: "Ich habe mehr Achtung vor Abbrucharbeitern oder Monteuren, die ihre freie Zeit nicht vorm Fernseher verbringen und stattdessen Museen besuchen, Bücher lesen und sich weiterbilden."

Mit zwei Typen habe er Probleme: "Mit Leuten, die Franz Kafka für den Erfinder von 'Fix und Foxi' halten, genauso wie mit sogenannten Bildungsbürgern, die den Namen Matthäus nur aus dem Evangelium kennen."

Jauch zählt zu einer neuen Generation aufgeklärter Konservativer. Sie verfechten einen klaren Bildungs- und Wertekanon, der den Kindern eine solide Basis bietet, auf der sie später selbst entscheiden können. Jauchs Kinder sollen vor allem eines lernen: "sich in dieser diffusen Welt zurechtzufinden".

Die Marke: Die Geschäfte des Günther Jauch Günther Jauch: Multimoderator, Millionenmann

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